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In den letzten Jahren sind die perinatalen Kälberverluste insbesondere bei den Abkalbungen von primiparen Kühen stark angestiegen. Hauptursache dafür sind Schwergeburten. Auf ihr Auftreten hat das Geburtsgewicht des Kalbes den größten Einfluss. In dieser Studie wurde untersucht, welchen Einfluss die Dauer der antepartalen Transitfütterung auf die körperliche Entwicklung des primiparen Muttertieres, auf dessen Abkalbeverhalten und hormonelle Geburtsvorbereitung sowie auf die Ausprägung von dessen labordiagnostischen Parametern hat. Daneben wurden die Auswirkungen der variierten Vorbereitungsdauer auf das Geburtsgewicht, die Körpermaße, die perinatale Vitalität sowie die perinatalen klinischen und labordiagnostischen Parameter des Kalbes untersucht. Die Datenerhebung fand zwischen November 2003 und Oktober 2004 in einem brandenburgischen Milchviehbetrieb statt. 433 primipare, schwarzbunte, künstlich besamte Färsen wurden zufällig auf drei Gruppen verteilt. Gruppe 1 wurde eine Woche (0-11 Tage), Gruppe 2 zwei Wochen (12 – 16 Tage) und Gruppe 3 drei Wochen (17 – 49 Tage) vorbereitet. Die Futterration enthielt in der Trockenmasse 6,1 – 6,6 MJ NEL /kg, 12,1 – 15,0 % Rohprotein, 18,6 – 23,0 % Rohfaser und einen Stärke- und Zuckergehalt von 16,5 – 22,7 %. Bei den Färsen wurde ab der sechsten antepartalen Woche wöchentlich die Rückenfettdicke mittels Ultraschall gemessen und Blut aus der Schwanzvene entnommen. Letzteres wurde auf Östradiol-17ß und Progesteron untersucht. Eine direkt nach der Abkalbung entnommene Blutprobe, wurde zudem auf diverse Stoffwechselparameter untersucht. Der beobachtete Geburtsverlauf wurde in drei Schwierigkeitsgrade eingeteilt. Grad 0 entspricht einer problemlosen Geburt, Grad 1 einer Geburt mit leichter Geburtshilfe und Grad 2 einem schweren Geburtsverlauf mit dem Einsatz des mechanischen Geburtshelfers. Vor der ersten Kolostrumaufnahme wurde das Kalb gewogen und sein Geschlecht bestimmt. Zudem erfolgte eine Vermessung seiner Scheitel-Steiß-Länge, seines Brustumfangs und der Kopfbreite. Des Weiteren wurden seine Rektaltemperatur sowie die Herz- und Atemfrequenz bestimmt. Zusätzlich wurde dem Kalb eine Blutprobe entnommen und im Vollblut auf Laktat sowie im Serum auf verschiedene Stoffwechselparameter untersucht. Die Bestimmung des Blutlaktatgehaltes wurde innerhalb der ersten vierundzwanzig Lebensstunden wiederholt. Im Alter von sieben und vierzehn Tagen wurden die Kälber erneut gewogen und ihre Scheitel-Steiß-Länge und ihr Brustumfang gemessen. Krankheiten und Todesfälle bis zum vierzehnten Lebenstag wurden notiert. Die Dauer der Vorbereitung wirkte sich nicht auf die Körpermaße, die Vitalität, die labordiagnostischen und klinischen Parameter des Kalbes sowie die Totgeburtenrate aus. Der Blutlaktatgehalt des neonatalen Kalbes liegt in den ersten vierundzwanzig Lebensstunden über dem Referenzbereich adulter Rinder und ist unabhängig von der Dauer der Vorbereitung. Das Wachstum des Muttertieres war ebenfalls nicht durch die Dauer der Vorbereitung beeinflusst. Die Rückenfettdicke und Widerristhöhe der Färsen war bei der Abkalbung in den drei Vorbereitungsgruppen gleich. Allerdings wurden mit längerer Vorbereitungsdauer signifikant vermehrt Schwergeburten beobachtet. Mit zunehmendem Geburtsgewicht der Kälber erhöhte sich der Schweregrad der Abkalbungen. Der Schweregrad 2 trat in allen drei Vorbereitungsgruppen gleich häufig auf und wurde ausschließlich durch Lage-, Stellungs- und Haltungsanomalien sowie eine mangelnde Relaxierung des weichen Geburtsweges hervorgerufen. Folglich wurde er nicht von der Dauer der Vorbereitungsfütterung beeinflusst. Mit zunehmendem Schweregrad der Abkalbung traten vermehrt Totgeburten auf. Obwohl der Grad 2 nur 7% der Abkalbungen ausmachte, war er für ein Drittel der aufgetretenen Totgeburten verantwortlich. Die restlichen Totgeburten waren auf Geburten vom Grad 0 und 1 gleichermaßen verteilt. Färsen mit Totgeburten wiesen ante- und peripartal signifikant niedrigere Östradiol-17ß-Konzentrationen auf. Diese Tatsache und das Auftreten von Totgeburten unter problemlosen Geburten deuten auf eine pränatale letale Schädigung des Kalbes oder eine Dysfunktion der Plazenta hin. Weitere Untersuchungen der Plazenta und des Kalbes sind zur Klärung der Zusammenhänge erforderlich. Die Überwachung der Geburtsverläufe und der jungen Kälber war in diesem Betrieb täglich über vierundzwanzig Stunden gegeben. Aufgrund dessen traten eine geringe Totgeburtenrate und wenige Fälle postnataler Morbidität und Mortalität bei den Kälbern auf. Die Dauer der Vorbereitung wirkte sich nicht auf die postnatale Entwicklung der Kälber aus. Zusammenfassend kann somit gesagt werden, dass Totgeburten durch diverse Faktoren verursacht werden. In dieser Studie zeigen sich zwei große Ursachenkomplexe. Zum einen deuten signifikant geringere antepartale Östradiol-Werte und ein Verenden von Kälbern bei problemlosen Geburten auf eine bereits pränatale letale Schädigung des Kalbes oder der Plazenta hin. Zum anderen führen Schwergeburten zu einem Großteil der Totgeburten. Zwar lässt sich das Auftreten von Schwergeburten nicht vollständig verhindern, jedoch reduziert eine kürzere Vorbereitungsdauer ihr Auftreten deutlich. In Verbindung mit einem gezielten, frühzeitigen Eingriff in den abnormen Geburtsverlauf sollte bei einem Großteil der Kälber das Eintreten der perinatalen Mortalität verhindert werden können.