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Die Vielseitigkeit der Spezies Escherichia coli ist seit vielen Jahren eine Herausforderung, einerseits für die Biologie, die ihren Blickwinkel auf die bakterielle Phylogenie gerichtet hat, andererseits für die Medizin bzw. Veterinärmedizin und ihrem epidemiologischen Interesse. Innerhalb dieser Arbeit werden Konzepte vorgestellt, die wichtige Fragestellungen zur genetischen Struktur und Mikroevolution von Pathogenen beantworten können und zu einem besseren Einblick in die Verwandtschaftsverhältnisse bei E. coli führen.
Die bakterielle Subtypisierung ist eine aufstrebende Disziplin und trägt stark zu unserem Verständnis der Epidemiologie von Krankheitserregern bei. Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen angewandten Methoden und ihre epidemiologische Interpretation sind immer noch umstritten. Multilocus Sequence-Typing (MLST) und die Bildung von Sequenztypen (ST) ist eine konservative Typisierungsmethode, die auch für phylogenetische Analysen genutzt werden kann. Sie beruht auf der Detektion von Unterschieden in mehreren konservierten Haushalts-Genen und führt mit entsprechender Auswertungssoftware zu einem umfassenden Klassifizierungsschema für hochdiverse Spezies.
In dieser Arbeit wurde MLST auf eine Gruppe von 151 extraintestinal pathogenen E. coli (ExPEC) angewandt. Diversität, epidemiologische Zusammenhänge und phylogenetische Ursprünge dieser Stämme sind bis jetzt unklar. Die ausgesuchten Isolate stammten aus drei unterschiedlichen Pathovaren. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung standen die aviären pathogenen E. coli (APEC), die die Erreger der Kolibakteriose bei Vögeln – insbesondere beim Wirtschaftsgeflügel - sind. Darüber hinaus wurde die phylogenetische Verwandtschaft zu den uropathogenen E. coli (UPEC), sowie Neugeborenen-Meningitis-assoziierten E. coli (NMEC) beim Menschen untersucht. In der Populationsstruktur der ExPEC zeigte sich eine Dichotomie. Einerseits existierten ExPEC-Stämme, die über die gesamte E. coli-Population verteilt waren, andererseits häuften sich ExPEC-Stämme in bestimmten phylogenetischen Gruppen an (ST-Komplex 95, ST-Komplex 23 und ST-Komplex 73, sowie ST117 und ST62). Diese Ansammlungen von Stämmen besaßen signifikant mehr Virulenz-assoziierte Gene, als die phylogenetisch verteilten ExPEC-Stämme. Die meisten Untersuchungsstämme befanden sich im ST95. Dieser schloss ExPEC aller drei analysierten Pathovare ein und war stark verbunden mit dem Kapsel-Typ K1. Diese Ergebnisse bestätigten das Zoonose-Potential der APEC, entweder als direkte Erreger, als Reservoir für wiederkehrend auftauchende Klone oder als Verteiler für Virulenzfaktoren. Darüber hinaus zeigte das Auftreten von mehreren phylogenetischen Gruppen bei ExPEC eine unabhängige und parallele Evolution über Millionen von Jahren. Daraus lässt sich schließen, dass diese Erreger eventuell unterschiedliche Pathogenese-Mechanismen haben und auch ein spezifisches epidemiologisches Muster aufweisen.
In den letzten Jahren entwickelte sich MLST zum Standard phylogenetischer Untersuchungen bei E. coli. In einer umfangreichen Vergleichsanalyse mit dem Typisierungsverfahren Pulsfeld-Gelelektrophorese (PFGE) fiel auf, dass beide Methoden Widersprüche aufzeigen und weder kongruent zueinander sind, noch aufeinander aufbauen. Die genetische Grundlage, die die Datenbasis für beide Methoden liefert, besteht in unterschiedlichem Maße aus Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP) und horizontalem Genaustausch. Bezüglich E. coli zeichnet sich die PFGE durch ein hohes Diskriminierungsvermögen aus und ist daher gut geeignet für begrenzte Ausbruchsanalysen. Für weitergehende Klassifizierungen und ausgedehnte phylogenetische Studien lieferte diese Methode aber keine fundierte Datenbasis.
Als ein weiteres Mittel zur Einteilung unterhalb der Spezies-Ebene werden bakterielle Taxa seit einigen Jahrzehnten aufgrund antigener Strukturen in Serotypen eingeteilt. Am Beispiel des Oberflächen-Antigens (O-Typ) wurde verdeutlicht, das die phylogenetischen Hintergründe der einzelnen O-Typen sehr unterschiedlich sein können und bei E. coli nicht immer eindeutig durch die MLST widergespiegelt werden. Die Serotypisierung erfüllt somit nur noch zum Teil die Anforderungen an eine moderne und fundierte Methode zur epidemiologischen Untersuchung von E. coli-Isolaten.
Innerhalb dieser Arbeit führte die Anwendung einer neueren Methode zu einer verbesserten Modellvorstellung zur Diversität der ExPEC. In der Zukunft sind bei einer allgemeinen Weiterführung des Trends zur Anwendung von Methoden mit hohen Durchsatzraten, einhergehender drastischer Kostensenkungen und verbessertem Auflösungsvermögen, innerhalb des Fachgebietes der Mikrobiologie große Erkenntnisgewinne für die molekulare Epidemiologie und Mikroevolution bakterieller Pathogene zu erwarten.