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Die Locus of Enterocyte Effacement-Pathogenitätsinsel (LEE-PAI) stellt ein bedeutendes Virulenzmerkmal enteropathogener Bakterien dar. Das Auftreten dieser genetischen Insel im Verlauf der Entwicklungsgeschichte LEE-positiver Enterobakterien wirft jedoch noch immer Fragen auf. In der vorliegenden Arbeit konnten die Ergebnisse der PCR-Analysen und DNS-DNSHybridisierungen verschiedener LEE-positiver Bakterien (E. coli, C. rodentium, E. alvei) hinsichtlich ihres LEE-Insertionsortes in pheU, pheV oder selC eine bereits formulierte Hypothese bestätigen, die besagt, dass der LEE mehrfach und zu verschiedenen Zeiten in unterschiedliche klonale Linien enteropathogener und enterohämorrhagischer E. coli inseriert ist. Diese Aussage wird von der Erkenntnis unterstützt, dass verschiedene Bakterienarten, Stämme unterschiedlicher klonaler Cluster und Pathovare unterschiedlichen Ursprungs denselben Intimintyp exprimieren. Die verschiedenartigen Intimintypen beruhen dabei auf einer Mosaikstruktur infolge LEE-interner Rekombinationsereignisse. Das negative Hybridisierungsergebnis mit der Intimin-Sonde eines humanen AE-positiven DEC-Stammes lässt jedoch vermuten, dass es sich hierbei um einen Mobilisierungsprozess des Intimin-Gens handelt, in dessen Folge es anstelle eines kompletten LEE nur zur Ausbreitung des Intimin-Gens unter den Enterobakterien kommt. Mittels Hybridisierungsmethoden konnte zudem gezeigt werden, dass entgegen der bisher vertretenen Ansicht die EPEC2-Stämme einen im pheV-Locus inserierten LEE besaßen. Die DEC 9-Klone des EHEC2-Clusters besaßen einen im pheU-Locus inserierten LEE. Jedoch weisen laut Literaturdaten die Stämme dieser beiden unterschiedlichen Cluster denselben Intimintyp (β) auf. Dahingegen besaßen die DEC 8-Klone des EHEC2-Clusters einen im pheV-Locus inserierten LEE, weisen aber einen θ-Intimintyp auf. Diese Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass zwei unterschiedliche LEEtragende Elemente entweder gleichzeitig von verschiedenen Zellen eines EPEC2/EHEC2-Urstammes oder einzeln von den Urstämmen aufgenommen wurden. Die Vermutung einer Korrelation zwischen Intimintyp und LEE-Insertionsort wurde nicht nur durch die Hybridisierungsergebnisse mit den humanen E. coli-Stämme bestätigt, sondern auch von den Ergebnissen, die mit den bovinen E. coli-Stämme erzielt wurden. Ein großer Teil dieser Stämme besaß einen im pheU-Locus inserierten LEE sowie einen β-Intimintyp. Dasselbe traf auch auf einen C. rodentium-Stamm (DBS125) zu. Ebenso besaßen alle E. alvei-Stämme einen im pheU-Locus inserierten LEE, weisen jedoch einen α-Intimintyp auf. Die Beschreibung möglicher neuer phylogenetischer Linien AE-positiver Bakterien beruhte auf einen scheinbaren Zusammenhang zwischen LEE-Insertionsort und Intimintyp. Für die Entwicklung weiterer klonaler E. coli-Linien spricht die Ermittlung eines gemeinsamen LEEInsertionsortes (pheU oder pheV) verschiedener boviner EHEC-Stämme, die alle denselben neuen Intimintyp (ε oder ζ) aufweisen. Durchgeführte PCR-Analysen der LEE-Insertionsorte der E. coli-Stämme ergaben weiterhin, dass bei der Mehrzahl der untersuchten Stämme neben dem LEE eine zweite genomische Insel im korrespondierenden pheV- bzw. pheU-Locus inseriert ist. Das daraus entwickelte Integrationsmodell einer genetischen Insel verifiziert das von Hacker und Kaper (51) aufgestellte Evolutionsmodell von Pathogenitätsinseln. Der PAI-Vorläufer inserierte vermutlich in einen oder mehrere E. coli-Urstämme und entwickelte und verbreitete sich parallel mit der Evolution der einzelnen phylogenetischen Linien, wie wir sie heute kennen. Der LEE wurde erst aufgenommen, nachdem die ursprüngliche genomische Insel inseriert war. Am Stabilisierungsprozess einer PAI sind häufig Mutationen und Deletionen an den Verbindungspunkten zwischen PAI und tRNS-Gen beteiligt. Ein Hinweis auf diese Deletionen an der rechten LEE-PAI flankierenden Seite konnten ebenfalls die Hybridisierungsergebnisse der LEE-positiven Stämme aufgrund fehlender Hybridisierungssignale liefern. Ein genetisches Element kann theoretisch auf drei verschiedenen Wegen (Konjugation, Transformation, Transduktion) von einer Bakterienzelle aufgenommen werden. Der LEE des bovinen EHEC-Stammes RW1374 besitzt u.a. Merkmale, die vermuten lassen, dass der LEE via konjugativer Transposition erworben wurde. In einem durchgeführten Konjugationsexperiment, für dessen Zweck das Intimin-Gen (eae) des LEERW1374 mittels eines Insertionsplasmides markiert wurde, konnte der LEE jedoch nicht mobilisiert werden. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass er einst mittels Konjugation übertragen wurde. Eine beidseitige Markierung der in pheV inserierten LEE-PAI des Stammes RW1374 wurde unter Verwendung von Insertionsplasmiden mit Erkennungssequenzen für die selten schneidende Restriktionsendonuklease NotI durchgeführt, um die Insel zu isolieren. Es gelang jedoch nur mittels homologer Rekombination eine einseitige Markierung der pheV-Insel. Die linke pheV flankierende Region wurde mit dem Plasmid pSG76-A, die rechte pheV flankierende Region mit dem Plasmid pST76-A markiert. Auch gelang die Klonierung der LEE-PAI des Stammes RW1374 in einen apathogenen E. coli K12-Stamm nicht. Ebenfalls scheiterte die Übertragung beider Methoden auf einen anderen E. coli- (3030A-86) und C. rodentium-Stamm (DBS100). Die pathogenen Eigenschaften der einseitig markierten Stämme von RW1374 (RW1374::pSG76-A und RW1374::pST76-A) sowie eines am Intimin-Gen mutagenisierten Stammes (RW1374::eaepST76-A) wurden in einem Zellkulturtest (FAS-Test) charakterisiert. Es konnte gezeigt werden, dass eine einseitige Markierung an den Flanken der LEE-PAI keinerlei Einfluss auf die Ausbildung der für LEE-positive Bakterien typischen Attaching und Effacing-Läsionen hat. Hingegen löste der am Intimin-Gen mutagenisierte RW1374 keine AE-Läsionen in der HEp2-Zellkultur aus. Dieses Ergebnis bestätigte, dass eae-Mutanten ihre Fähigkeit verlieren, eine vollständige AE-Läsion auszulösen.