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Von den acht rezenten Bärenarten stehen sechs kurz vor der Ausrottung. Unter allen Maßnahmen zum Schutz dieser Tiere nehmen ihre Erhaltung und Vermehrung in menschlicher Obhut einen wichtigen Stellenwert ein. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der assistierten Reproduktion aufzuzeigen und einige Ansätze davon weiter zu entwickeln. Einige dieser Techniken wurden angewandt, um die Eignung nicht bedrohter Bären als Modellarten für bedrohte Bären zu untersuchen. Anhand dieser Modellarten können in Zukunft Techniken zur assistierten Reproduktion an Mitgliedern weniger bedrohter Populationen weiterentwickelt und verfeinert werden, ohne auf die sehr geringe Anzahl bedrohter Bären zurückgreifen zu müssen. Die Familie der Bären unterteilt sich in drei Unterfamilien. Die engsten Verwandtschaftsverhältnisse in der Unterfamilie der Echten Bären bestehen zwischen Braun- und Eisbär, sowie zwischen Schwarz- und Kragenbär. Als Bindeglied zwischen den den Echten Bären und dem Großen Panda, der nach aktuellen Studien in die Bärenfamilie eingereiht wird, steht der Brillenbär. Die Reproduktionsbiologie der meisten Bären ähnelt sich sehr. Bären sind saisonale Tiere, deren Trächtigkeit durch die embryonale Ruhephase bis zur Implantation (Diapause) charakterisiert ist. Eine Ausnahme bildet der Malaienbär, der asaisonal ist und, wenn überhaupt, eine sehr kurze Diapause aufweist. Von anderen Arten, wie dem Brillenbären und dem Lippenbären, werden mehrere Paarungszeiten während des Jahres berichtet, deren Steuerung durch Lichteinfluss sowie Nahrungsangebot vermutet wird. Die Trächtigkeitsdauer der Bären variiert stark und wird vornehmlich von der Länge der Diapause beeinflusst. Die Implantation findet im Spätherbst statt; ihre Auslösemechanismen ist bislang unbekannt. Die darauf folgende embryonale Entwicklungszeit ist genetisch fixiert und bei allen Arten etwa gleich lang, so dass die Geburtszeiträume der meisten Arten im Winter liegen. Ausnahmen bilden der Große Panda, der seine Jungen im Spätsommer setzt, und der Malaienbär, bei dem während des ganzen Jahres Geburten beobachtet werden können. Bei männlichen und weiblichen Bären wurden morphologische und sonomorphologische Untersuchungen angestellt. Männliche Tiere wurden zudem spermatologischen Untersuchungen unterzogen, weibliche hingegen laboranalytischen. Es ist zu beachten, dass es sich bei den Resultaten der Brillenbären vielfach um Erstbeschreibungen handelt, so dass Vergleiche zu den Ergebnissen anderer Autoren noch ausstehen. Die Größe der Hoden bei Malaien-, Lippen-, Brillen-, Braun- und Eisbären ist von der individuellen Körpergröße abhängig. Setzt man das Volumen der Hoden in Bezug zum Körpergewicht, so besitzen die leichten Tiere verhältnismäßig größere Organe. Abweichend hiervon hat der Große Panda sowohl relativ als auch absolut die größten Gonaden. Bei männlichen Brillen- und Braunbären sowie beim Großen Panda wird eine saisonale Größenänderung der Hoden festgestellt. Während der Brunftzeit erreichen die Hoden maximale Ausmaße. Die Größe der akzessorischen Geschlechtsdrüsen, Ampulla ductus deferentis und Glandula prostatica, nimmt im Gegensatz hierzu linear zur Körpergröße der Tiere zu und erfährt im saisonalen Verlauf nur geringgradige Veränderungen. Eine Ausnahme bildet wiederum der Große Panda, dessen Prostata sich saisonal während der Brunft beinahe verdoppelt. Bei einem kastrierten Kragenbären sind die Drüsen atrophiert, ein Hinweis auf deren geschlechtshormoninduzierte Wachstums- und Funktionssteuerung. Das mittels Elektroejakulation gewonnene Sperma ist beim Großen Panda und beim Brillenbären während des Östrus des Weibchens am fertilsten. Während dieser reproduktiv aktiven Phase spiegelt sich die angeregte Spermatogenese in der Größe der Hoden wider. Der Großen Panda überragt in Quantität und Qualität des Spermas den Brillenbären sowie die Beschreibungen aller anderen Bären in der Literatur. Beim Brillenbären ist jedoch die Frage der Saisonalität noch nicht abschließend geklärt und hat eventuell einen Einfluss auf diese Parameter. Bei weiblichen Malaien-, Schwarz-, Braun- und Eisbären korrelieret die Länge der Uteri mit der Größe der Tiere und unterlieget saisonalen Größenveränderungen. Das Verhältnis von Uteruskörper zu den Uterushörnern ist reziprok abhängig von der Körpergröße. Die Durchmesser der Uteri wurden mittels transrektaler Ultraschalluntersuchungen an allen acht Bärenarten bestimmt. Zwischen dem Uteruskörper und den Hörnern ergeben sich jeweils nur minimale Abweichungen. Der gewichtsbezogene Uterusdurchmesser nimmt mit zunehmender Körpermasse ab. Wiederum bildet der Große Panda eine Ausnahme. Er weist während der aktiven Reproduktionsphasen Östrus, Diapause und Trächtigkeit den größten gewichtsbezogenen Uterusdurchmesser auf. Der gewichtsbezogene Uterusdurchmesser variiert in den verschiedenen Reproduktionsstadien. Es ist jedoch keine saisonale Größenveränderung mit einem zu erwartenden Maximum während der Trächtigkeit zu erkennen. Es besteht kein Bezug zwischen der Endometriumsproliferation und dem Zyklusstand. Die Detektion von Trächtigkeiten anhand des konterlateralen Uterusdurchmessers oder des Uteruskörpers ist ausgeschlossen. Ebenso verhält es sich mit der Darstellung frei im Uterus liegender Oozyten oder Blastozysten während der Diapause. Trächtigkeiten können erst eindeutig nach der Implantation bestimmt werden. An der Implantationsstelle kommt es zu einer Umfangsvermehrung des Uterushorns und einer Proliferation des Endometriums. Der übrige Uterus bleibt unverändert und ähnelt in seinem Erscheinungsbild dem nicht trächtiger Tiere. Bei den Ovarien ist ein reziprok körpergrößenabhängiger Trend nur während des Anöstrus und der Trächtigkeit vorhanden. Zu allen anderen Reproduktionsstadien korreliert die Ovargröße mit der Körpergröße der Tiere. Der Große Panda bildet wiederum die Ausnahme. Seine Gonaden sind drei- bis viermal so groß wie die der anderen Bären. Das Volumen des Ovars schwankt saisonal und ist von der Anbildung der Funktionskörper abhängig. Die Funktionskörper, Follikel und Gelbkörper, lassen sich sonographisch gut darstellen und in ihrem Erscheinungsbild differenzieren. Somit ist eine Diagnose des Zyklusstandes anhand der Ovardiagnostik in Verbindung mit der Interpretation der Funktionskörper möglich. Die laboranalytischen Untersuchungen umfassen Mitglieder aus allen drei Unterfamilien. Sie basierend auf langjährigen Erfahrungen des Berliner Instituts für Zoo- und Wildtierforschung am Großen Panda. Da sich, wie oben erwähnt, die Reproduktionsbiologie der übrigen Bären sehr ähnelt (mit Ausnahme des Malaienbären), wurde der Braunbär, der in europäischen Zoos am häufigsten gehaltener Bär, mit einbezogen. Als dritte zu untersuchende Art wurde der Brillenbär gewählt, der taxonomisch und genetisch zwischen dem Großen Panda und dem Braunbären steht und ebenfalls stark bedroht ist. Zur Ovulationsdetektion werden beim Großen Panda Estradiolmessungen angewandt. Ein etwa acht Tage andauernder, gradueller Anstieg der Estradiolsekretion geht dem präovulatorischen Estradiolpeak voraus, dem wiederum ein abrupter Abfall auf Basisniveau folgt. Die Methode erbringt bei Braun- und Brillenbären keine eindeutigen Ergebnisse. Auch die Verwendung eines weiteren Immun-Assays für Epiandrosteron, der beim Malaienbären die Follikelphase anzeigt (Schwarzenberger et al. 1998), und die Analyse von Speichel führt zu keinen auswertbaren Ergebnissen. Eine alternative Methode der Östrusdetektion bei Bären stellt die Detektion leicht flüchtiger Urininhaltsstoffe (Volatiles) dar. Beim Großen Panda kann ein zwei bis drei Tage andauernder Peak in der Sekretion urinärer Fettsäuren, der mit dem Östrogenanstieg und den Verhaltensveränderungen während der Brunst in Verbindung steht, nachgewiesen werden. Die Fettsäuren treten auch bei Braunbären während des Östrus auf. Sie sind auch beim Brillenbären zu detektieren, jedoch war bei diesen Tieren kein eindeutiger Östruszeitraum abgrenzbar. Über die Herkunft dieser Substanzen muss vorerst spekuliert werden. Mit einem kommerziell erhältlichen, colorimetrischen Testkit zur Bestimmung freier Fettsäuren kann der Nachweis dieser Volatiles unabhängig von einem Speziallabor in unmittelbarer Nähe der Tiere durchgeführt werden. Zum Trächtigkeitsmonitoring wird beim Großen Panda routinemäßig die Analyse urinären Pregnandiols zur Darstellung der Lutealaktivität verwendet. Diese Methode erbringt weder beim Braun- noch beim Brillenbären Resultate. Die Lutealphase kann jedoch bei beiden Tierarten unter Nachweis von Progesteron im Kot oder Urin dargestellt werden. Speichel erwies sich wiederum als nicht aussagekräftig. Alle Ergebnisse zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl in der Anatomie als auch in der Topographie des Geschlechtstraktes der Bären grundsätzlich vergleichbare Verhältnisse vorliegen, die in ihren Ausmaßen von der Größe der Tiere abhängig sind. Zur Entwicklung von Bestecken und Instrumenten zur Elektroejakulation, für Oozyten Pick-Ups oder mikroinvasive Chirurgie können Modellarten verwendet werden, die in etwa die gleichen Körpermaße wie die Zieltierart aufweisen. Auch die Technologien zur Samenentnahme können zwischen den Arten direkt übertragen werden. Je nach Standort des Forschungsvorhabens an bedrohten Bären empfehlen sich verschiedene Modell-Bärenarten. Für Europa bietet sich der Braunbär an, der hier am häufigsten vorkommt. In Südost-Asien wird der Kragenbär favorisiert, da sehr viele dieser Tiere dort in Bärenfarmen gehalten werden und somit für Untersuchungen leicht zugänglich sind. In Nordamerika werden bereits extensive Studien an Schwarzbären durchgeführt. Johnston et al. (1994) empfiehlt, sie als Modellart für bedrohte Bären zu verwenden. In den endokrinen Mechanismen jedoch unterscheiden sich die Bären erheblich, so dass für jede Art eigene Nachweisverfahren zur Ovulationsdetektion und zum Trächtigkeitsmonitoring entwickelt werden müssen. Eine Unterscheidung der Trächtigkeit von der Pseudoträchtigkeit ist bisher ebenfalls nicht möglich. Beim Großen Panda ist die Analyse urinären Estradiols sowie Pregnandiols zur Ovulationsdetektion bzw. zum Trächtigkeitsmonitoring bereits etabliert. Beim Braunbären wird die Lutealphase durch fäkales und urinäres Progesteron, beim Brillenbären durch urinäres Progesteron dargestellt. Beim Malaienbären lässt sich die Follikelaktivität mittels fäkalem Epiandrosteron verfolgen. Die Messung von Volatiles erscheint viel versprechend, jedoch bedarf sie aufgrund der geringen Probandenzahl in dieser Studie weiterer Untersuchungen zur Absicherung der Ergebnisse.