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Tumorerkrankungen sind nach den Herz-Kreislauferkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Europa. Neben Operation und Strahlentherapie ist bei der Behandlung von Tumoren die Chemotherapie das Mittel der Wahl. Klassische Tumortherapien sind jedoch häufig reich an Nebenwirkungen und oftmals erfolglos, da Therapieresistenzen eine immer größere Rolle spielen. Deswegen wird in der Onkologie weiter nach neuen, spezifischen und effektiveren Medikamenten für die Behandlung von Tumoren geforscht. Gerade bei der Suche nach potenten wirksamen Substanzen werden zunehmend marine Organismen berücksichtigt. Die Meeresnacktschnecke Aplysia punctata produziert Tinte zur Abwehr ihrer natürlichen Feinde. Ein 60 kDa großes Protein dieser Tinte, das sogenannte „APIT“ (Aplysia punctata ink toxin) wurde am Max-Planck Institut für Infektionskrankheiten in der Abteilung Molekulare Biologie aufgereinigt und auf seine tumorizide Wirkung untersucht. In der vorliegenden Arbeit wurde die Empfindlichkeit verschiedener humaner Tumorzelllinien in vitro gegenüber dem neuen potentiellem Therapeutikum APIT untersucht. Dies erfolgte an einer Auswahl repräsentativer Tumorzelllinien, unter anderem an Lungen-, Brust-, Prostata- und Kolonkarzinom sowie an Leukämie und einigen anderen zum Teil schwer therapierbaren Krebserkrankungen. APIT löst unter in vitro Bedingungen den Tod aller getesteten Tumorzellen aus. Sowohl Tumorzelllinien des blutbildenden Systems (Jurkat neo, CEM neo, K562) als auch Tumorzelllinien aus soliden Tumoren (GLC 4, MCF7, SK-BR-3, PC3, DU145, HT29, RD-ES und A673) werden durch die APIT induzierte Wirkung erfolgreich abgetötet. Besonders vielversprechend ist die Reaktion der chemotherapieresistenten Zelllinien (GLC4/ADR und MCF7Bcl-XL). Es konnte gezeigt werden, dass die benötigte APITKonzentration wahrscheinlich von der Größe der Zelle einer Zelllinie abhängt und in einem Bereich zwischen 3 und 12 ng/ml für alle in dieser Arbeit getesteten Zelllinien liegt. Morphologisch zeigen die mit APIT behandelten Zellen auffällige Veränderungen: adhärente Zellen verlieren ihre Fortsätze und lösen sie sich von Nachbarzellen ab, Suspensionszellen liegen einzeln und nicht mehr in Kolonien vor. Es kommt bei beiden Zelltypen zu Vakuolenbildung im Zytoplasma und zum vollständigen Stillstand der intrazellulären Plasma- und Organellenbewegung. Der Zelltod ist zudem durch einen schnellen Verlust der Stoffwechselaktivität und der Permeabilisierung der Zellmembran gekennzeichnet. Um die Wirksamkeit von APIT in vivo zu überprüfen wurden Xenotransplantatmodelle etabliert. Dazu wurden verschiedene, in vitro als APIT-empfindlich getestete Tumorzelllinien subkutan in bestrahlte, immundefiziente Mäuse injiziert. Nach Festlegung von Parametern, die die erfolgreiche Etablierung eines subkutanen Tumors definieren, konnte für alle getesteten Tumorzelllinien eine zu injizierende Zellzahl von 1 x 107 Zellen evaluiert werden. In dieser Arbeit konnten für die Leukämie-Zelllinie CEM neo, die Lungenkarzinomzelllinie GLC 4 und deren chemotherapieresistente Subform GLC 4/ADR (MDR) sowie das Rhabdomyosarkom A673 und die Darmkrebszelllinien HT29 erfolgreich Xenotransplantat-Modelle mit einer Anwachsrate von mindestens 80 % etabliert werden. Mit Hilfe der in dieser Arbeit etablierten fünf Tumor-Maus-Modellen werden in Zukunft weiterführende Untersuchungen der tumoriziden Wirkung von APIT unter physiologischen Bedingungen möglich sein.