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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Zur Geschichte der Tierärztlichen Ambulanz Schwarzenbek (TAS) des Fachbereichs Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin 1979 bis 1997:
    Bestandsdiagnostik und -therapie als Unterrichtseinheit im Veterinärmedizinstudium (2009)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Ribbat, Cosima (WE 18)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2009 — 126 Seiten
    ISBN: 978-3-86664-619-3
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/712
    Kontakt
    Nutztierklinik

    Königsweg 65
    14163 Berlin
    +49 30 838 62261
    klauentierklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Durch die Sichtung verschiedener Quellen wie Tischvorlagen, Vorträge und Korrespondenzen sowie persönliche Befragungen von Zeitzeugen war es mir möglich, die Geschichte und Bedeutung der Tierärztlichen Ambulanz Schwarzenbek zu dokumentieren.
    Die Teilung Deutschlands und die Insellage Westberlins bis 1989 machte es notwendig, für die Studierenden des Fachbereichs Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin eine Außenstelle ins Leben zu rufen, die es ermöglichte, veterinärmedizinische Erfahrung in der landwirtschaftlichen Nutztierpraxis zu sammeln. Mit der Berufung von Professor Dr. med. vet. Gerhard von Mickwitz auf eine Professur für Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Krankheiten des Schweines und der Gerichtlichen Veterinärmedizin gewann die Freie Universität Berlin einen Wissenschaftler, der bereit war, diese Notwendigkeit in die Praxis umzusetzen. Von 1979 bis 1997 unterhielt die Freie Universität Berlin eine Außenstelle in Schleswig-Holstein unter der Bezeichnung „Tierärztliche Ambulanz und Diagnostischer Dienst Schwarzenbek, Fachbereich Veterinärmedizin, Freie Universität Berlin“. Außer der Insellage Berlins und der Tatsache, daß auch in anderen Großstädten mit veterinärmedizinischen Fakultäten die Ambulanzfahrten aufgrund der großen zurückzulegenden Entfernungen ins Umland immer ineffektiver wurden, gab es einen weiteren wichtigen Grund, diese Außenstelle ins Leben zu rufen: die Studenten sollten mit dem zunehmend an Bedeutung ge-winnenden Fachgebiet der Bestandstierheilkunde vertraut gemacht werden. Die Idee, Bestandstierheilkunde und praxisorientierten Unterricht zu verknüpfen, läßt sich bis zu Dr. med. Christian Cothenius (1708-1789) unter der Regierungszeit von Friedrich dem Großen zurückverfolgen. In neuerer Zeit kann man die Professoren Theodor Oppermann, Edmund Hupka und Erich Aehnelt als Wegbereiter für eine praxisorientierte Ambulanz ansehen, deren Umsetzung durch Gerhard von Mickwitz mit der Gründung der Tierärztlichen Ambulanz Schwarzenbek erfolgte.
    Die Freie Universität Berlin erwarb 1979 eine Landpraxis in Schwarzenbek, Kreis Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein, die genügend landwirtschaftliche Betriebe in der nächsten Umgebung aufwies. Die Verkehrsanbindung nach Berlin war durch den Transitverkehr über die Autobahn und die Bahnverbindung Berlin-Hamburg gegeben. Zunächst wurden beengte Räumlichkeiten genutzt, um Personal, Studenten und Labore unterzubringen sowie Tiere einzustellen, die zu Demonstrationszwecken nach Berlin gebracht werden sollten.

    1986 konnte ein Neubau bezogen werden, der sich im Industriegebiet Schwarzenbek in der Röntgenstraße 12 befand. Dort war auf einem Gelände von 1,3 ha neben einem Gebäude mit Arbeitsräumen, Bibliothek, Apotheke, Laboren und Stallungen auch Platz für einen Wohntrakt geschaffen worden, der Räumlichkeiten für die Unterbringung von Studenten, Gast-Dozenten und Doktoranden bot.
    Hauptaufgabe der Tierärztlichen Ambulanz Schwarzenbek (TAS) war die studentische Ausbildung auf dem Gebiet der Bestandstierheilkunde. Neben Praktika und dem freiwilligen Seminar „Einführung in das Berufsbild des Tierarztes (Schwerpunkt Nutztierhaltung)“ war der einwöchige Pflichtkurs „Bestandsdiagnostik und Therapie bei landwirtschaftlichen Nutztieren“ ein vorgeschriebener wichtiger Bestandteil des Unterrichts. Mit den Veränderungen der Haltungsformen und Bestandsgrößen in der tierischen Produktion spielen bestandsweise auftretende Gesundheitsstörungen bei allen landwirtschaftlichen Nutztieren eine immer größer werdende Rolle. An die Aufgabe der Bestandsbetreuung als zukünftige Tierärzte sollten die Studenten im Rahmen der Übungen zur Bestandsdiagnostik und –therapie herangeführt werden. Insgesamt haben mehr als 2.500 Studenten an der Ausbildung in dieser Außenstelle der Freien Universität Berlin teilgenommen.

    Der 36 Wochenstunden umfassende Kursus wurde vom Leiter der TAS und fünf wissenschaftlichen Mitarbeitern durchgeführt und gliederte sich in drei Abschnitte:
    1.: Übungen an vier Vormittagen
    2.: Ambulanzausfahrten
    3.: Übungen zu ausgewählten Kapiteln der Bestandsdiagnostik und –therapie
    (Schwein/ Rind)
    Umfragen ergaben sowohl bei den Studenten als auch bei den Dozenten eine positive Resonanz hinsichtlich dieser Form des studentischen Unterrichts.

    Zur Gewährleistung einer qualifizierten Ausbildung am Tier und in Beständen und um den Studenten eine Vielzahl von Krankheitsbildern und veterinärmedizinischen Problembereichen zu zeigen, war der Betrieb einer Großtierpraxis nötig, der auch diverse Dienstleistungen beinhaltete. Neben der kurativen Praxis und dem Angebot von Rinder- und Schweinebesamungen stand den Landwirten und auch den umliegenden Tierarztpraxen eine weitreichende Diagnostik zu Verfügung: vor Ort durch qualifizierte Mitarbeiter der TAS im Praxisalltag und durch den Diagnostischen Dienst bei bestandsspezifischen Problemen, sowie in der TAS selbst durch Labore und die Pathologie.

    Die tierärztlichen Leistungen wurden gemäß der „Gebührenordnung für Tierärzte“ den Landwirten in Rechnung gestellt; diese Einnahmen sowie der Gewinn aus dem Medikamentenverkauf wurden an die Universität abgeführt. Bis auf die Personalkosten, die in erhöhtem Maße durch den Unterricht sowie den Praxisbereitschaftsdienst rund um die Uhr anfielen, trug sich die Einrichtung selbst. Es konnten für einzelne Vorhaben beträchtliche Zuwendungen aus Drittmitteln eingeworben werden.

    Weitere Dienstleistungen der TAS bestanden in Fortbildungsveranstaltungen für Tierärzte, Landwirte, Schlachthofmitarbeiter und Tiertransporteure. Die alltägliche Praxis machte es möglich, klinisch interessante Tiere für den studentischen Unterricht in Berlin zu sammeln und wöchentlich zusammen mit weiterem Übungsmaterial nach Berlin zu transportieren.

    In der Tierärztlichen Ambulanz Schwarzenbek hat ein relativ kleiner Stamm von wissen-schaftlichen Mitarbeitern vielfältige Aufgaben erfüllt, nämlich Dienstleistungen für landwirtschaftliche Betriebe und Tierärzte sowie Lehre und Forschung auf dem Gebiet der fächerübergreifenden Bestandsbetreuung von landwirtschaftlichen Nutztierbetrieben im weiteren Sinne abgedeckt. Die rege wissenschaftliche Tätigkeit läßt sich exemplarisch mit der Zahl von Veröffentlichungen, Fortbildungsveranstaltungen und Vorträgen belegen. Durch die Kontakte mit den betreuten Betrieben bot die TAS wissenschaftlichen Mitarbeitern aller Fachbereichsinstitute und zahlreichen Doktoranden den Zugang zu einer Fülle von Untersuchungsmaterial, welches sie für Forschungen und Dissertationen nutzen konnten.
    Es gab folgende Forschungsschwerpunkte:
    - Klinische Epidemiologie
    - Hygiene, Fütterung und Mykotoxikosen
    - Homöopathie
    - Tierschutz in der modernen Nutztierhaltung bis hin zur Schlachtung.
    66 Doktoranden wurden von der TAS betreut und haben ihre Arbeit fertiggestellt. Eine Habilitationsschrift wurde 1995 veröffentlicht.
    Aus den Forschungen zum Tierschutz beim Transport und beim Schlachtvorgang ergab sich, daß dieses Gebiet zu den bisher vernachlässigten zählte. Es wurde eine eigene Forschungsgruppe eingerichtet, die zum Ziel hatte, den Umgang mit Schlachttieren auf dem Transport und auf dem Schlachthof einschließlich der Betäubung und dem Schlachtvorgang zu überprüfen und wissenschaftlich zu begleiten. Dieses Projekt wurde von der Erna Graff-Stiftung für Tierschutz und aus Mitteln der Europäischen Gemeinschaft gefördert. Aus dieser Forschung entstand 1993 das „Beratungs- und Schulungsinstitut für schonenden Umgang mit Zucht- und Schlachttieren (bsi)“, das inzwischen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts selbständig existiert und arbeitet.

    Das Ende der TAS wurde durch die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 eingeläutet. Wie an vielen deutschen Fakultäten kam es damals zu massiven finanziellen Einsparungen. In Berlin kam erschwerend hinzu, daß es in Ost- und Westberlin je eine veterinärmedizinische Fakultät gab, die durch das Fusionsgesetz 1992 zur Vereinigung gezwungen waren. Die einzusparenden Stellen und die Annahme, im wiedergewonnenen Berliner Umland ähnliche Möglichkeiten für den studentischen Unterricht zu finden, hatten 1997 die Schließung der Tierärztlichen Ambulanz Schwarzenbek zur Folge.