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Die peripartale Hypocalcämie der Milchkuh gehört zu den bedeutendsten Störungen des Mineralstoffwechsels in der Milchviehhaltung. In den USA wird das Auftreten von subklinischen Hypocalcämien bei Erstkalbinnen mit bis zu 25%, bei Vielkalbinnen mit 40 bis über 50% angegeben (Reinhardt et al. 2010), die Inzidenz für die Ausprägung klinischer Symptome wie Festliegen (Gebärparese) beträgt 5-10% (DeGaris und Lean 2008; Goff 2008). Daher sind vielfaltige Prophylaxe- und Therapiekonzepte inzwischen gängige Praxis in der Milchviehhaltung.
Die Pathogenese der Hypocalcämie ist seit vielen Jahren bekannt. Der sprunghaft ansteigende Calcium-Bedarf für die Bildung von Kolostrum und Milch kann nicht schnell genug durch entsprechende Absorption aus dem Magen-Darm-Trakt bzw. Mobilisation aus dem Knochen gedeckt werden. Fällt der Blut-Calcium-Spiegel unter einen Schwellenwert, kommt es zum klinischen Bild des Festliegens.
Die Regulation des Calcium-Haushalts ist zwar vielfach und in der Sequenz der Regulationsabläufe auch bei Kühen beschrieben worden, unklar ist jedoch immer noch, warum einige Tiere die Umstellung auf den erhöhten Calcium-Bedarf ohne Ausprägung klinischer Symptome überwinden, andere hingegen nicht. Beim Menschen sind Polymorphismen des Vitamin-D-Rezeptor-Gens im Zusammenhang mit veränderter Knochendichte, Osteoporose und verändertem Calciumgehalt der Milch beschrieben worden. Da der Vitamin-D-Rezeptor (VDR) die Umsetzung der Wirkungen von Calcitriol, der biologisch aktiven Form des Vitamin D, vermittelt, ist er essentiell für den Erhalt der Calcium-Homöostase. Die beim Menschen nachgewiesenen Beziehungen zwischen Alterationen des VDR und Störungen des Calcium-Haushalts überraschen daher nicht. Polymorphismen im bovinen Vitamin-D-Rezeptor-Gen könnten somit möglicherweise eine Prädisposition für die Gebärparese bzw. die Resistenz erklären. Variationen in der Nukleinsäuresequenz der Exons können den Austausch von Aminosäuren und damit eine veränderte Proteinsequenz des Vitamin-D-Rezeptors verursachen, die wiederum eine veränderte Ansprechbarkeit des Rezeptors, beziehungsweise, je nach Lokalisation der Mutation, eine eingeschränkte Funktionalität der betroffenen Protein-Domäne bedingen kann.
Sequenzen von VDR-Exons und angrenzenden Intron-Abschnitten von 26 Milchkühen, alle in der 4.-6. Laktation, wurden mit der auf NCBI veröffentlichten Sequenz verglichen. Vier der acht entdeckten Sequenzalterationen sind auf Exons lokalisiert. Bei Vergleich der veränderten Basensequenz mit den für Aminosäuren kodierenden Tripletts, wurden in allen vier Fällen potentielle Änderungen auf die Aminosäuresequenz festgestellt.
Im Rahmen dieser Arbeit konnte kein Zusammenhang zwischen gefundenen Variationen in Exon- oder exonnahen Intron-Bereichen des VDR-Gens und Hypocalcämie-Inzidenz bei Milchkühen festgestellt werden (p>0,05).
Da nur ein begrenzter Teil des VDR-Gens sequenziert wurde, ist eine Hypocalcämie-bedingende Basen-Alteration nicht ausgeschlossen, eine Alteration mit direkten Auswirkungen auf das VDR-Protein erscheint aber unwahrscheinlich. Aus statistischen Gründen wäre in einer fortführenden Studie außerdem eine größere Fallzahl wünschenswert. Limitierender Faktor bei der Auswahl der Probanden aus einem Betrieb, sind jedoch Kühe in ihrer 4.-6. Laktation, aus ähnlichen Haltungsbedingungen, die noch nie mit einer Hypocalcämie auffällig geworden oder verwandt sind.