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Peter Stewart (1983) kritisierte die herkömmliche Henderson-Hasselbalch-Theorie (1916) des Säuren-Basen-Status (SBS), die auf der bekannten Puffergleichung pH = pK + lg [HCO3-]/a×PCO2 beruht, als zu einfache und unvollständige Darstellung. Nachweisbar nehmen alle Elektrolyte in Körperflüssigkeiten, wie starkbasische Kationen (Na+, K+, Ca2+, Mg2+ u. a.) und starksaure Anionen (Cl-, Lactat-, SO42- u. a.) sowie schwache (=unvollständige dissoziierte) Säuren (Proteine, Phosphat) Einfluss auf den SBS. Die oben angeführte Gleichung drückt diese biologische Begebenheit im Körper nur unvollständig aus. Daher entwickelte Stewart ein vollkommen neues Modell des SBS im Organismus. Er geht von drei unabhängigen Variablen, wie (1) PCO2, (2) Serum-[SID] (strong ion difference) und (3) Serum-[Atot] (Acid total), aus. Das Serum-[SID] kann näherungsweise als Serum-[SID4
(mmol/l)=([Na+](mmol/l)+[K+](mmol/l))-(([Cl-](mmol/l)+[Lac-](mmol/l)) ermittelt werden. Für die Erfassung von Serum-[Atot] muss u. a. die Spezies berücksichtigt werden, z. B. für das Pferd als Serum-[Atot](mmol/l) = 0,224xTP (g/l) oder den Hund als Serum-[A-](mmol/l) = [Albumin](g/l)x(0,123xpH-0,631)+[Panorg.](mmol/l)x(0,309xpH-0,469).
Die drei von Stewart begründeten Variablen werden als primäre biologische Parameter durch Organfunktionen des Körpers reguliert und bestimmen voneinander unabhängig den aktuellen SBS des Probanden. Demnach sind die bisher angewandten SBS-Parameter nach Henderson-Hasselbalch, wie pH, [HCO3-] und [BE], als sekundäre Größen der primär agierenden Stewart-Variablen anzusehen. Auch in oralen Rehydratationslösungen und in Infusionslösungen können die SID4- bzw. Atot-Konzentration bestimmt und mit denen des zu behandelten Patienten verglichen werden. Bei diesem Vorgehen wird eine vorteilhafte Vorhersage bezüglich Wirksamkeit der Rehydratationstherapie auf den SBS - vor allem bei nichtrespiratorischen = metabolischen Störungen - des Patienten möglich.
Anhand von Fallbeispielen verschiedener Tierarten mit metabolischen Störungen des SBS wird die klinische Anwendung der Stewart-Variablen, wie tieferer Einblick in die Pathogenese der Dyshydrie und Wirksamkeitsbeurteilung von Rehydratationsmaßnahmen auf den SBS, erläutert.