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In der vorliegenden Arbeit wurden 188 Kühe, die festlagen oder bei erhaltenem Stehvermögen Symptome der Gebärparese zeigten, behandelt. Die klinischen Befunde der Patienten wurden in einem Erfassungsbogen dokumentiert. Jedem Tier wurde vor der Behandlung eine Blutprobe zur Bestimmung klinisch-chemischer Parameter entnommen. Bei der anschließenden Behandlung wurden die Patienten nach dem Zufallsprinzip einer Versuchs- und einer Kontrollgruppe zugeteilt. Die Patienten der Versuchsgruppe erhielten zusätzlich zu einer Standardtherapie bei jeder Behandlung ein orales Calcium-Phosphor-Präparat, dessen Einfluss auf den klinischen Behandlungserfolg bei Patienten mit Gebärparese untersucht werden sollte. Der Behandlungserfolg wurde in dem Erfassungsbogen dokumentiert. Abschließend erfolgte die Auswertung der klinischen und klinisch-chemischen Parameter der Patienten. In der durchgeführten Untersuchung sollten die Veränderungen des klinischen Bildes des peripartalen Festliegens untersucht werden. Dabei konnte ein Wandel des klinischen Bildes des peripartalen Festliegens nachgewiesen werden, bei dem die Mehrzahl der Patienten nur wenige klinische Symptome zeigte. Die Gebärparese trat gehäuft bei älteren Tieren auf. 4,8% der erkrankten Tiere waren primipare Patienten. Der Großteil der Patienten (119 Tiere) befand sich in Brustlage. Ein Abfall der Rektaltemperatur auf hypotherme Werte konnte lediglich bei 28,2% der Patienten festgestellt werden. Die Körperoberflächentemperatur war bei 48,4% der Patienten normal und bei 26,7% der Tiere im Bereich der Ohren herabgesetzt. Das Sensorium war lediglich bei 30 Tieren eingetrübt. Eine Retentio secundinarum trat bei 34% der Patienten auf. In diesem Zusammenhang konnte ein erhöhtes Risiko für Tiere mit Gebärparese gezeigt werden, an einer Nachgeburtsverhaltung zu erkranken. Eine Abhängigkeit des Auftretens der Nachgeburtsverhaltung vom Serumcalcium- und Serumphosphorspiegel konnte nicht nachgewiesen werden. Bei der Bestimmung der klinisch-chemischen Parameter zeigte sich, dass insgesamt mehr Patienten hypophosphatämische Werte (75,0%) aufwiesen. 69,1% der Tiere waren hypocalcämisch. Ein gleichzeitiger Calcium- und Phosphormangel kam bei Erstkalbinnen nicht vor. Drei primipare Tiere waren hypocalcämisch, sechs hypophosphatämisch. Tiere mit einer Eintrübung des Sensoriums waren mit Ausnahme eines Patienten hypocalcämisch. Bewusstseinsgestörte Patienten hatten signifikant niedrigere Serumcalcium- und signifikant höhere Glukose-, Creatininkinase- und Bilirubinwerte als Tiere ohne Bewusstseinseintrübung. Bei 37,2% der Patienten bestand aufgrund einer Erhöhung der β-Hydroxybutyratwerte zumindest ein Ketoseverdacht. Die Serum-bilirubinwerte waren bei 40,4% der Patienten pathologisch erhöht. Nach den Ergebnissen der klinisch-chemischen Untersuchungen wurden die Patienten entsprechend der Erkrankungsursache in verschiedene Gruppen unterteilt. Die Patienten der Gruppe 1.1, bei denen eine Hypocalcämie und eine Hypophosphatämie als Erkrankungsursache festgestellt wurde, wiesen größtenteils hochgradig hypocalcämische und hypophosphatämische Werte in der klinisch-chemischen Untersuchung auf. Während ein alleiniger Calciummangel (Gruppe 1.2) nur bei 19 Tieren diagnostiziert wurde, erkrankten 30 Tiere wegen einer alleinigen Hypophosphatämie (Gruppe 1.3). 28 Tiere, bei denen der Serumcalcium- und Serumphosphorspiegel im Normbereich waren und deren Erkrankung andere Ursachen hatte, wurden den Gruppen 2 bis 4 zugeteilt. Patienten, bei denen Nachbehandlungen erforderlich waren, hatten signifikant höhere Creatininkinase-, AST- und Bilirubinwerte als Tiere, bei denen ein Behandlungserfolg nach einer Infusionsbehandlung eintrat. Tiere, bei denen sich ein Behandlungserfolg nicht einstellte, hatten signifikant höhere Creatininkinase- und AST-Werte als Patienten, die erfolgreich therapiert werden konnten. Im Gegensatz zu den AST-, CK- und Bilirubinwerten hatte die Höhe des Ausgangsserumcalcium- und Serumphosphorspiegels keinen Einfluss auf die Heilungswahrscheinlichkeit. Die Gesamtheilungsrate von Kühen mit Gebärparese betrug 85,1%. Ein Erstbehandlungserfolg konnte bei 72,9% der Patienten erzielt werden, 12,2 % der Tiere wurden durch weitere Behandlungen geheilt. Patienten, die wegen einer atypischen Gebärparese behandelt wurden, konnten nur bei erfolgreicher Erstbehandlung geheilt werden. Schlug diese fehl, trat ein Behandlungserfolg bei weiteren Behandlungen nicht mehr ein. Die zur Überprüfung eines oralen Calcium-Phosphor-Präparates in eine Versuchs- und eine Kontrollgruppe eingeteilten Tiere wiesen in den klinischen Parametern keine signifikanten Unterschiede auf. Die Tiere der Versuchsgruppe hatten signifikant niedrigere Serumchloridwerte als die Tiere der Kontrollgruppe. Alle weiteren klinisch-chemischen Parameter der Versuchs- und Kontrolltiere einschließlich der Serumcalcium- und Serumphosphatwerte wiesen keine signifikanten Unterschiede auf, so dass die Behandlungsergebnisse der Tiere beider Gruppen ohne Einschränkung miteinander verglichen werden konnten. Eine signifikante Verbesserung des Behandlungserfolges konnte durch die orale Verabreichung eines Calcium-Phosphor-Gels nicht erreicht werden. Infolge der früh einsetzenden Stase des Magen- und Darmtraktes bei Tieren mit Gebärparese konnten die Inhaltsstoffe des oral verabreichten Calcium-Phosphor-Präparates nicht resorbiert werden und erlangten damit keine Bioverfügbarkeit im Organismus des erkrankten Tieres. So zeigten auch die drei bis sechs Stunden nach Erstbehandlung entnommenen Kontrollblutproben keine signifikanten Unterschiede zwischen den Patienten der Versuchs- und Kontrollgruppe. Das zu prüfende Präparat konnte weder den klinischen Behandlungserfolg bei Tieren mit Gebärparese verbessern, noch war ein signifikanter Einfluss auf die klinisch-chemischen Parameter bei den behandelten Tieren nachweisbar.