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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Untersuchungen zur peripartalen Hypokalzämie und Gebärparese der Milchkuh (2011)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Gelfert, Carl-Christian (WE 18)
    Quelle
    Berlin, 2011 — IV, 193 Seiten
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/137
    Kontakt
    Nutztierklinik

    Königsweg 65
    14163 Berlin
    +49 30 838 62261
    klauentierklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Die Gebärparese stellt das klinische Erscheinungsbild einer peripartal bestehenden Hypokalzämie dar und ist nach wie vor die Hauptursache (>80 %) für das Festliegen der Milchkuh im peripartalen Zeitraum (Gelfert et al. 2005). Die in der Literatur beschriebenen Subtypen der Gebärparese sind als selbständige Erkrankungen anzusehen, sodass diese Unterteilung keine Verwendung mehr finden soll. Die Gebärparese tritt zunehmend auch bei Kühen mit niedriger Laktationszahl auf, ist bei Färsen aber weiterhin sehr selten. Vom Management des Landwirts hängt es ab, wie frühzeitig Kühe mit klinischer Hypokalzämie entdeckt werden (Gelfert et al. 2005). Entsprechend kann der Anteil Kühe im ersten klinischen Stadium der Gebärparese mit noch erhaltenem Stehvermögen in einem Praxisgebiet bis zu 20 % betragen. Das klinische Erscheinungsbild, in welchem der behandelnde Tierarzt die Patientin vorfindet, ist geprägt von der Stärke des Abfalls der Kalziumkonzentrationen im Blut. So weisen Kühe mit kühler Körperoberfläche, in Seitenlage oder mit gestörtem Sensorium signifikant niedrigere Kalziumwerte im Blut auf (Gelfert et al. 2005). Parallel zu den Kalziumkonzentrationen sinken die Phosphatkonzentrationen, sodass bei der Mehrheit der Kühe mit Gebärparese eine kombinierte Hypokalzämie und -phosphatämie vorliegt (Gelfert et al. 2005). Letztere ist die Folge der Hypokalzämie und stellt keine ätiologische Ursache des Festliegens dar (Gelfert et al. 2006b).
    Für die Therapie der Gebärparese ist ohne Belang, ob ein alleiniger Kalziummangel oder ein Kalziummangel mit kombinierter Hypophosphatämie vorliegt, da die alleinige Kalziuminfusion zu sehr hohen Heilungsraten führt und weitere Therapeutika, auch solche, die Phosphor substituieren, den Heilungserfolg nicht signifikant verbessern (Gelfert et al. 2006b). Der Heilungsverlauf wird dagegen durch weitere Erkrankungen wie Myopathien oder Ketosen/Hepatosen, die neben der Hypokalzämie auftreten, beeinträchtigt (Gelfert et al. 2007a). Im Falle einer nötigen Nachbehandlung festliegender, hypokalzämischer Kühe ist es daher angezeigt, durch weitere klinische und serologische Untersuchungen das Vorliegen von Myopathien und Hepatosen abzuklären. Die Therapie der Kuh und vor allem die pflegerischen Maßnahmen sind gemäß den Ergebnissen der klinischen Untersuchung sowie der Laboruntersuchung auszurichten. Obwohl erhöhte CK- und ASAT-Aktivitäten ein sicherer Hinweis auf das Vorliegen von Muskelschäden sind und die Heilungsrate signifikant vermindern, lassen sich aus den erhöhten Werten keine verlässlichen Prognosen hinsichtlich des Therapieerfolgs ableiten (Gelfert et al. 2007a). Entscheidend für die Heilung sind neben der Kalziumsubstitution im Falle von Myopathien ein optimales Lager der Kuh und die entsprechende Pflege durch den Landwirt.
    Bei festliegenden Kühen, die als Mengenelementmangel nur eine Hypophosphatämie aufweisen, liegt in der Regel eine andere Grunderkrankung (Muskel- oder Leberschaden) vor (Gelfert et al. 2006b).
    Zur Prophylaxe der Hypokalzämie hat sich neben anderen Methoden die Verfütterung von sauren Salze an Milchkühe in den letzten drei Wochen vor dem Kalben etabliert. Für einen erfolgreichen Einsatz der sauren Salze müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein.
    Komplikationen beim Einsatz saurer Salze treten fast ausschließlich dann auf, wenn im Fütterungsmanagement Fehler vorliegen. Die Folge ist eine ungerechtfertigte Ablehnung der sauren Salze.
    Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein: Die DCAD muss ausreichend abgesenkt sein, wobei nach den aktuellen Ergebnissen weiter zu untersuchen ist, ob die DCAD negativ oder auch schwach positiv sein kann. Nach den vorliegenden Untersuchungen sind ausreichende Effekte der sauren Salze auf den SBH und die Kalziumausscheidung über den Harn schon bei einer DCAD unter +150 mEq/kg TS zu erwarten (Gelfert et al. 2007b). Zum einen widersprechen diese Ergebnisse der geltenden Lehrmeinung, dass die DCAD unter 0 mEq/kg TS liegen muss, zum anderen eröffnen sie neue Möglichkeiten des Einsatzes der Salze in Rationen mit erhöhten Kaliumgehalten. Dies ist in zukünftigen Studien zu untersuchen.
    Unabhängig von der Ausgangs-DCAD liegt die maximale Dosis der sauren Salze bei 3000 mEq/Tag. Eine höhere Dosis führt zu klinischen Azidosen und einer Verweigerung der Futteraufnahme. Die Toleranz der Kühe gegenüber sauren Salzen weist eine große tierindividuelle Streuung auf, sodass manche Tiere deutlich höhere Dosen ohne einen Rückgang der Futteraufnahme fressen (Gelfert et al. 2006d). Die Verfütterung saurer Salze hat keinen bedeutenden Einfluss auf den pH-Wert im Pansen und die Produktion kurzkettiger Fettsäuren (Gelfert et al. 2009a).
    Zwischen den sauren Salzen bestehen Wirkungsunterschiede. Das am stärksten wirksame Salz ist Kalziumchlorid. Es wirkt stärker als alle Sulfatsalze. Die anderen Chloridsalze unterscheiden sich von den Sulfatsalzen hinsichtlich ihrer Wirkung auf den SBH nicht signifikant. Somit kann nicht von einem generellen Wirkungsunterschied zwischen Chlorid und Sulfatsalzen ausgegangen werden. Magnesiumsulfat hat die geringste Wirkung auf den SBH (Gelfert et al. 2009c).
    Die sauren Salze sollten maximal drei Wochen an die Transitkühe verfüttert werden. Längere Fütterungsperioden bergen das Risiko von klinischen Azidosen durch Überbeanspruchung der Puffer- und Kalziumspeicher (Gelfert et al. 2006c). Es kommt dann zu einer deutlichen Senkung des Blut-pH-Werts und zu einer Verringerung der Kalziumkonzentrationen im Blut.
    Die Dosis der sauren Salze sollte auf mehrere Portionen über den Tag verteilt gefüttert werden. Wenn es die Gegebenheiten auf dem Betrieb erfordern, kann die Gesamtdosis einmal am Tag verfüttert werden. In diesem Fall sollte nur Kalziumchlorid als saures Salz eingesetzt werden, da nur bei diesem Salz eine 24 Stunden andauernde und ausreichende Wirkung nachgewiesen wurde. Bei Kalziumsulfat war nach 24 Stunden keine Azidose mehr nachweisbar (Gelfert et al. 2009d).
    Es ist auf eine ausreichende Energiekonzentration der Ration zu achten, da es sonst zu klinischen Azidosen aufgrund der Synergie-Effekte durch die sauren Salze und den Energiemangel kommen kann (Gelfert et al. 2008a).
    Der Kalziumgehalt der Ration sollte 10 g/kg TS nicht überschreiten. Höhere Dosen führen zu einem Rückgang der Kalziumkonzentration im Blut. Der Einsatz saurer Salze darf nicht mit einer kalziumarmen Fütterung kombiniert werden (Gelfert und Staufenbiel 2008).
    Der zeitgleiche Einsatz von sauren Salzen und Pansenpuffern ist generell auszuschließen, da saure Salze und Pansenpuffer sich in ihrer Wirkung vollständig neutralisieren (Gelfert et al. 2006a).