Oertzenweg 19 b
14163 Berlin
+49 30 838 62422
kleintierklinik@vetmed.fu-berlin.de
Aufgrund der Beobachtung, dass Störungen der Nierenfunktion häufig mit einer Veränderung der renalen Proteinausscheidung einhergehen, hat die Analyse von Harnproteinen in den letzten Jahren besonders in der klinischen Diagnostik an Bedeutung gewonnen. Veränderungen im tubulointerstitiellen Bereich der Niere werden mitunter für das Fortschreiten von Nierenversagen verantwortlich gemacht, unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache. Die tubuläre Proteinurie bzw. Enzymurie, welches die Zeichen für eine tubuläre Schädigung sind, werden beim Menschen bei verschiedenen Formen von Nierenerkrankungen beobachtet. Der Western-Blot und andere immunologische Methoden sind die mit Erfolg beim Menschen eingesetzten Techniken, um Harnproteine zu identifizieren. Die Identifikation von Proteinen kann das Verständnis der physiologischen und pathophysiologischen Abläufe in der Niere vorantreiben und damit zur Entdeckung von neuen Markern bei verschiedenen Erkrankungen führen. Trotz intensiver Forschung ist der Kenntnisstand zur Pathogenese der Harnsteinbildung beim Hund, welche die Basis für jede sinnvolle Steinbehandlung darstellt, eher dürftig. Der normale Harn ist generell vor Nukleation, Wachstum und Aggregation geschützt. Der Harn von Steinbildnern ist dagegen reich an Promotern, bzw. arm an Inhibitoren. Dies erklärt die Tendenz gegenüber den Gesunden, eine höhere Anzahl an Kristallen auszuscheiden, die sich zu größeren Aggregaten zusammenklumpen können. Makromoleküle des Harns spielen bei der Entstehung von Harnsteinen eine wichtige modifizierende Rolle, d.h. die Proteine scheinen den größten Anteil der inhibitorischen Kraft zu besitzen. Gegenstand der klinisch-analytischen prospektiven Studie war die Untersuchung des Harnproteinprofils sowie Veränderungen im Vitamin-A-Stoffwechsel bei zwei verschiedenen Erkrankungen des caninen Harnapparates: die renal bedingte Niereninsuffizienz und die Urolithiasis. Dazu wurden Blut und Harn von 19 Hunden mit Niereninsuffizienz, von 25 Hunden mit Harnsteinen und 21 Kontrollhunden untersucht. Außerdem wurden die Nierengewebeproben von 4 nierenkranken Hunden und die Harnsteine der 25 Steinpatienten analysiert. Die Vitamin-A-Bestimmung (Retinol und Retinylester) erfolgte mittels Umkehrphasen-Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie (RP-HPLC). Die Vitamin-A-Trägerproteine Retinol-Bindungsprotein (RBP) und Tamm-Horsfall Protein (THP) wurden quantitativ im Blut und Harn durch einen ELISA bestimmt und ihr qualitativer Nachweis erfolgte nach elektrophoretischer Trennung im Western-Blot. Der Harn wurde zusätzlich auf das Vorkommen weiterer Harnproteine wie Immunglobulin G, Transferrin, Albumin und Vitamin-D-Bindungsprotein (DBP) und deren diagnostische Bedeutung für die Nierenfunktion untersucht. Die Ergebnisse wurden mit den dazugehörigen Harnmustern nach ihrer Auftrennung mittels SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese (SDS-PAGE) verglichen. Zusätzlich wurden die Gewebeschnitte der Nieren auf RBP, THP und Megalin immunhistologisch untersucht. Um den Effekt von THP und Vitamin A auf die Harnsteinbildung zu überprüfen, wurde der Harn von 10 gesunden Hunden mit unterschiedlich konzentrierten Calciumchloridlösungen behandelt. Nach Entfernen des Präzipitates wurden die Konzentrationen von THP, Retinol und Retinylester im Überstand gemessen. Die organische Matrix wurde nach Extraktion der 25 Harnsteine sowohl mit der herkömmlichen Methode der SDS-PAGE als auch mit einer neuen Technik, der sogenannten "Surface enhanced laser desorption/ionization - time-of-flight" Massenspektrometrie (SELDI-TOF MS) analysiert. Zudem wurde der Harn aller Hunde auf ihr unterschiedliches Harnproteinprofil mit Hilfe der SELDI-TOF MS untersucht. Vitamin A konnte im Blutserum und im Harn aller untersuchten Hunde in Form von Retinol und Retinylestern nachgewiesen werden. Patienten mit Niereninsuffizienz (NI) zeigten signifikant höhere Serumkonzentrationen an Retinol sowie an den Retinylestern Oleat und Palmitat. Zudem fielen die NI Hunde durch eine gesteigerte Retinolausscheidung im Harn auf, dokumentiert durch eine höhere fraktionelle Clearance von Retinol (2,96 gegenüber 0,15). Im Gegensatz zu gesunden Hunden schieden die erkrankten Tiere RBP im Harn aus. Dagegen war keine Veränderung der Serumwerte von RBP zwischen beiden Gruppen festzustellen. Bei dem Vergleich mit den Kontrolltieren zeigten die nierenkranken Hunde eine signifikant reduzierte Ausscheidung von THP über den Harn. Das Muster der immunologisch nachgewiesenen Harnproteine korrelierte sehr gut mit den Harnmustern, die durch die elektrophoretische Auftrennung erhalten wurden. Darüber hinaus konnten mit Hilfe der Immunhistologie Defekte in der Rezeptorexpression des proximalen Tubulus, dem Megalin, dargestellt werden sowie ein pathologisches Muster beim Nachweis von RBP und THP. Die Ergebnisse korrelierten mit den Befunden der Histologie. Durch die Anwendung der SELDI-TOF Massenspektrometrie war es möglich, zusätzliche Peptide und Proteine zu identifizieren, die für das Vorhandensein einer Niereninsuffizienz typisch sein können. Die Hunde mit Harnsteinen unterschieden sich nicht signifikant in ihrem Vitamin-A-Metabolismus von der Kontrollgruppe. Einzig eine leichte Erhöhung des Serumretinols war feststellbar, während im Harn die Vitamin-A-Konzentrationen wie bei den Gesunden eine weite Spanne aufwiesen. In den meisten Fällen konnte RBP in Spuren im Harn der Urolithiasispatienten nachgewiesen werden. Deutlich waren die geringeren Harnkonzentrationen von THP bei Hunden mit Harnsteinen. Unter dem Einwirken der Calciumchloridlösungen schien THP sein Potential als Inhibitor der Harnsteinbildung durch die Bindung zu den Retinylestern einzuschränken. Die Harnanalyse von Gesunden gegenüber den Steinpatienten zeigte durch die Anwendung der SELDI-TOF MS signifikante Unterschiede, obwohl insgesamt eine weite Heterogenität der Harnprofile festzustellen war. Im Vergleich zu gesunden Tieren war die Menge spezifischer Harnproteine bei Steinbildnern unterschiedlich. Typische elektrophoretische Proteinmuster von verschiedenen Harnsteinextrakten zeigten Proteinbanden bei 31 und 14 kDa. Ein Protein bei 66 kDa (Albumin) erschien als Hauptbestandteil in allen Steinarten. Weitere Peptide und Proteine der organische Matrix konnten mittels SELDI-TOF MS identifiziert werden. Die Ergebnisse der Studie dokumentieren einen Einfluss der Nierenerkrankungen auf den Stoffwechsel von Retinol in Blut und Harn von Hunden. Normalübliche Teststicks zur Erkennung einer Proteinurie oder auch die Bestimmung des Protein/Kreatinin - Verhältnisses im Harn sind nicht ausreichend für eine genaue Information der verbleibenden Nierenfunktion in Hinblick auf Ultrafiltration bzw. Rückresorption. Mit Hilfe der Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Anwendung spezifischer in der Humanmedizin bekannter Markerproteine insbesondere RBP und THP zur Diagnostik einer Nierenfunktionsstörung auch für den Hund sinnvoll ist. Die Bestimmung von RBP bietet einen sehr sensitiven Marker für Schädigungen des proximalen Tubulusabschnitts in der Niere. Eine reduzierte Ausscheidung von THP weist dagegen auf eine Störung des distalen Abschnitts hin. Ferner konnte gezeigt werden, dass eine neue Methode der SELDI-TOF MS den Vorteil bietet, einer Vielzahl an Harnproteinen gleichzeitig zu untersuchen und damit neue potentielle Marker aufzudecken. Die Untersuchung des Vitamin-A-Stoffwechsels lässt keinen Zusammenhang mit der Bildung von Harnsteinen erkennen. Bei den untersuchten Hunden konnte aber eine signifikante Abnahme der renalen THP-Sezernierung bei Steinbildnern gemessen werden. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass THP, wie beim Menschen, eine Bedeutung als Regulator bei der Aggregation von Kristallen hat. Möglicherweise ist für die Steinbildung von größerer Bedeutung, dass die Ausscheidung von THP als Antwort auf eine Zunahme der Calcium- und Oxalatkonzentration nur bei gesunden Menschen ansteigt. Der protektive Mechanismus von THP scheint bei Steinbildnern zu fehlen, wie in anderen Studien berichtet. Neben THP konnten weitere Proteine mit Hilfe der SELDI-TOF Massenspektrometrie ermittelt werden, die eine mögliche Bedeutung für die Lithogenese zeigen. Die Möglichkeit, die Expression vieler Harnproteine gleichzeitig zu messen, bietet einen signifikanten technischen Vorteil. Die Methode der SELDI-TOF MS scheint für die Suche nach Markern bei der Urolithiasis geeignet. Zum ersten Mal wurde die Zusammensetzung der organischen Matrix von Hundeharnsteinen untersucht