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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Der GimA-Lokus von Extraintestinal-pathogenen E. coli (ExPEC):
    reduktive Evolution in Abhängigkeit von Habitat und Pathovar (2009)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Homeier-Bachmann, Timo (WE 7)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2009 — [4], 139 Seiten
    ISBN: 978-3-86664-728-2
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/13287
    Kontakt
    Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen

    Robert-von-Ostertag-Str. 7-13
    14163 Berlin
    +49 30 838 51843 / 66949
    mikrobiologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Untersuchungen an humanen Gehirnendothelzellen (HBMEC - brain microvascular endothelial cells) sowie an Tierversuchsmodellen mit neugeborenen Ratten und Hühnern konnten zeigen, dass das ibeA-Gen an der Pathogenese von systemischen E. coli-Infektionen beteiligt ist. IbeA ist in einer 20,3 kb großen chromosomalen Region lokalisiert, die von den Genen yjiD und yjiE flankiert wird. Diese Region ist als genetische Insel beschrieben und wird GimA (genomic island of meningitic E. coli containing ibeA) genannt. GimA besteht aus vier Operons (GimA1-4). Die E. coli, die die systemischen Infektionen auslösen, gehören den Pathovaren APEC (aviär pathogene) und NMEC (Neugeborenenmeningits-assoziierte E. coli) aus der Gruppe der extraintestinal-pathogenen E. coli (ExPEC) an. Beispielsweise ist ibeA in die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke, einem wesentlichen Schritt in der Pathogenese der Meningitis beim Neugeborenen, involviert.
    Der putative Insertionslokus von GimA wurde mittels Long-Range-PCR und DNS-DNS-Hybridisierung mit dem Ziel untersucht, die Phylogenie von GimA aufzudecken. Weiterhin sollte der Inselcharakter von GimA eingehender analysiert werden. Die Untersuchungen wurden an insgesamt 410 E. coli-Isolaten durchgeführt. Im Probenumfang waren die Pathovare APEC, NMEC, UPEC (uropathogene) und SepEC (Septikämie-assoziierte E. coli) sowie Isolate aus Stuhlproben bzw. Kotproben von klinisch gesunden Menschen und Tieren enthalten. Darüber hinaus waren die 72 E. coli-Stämme der EcoR-Sammlung (E. coli reference collection) in den 410 Isolaten enthalten.
    Es konnte neben einer Variante des Insertionslokus, die ein vollständiges GimA (~20.3 kb) (16.1%) (GimA+) und einer, die keinerlei GimA-assoziierte Strukturen (64.4%) (GimA-) enthält, eine dritte Variante des Lokus identifiziert werden, die ein 342 bp großes Restfragment von GimA aufweist (19.5%) (GimA-remnant).
    Das vollständige GimA und das GimA-remnant waren fast ausschließlich mit der Phylogruppe B2 assoziiert. Zusätzlich trat das GimA-remnant bei Stämmen auf, die zum Multi-Lokus-Sequenztyp ST117 gehören und der rekombinanten Phylogruppe ABD zugeordnet sind. Die weiteren Phylogruppen (A, B1, AxB1, ABD (mit Ausnahme des ST117) und D) waren GimA-.
    Weiterhin konnten signifikante Assoziationen zwischen dem Vorkommen des vollständigen GimA und den Pathovaren APEC und NMEC gefunden werden. Das GimA-remnant war dagegen signifikant assoziiert mit UPEC sowohl menschlichen als auch tierischen Ursprungs. Ähnlich der Rolle, die ibeA in der Neugeborenenmeningitis-Pathogenese spielt, könnte dies einen möglichen Beitrag dieser Struktur zur Pathogenese von durch UPEC verursachten Harnwegsinfektionen andeuten.
    Eine Sequenzanalyse des ibeA-Gens ergab eine strikte Assoziation des Gens mit dem phylogenetischen Hintergrund. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass GimA ein originärer Bestandteil der Phylogruppe B2 ist.
    Ferner zeigten die Untersuchungen, dass ibeA innerhalb eines definierten phylogenetischen Hintergrundes (ST95-Komplex) keinem positiven Selektionsdruck ausgesetzt ist. Dementsprechend scheint die Evolution von ibeA aufgrund von neutraler Selektion zu erfolgen. Obwohl einige Kriterien für genetische Inseln erfüllt werden, sprechen diese Befunde gegen eine Mobilität von GimA und folglich auch gegen die Annahme, GimA sei eine genetische Insel. GimA scheint eher ein ursprünglicher Teil der Phylogruppe B2 zu sein. Um die Zugehörigkeit von GimA zum „core genome“ zu verdeutlichen sollte diese genetische Region besser als GimA-Lokus angesprochen werden
    Die Existenz von zwei weiteren Varianten des GimA-Lokus (GimA-remnant und GimA-) deutet auf eine Größenreduktion des Genoms in Form einer reduktiven Evolution hin. Dieser Prozess wird möglicherweise durch Veränderungen der pathogenetischen Bedeutung von einzelnen GimA-Komponenten in verschiedenen Habitaten verursacht. Bei von APEC und NMEC ausgelösten systemischen Infektionen konnten verschiedene Untersuchungen einen Beitrag zur Pathogenese zeigen. Einige GimA-Bestandteile sind für die Translokation der Blut-Hirn-Schranke von Bedeutung (ibeRAT – GimA4), während die übrigen in die Stressantwort des Erregers im Habitat „Blut“ involviert zu sein scheinen (GimA1-3).
    Der Harnapparat ist im Gegensatz zum Blut ein mit weniger Stressoren für E. coli behaftetes Habitat. Ensprechend könnten Gene, die die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke vermitteln, an Bedeutung für E. coli verloren haben und in einem Prozess der Genomoptimierung deletiert worden sein. Lediglich das GimA-remnant blieb erhalten. Dies deutet an, dass diese Struktur bzw. ihre Erhaltung einen Selektionsvorteil bietet. Das GimA-remnant konnte als ORF identifiziert werden und könnte folglich an der Pathogenese von Harnwegsinfektionen beteiligt sein. Weitere Untersuchungen besonders zur Funktionalität des GimA-remnant sind notwendig.
    Die dritte Variante des GimA-Lokus kann auf zweierlei Wegen entstanden sein: (i) GimA ist in einem einzigen Schritt vollständig verloren gegangen oder (ii) im Anschluss an seine Entstehung das GimA-remnant ebenfalls deletiert worden. Im Falle von UPEC könnte letztere Möglichkeit das Resultat eines fortgesetzten Genomoptimierungsprozesses sein. Die resultierenden Stämme vermeiden eine Immunantwort des Wirtes und können somit als asymptomatische Besiedler im Harnapparat verbleiben.