Oertzenweg 19 b
14163 Berlin
+49 30 838 62600
physiologie@vetmed.fu-berlin.de
Es sollte geprüft werden, ob die in vitro Perfusion von Schlachthoflungen eine Alternative zum Tierversuch bieten kann. Voraussetzung war eine befriedigende Standardisierung des Versuchsaufbaus. Die während der Perfusionen gemessenen Parameter wurden mit denen von narkotisierten Schweinen verglichen. Diese Studie sollte klären, ob durch Lebendbeschau und durch Organbeschau am Schlachthof eine gleichbleibende Qualität der entnommenen Lunge gewährleistet werden kann. Darüber hinaus sollte geprüft werden, welche Konservierungslösungen für die Aufbewahrung der Schlachthoflungen geeignet sind.
Eine Methode zur in vitro Perfusion von Schweinelungen wurde etabliert und aufgrund der gemessenen Parameter evaluiert. Die Perfusionen dauerten insgesamt 135 Minuten. 60 bis 90 Minuten nach Perfusionsbeginn wurde ein befriedigendes “Steady State“ der Messparameter erreicht. Innerhalb der Gruppen wurden für die bei 60, 75 und 90 Minuten gemessenen jeweiligen Perfusionsparameter nahezu immer keine signifikanten Änderungen gefunden (Gruppen 2 bis 7). Einzelne Parameter, die abweichend kein “Steady State“ erreichten, konnten als Charakteristikum dieser Gruppe belegt werden. Die in dieser “Steady State“-Periode gemessenen Werte wurden für die einzelnen Versuchsgruppen mit statistischen Prüfverfahren verglichen und graphisch oder in Tabellen dargestellt. Die Versuchstiere bzw. die perfundierten Lungen wurden in 7 Gruppen eingeteilt:
Gruppe 1- Messungen an Lungen narkotisierter Schweine; Gruppe 2- Lungen von den narkotisierten Schweinen, die direkt nach Entnahme perfundiert wurden; Gruppe 3- v. Baeyer II konservierte Lungen mit makroskopisch unauffälligem Lungenbefund; Gruppe 4- v. Baeyer II konservierte Lungen mit makroskopisch verdächtigem Lungenbefund; Gruppe 5- LPD (low potassium dextran) konservierte Lungen mit unauffälligem Befund in der Lebend Beschau; Gruppe 6- LPD konservierte Lungen mit verdächtigem Befund in der Lebendbeschau; Gruppe 7- mit isotoner Kochsalzlösung konservierte Lungen mit unauffälligem Befund.
Bei den Perfusionen wurden die Perfusionsdrücke (PAP pulmonal arterial pressure) etwa gleich hoch eingestellt, wie sie bei den narkotisierten Tieren gemessen worden waren (Gruppe 1- 3,43±1,15; Gruppe 2- 3,00±0,63; Gruppe 3- 3,19±0,58; Gruppe 4- 3,41±0,84; Gruppe 5- 3,10±0,50; Gruppe 6- 2,86±0,71 und Gruppe 7- 2,75±0,97 [kPa]). Die im “Steady State“ erreichten Lungenperfusionsraten waren allerdings erheblich niedriger als die bei den narkotisierten Schweinen gemessenen Lungendurchblutungen (Gruppe 1 21,01±15,62; Gruppe 2 1,19±0,92; Gruppe 3 0,65±0,40; Gruppe 4 0,34±0,21; Gruppe 5 0,78±0,20; Gruppe 6 0,39±0,19 und Gruppe 7 0,55±0,19 [ml/min/g]).
Gegenüber den Messungen an den lebenden Tieren (Gruppe 1) wurden während der Lungenperfusionen Massenzunahmen der Lungen durch sich zunehmend entwickelnde Ödeme beobachtet. Im “Steady State“ (Gruppen 2, 3, 5 und 7) war während der Lungenperfusion die Durchblutung der Lungen wesentlich geringer, der Gesamtwiderstand deutlich erhöht, die Sauerstoffaufnahme schlechter, der Spitzendruck erhöht und die dynamische Compliance niedrigerer als die bei den narkotisierten Schweinen gemessnen Parameter (Gruppe 1).
Histologisch wurden in Gruppe 5 nach Reperfusion Neutrophilenaggregation, Schwellung der Alveolarsepten und des Bindegewebes, Hämostasen sowie Desquamationen von Zellen und Einblutungen ins Alveolarlumen beobachtet.
Die pulmonal arteriellen bzw. pulmonal venösen Sauerstoffsättigungen, Kohlendioxidpartialdrücke und pH-Werte waren für Gruppe 1 und 2 nicht signifikant verschieden. Das trifft auch für den pulmonal venösen Sauerstoffpartialdruck zu. Der pulmonal arterielle Sauerstoffpartialdruck ließ sich in vitro mit dem verwendeten Platten(de)oxygenators nicht ganz auf die bei den narkotisierten Schweinen gemessenen Werte absenken (Gruppe 1 5,33±0,51 und Gruppe 2 6,27±0,76 [kPa], mit p<0,05).
Aus den im wesentlichen übereinstimmenden Parametern zwischen den Gruppen 2 und 5 schließen wir, dass die Perfusion der am Schlachthof entnommenen Lungen mit der Perfusion der unter Laborbedingungen vom Versuchstier entnommenen Lungen vergleichbar ist.
Das histologische Bild (Gruppe 5) sowie die genannten Unterschiede zwischen Gruppe 1 und 2 belegen einen Ischämie- Reperfusions- Schaden nach Lungenperfusion in unserem Modell.
Aufgrund der aufgestellten Auswahlkriterien waren die Schlachthoflungen als makroskopisch pathologisch oder als verdachtsweise von kreislaufkranken Tieren stammend (Gruppen 4 und 6) beurteilt worden. Die Messparameter wurden mit denen von unverdächtigen Lungen (Gruppen 3 und 5) verglichen. Wichtige bei den verdächtigen Lungen gemessene Funktionsparameter unterschieden sich von denen an gesunden Lungen gemessenen Werten (z.B. Perfusionsrate Gruppe 6 0,39±0,19 und Gruppe 5 0,78±0,20 [ml/min/g]; Gesamtwiderstand Gruppe 6 9,25±6,53 und Gruppe 5 3,25±1,02 [kPa*min*g/ml]; pulmonal venöser Widerstand Gruppe 6 5,88±3,74 und Gruppe 5 1,95±0,61 [kPa*min*g/ml]); Sauerstoffaufnahme Gruppe 6 7,00±3,48 und Gruppe 5 19,66±7,89 [ml O2*mlBlut/min/g]). Die bei den verdächtigen Lungen in Gruppe 4 während der Perfusion stetig weiter steigenden Gesamtwiderstände erreichten von 60 bis 90 Minuten nach Perfusionsbeginn kein “Steady State“; bei den unauffälligen Lungen in Gruppe 3 war der Gesamtwiderstand im “Steady State“ gleichbleibend. Eine sorgfältige Lebend- und Organbeschau auf dem Schlachthof ist eine entscheidende Vorraussetzung, um Lungen von vergleichbarer Qualität für die Perfusionen zu erhalten.
Bei den mit Intrazellularlösung konservierten Lungen (Gruppe 3) waren gegenüber den mit Extrazellularlösung konservierten Lungen (Gruppe 5) die pulmonal arteriellen Widerstände erhöht (Gruppe 3 4,30±1,62; Gruppe 5 1,41±0,61 [kPa*min*g/ml]). Bei Konservierung mit hohen Kaliumkonzentrationen war schon während der Konservierung das Einfließen der Konservierungslösung erheblich verlangsamt. Die Parameter der mit isotoner NaCl-Lösung konservierten Lungen (Gruppe 7) unterschieden sich nicht von denen mit LPD-Konservierung, jedoch erreichten die Gesamtwiderstände in Gruppe 7 kein befriedigendes “Steady State“ (Anhang Tab. 13).
Wir empfehlen zur Überprüfung von Konservierungen den Vergleich mit Lungen einer Kontrollgruppe, die mit isotoner Kochsalzlösung konserviert werden.
Aus den Ergebnissen folgern wir, dass die Funktionsbedingungen unserer isoliert hämoperfundierten Lungen Veränderungen eines Ischämie- Reperfusions- Schadens aufweisen. Viele der gemessenen Perfusionsparameter glichen zwar den in vivo Werten, bei vielen der funktionellen Parametern traten jedoch deutliche Unterschiede auf. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass Perfusionen von Lungen, die von Schlachtschweinen gewonnen wurden, für Fragestellungen zum Ischämie- Reperfusions- Schaden geeignet sein können.