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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Modell der isoliert hämoperfundierten distalen Rindergliedmaßen für experimentelle Untersuchungen zur Pathogenese der Klauenrehe (2006)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Wüstenberg, Rya-Yvonne (WE 1)
    Quelle
    Berlin, 2006 — 130 Seiten
    Verweise
    URL (Volltext): http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000002228
    Kontakt
    Institut für Veterinär-Anatomie

    Koserstr. 20
    14195 Berlin
    +49 30 838 53555
    anatomie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Das Wissen über die Pathogenese der Klauenrehe ist bis heute trotz fortschreitender intensiver Forschungsarbeit unvollständig. Bei Untersuchungen zu diesem Thema sind isoliert perfundierte distale Gliedmaßen ein viel versprechendes Modell, um die biologischen Mechanismen zu ergründen, die hinter diesem Syndrom liegen. Dieses Modell stellt aus ethischer wie auch aus finanzieller Sicht eine Alternative zum Tierversuch dar. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung eines Modells der isoliert hämoperfundierten distalen Rindergliedmaße, basierend auf dem bereits vorhandenen Modell der isoliert hämoperfundierten Schweinegliedmaße, das für die Prüfung pharmakologischer Substanzen verwendet wird.

    Die isolierten distalen Gliedmaßen wurden von routinemäßig geschlachteten Rindern gewonnen und im Labor der Firma Vitro-tec Entwicklungsgesellschaft mbH, Berlin, perfundiert. Die Standardapparatur ermöglicht eine Perfusion für fünf Stunden unter nahezu physiologischen Verhältnissen. Die Ausgangswerte für den Perfusionsfluss und -druck wurden basierend auf Literaturangaben für Pferd und Schwein eingestellt. Der Vergleich verschiedener Versuchsgruppen ergab als optimalen Perfusionsfluss einen Wert von 190 ml/ min. Die Sauerstoffsättigung wurde bei 100 % und der pH-Wert zwischen 7,35 7,45 gehalten. Glukose wurde als Nährstoff zugesetzt. Die Gewichtzunahme der Gliedmaße sowie der Perfusionsdruck und der Organwiderstand wurden als Vitalitätsindikatoren verwendet. Die Gliedmaße durfte während der Perfusion nicht über 10 % an Gewicht zunehmen und der Perfusionsdruck durfte nicht über 150 mmHg steigen und nicht unter 30 mmHg absinken. Zusätzlich wurden systematische licht- und elektronenmikroskopische Untersuchungen an Gewebeproben aus allen Segmenten der Klauen durchgeführt, um die Vitalität des Gewebes anhand einer Standardliste morphologischer Kriterien zu überprüfen. Ausgewählte Perfusionen wurden thermographisch auf cold spots überprüft, die einen Indikator für ischämische Bezirke darstellen. Als Perfusionsmedium zeigte sich Vollelektrolytlösung, angereichert mit gewaschenen Erythrozyten (Hämatokrit 8 10 %) als am besten geeignet.

    Das Modell wurde in einer Serie von 23 Experimenten getestet. Dabei wurden für die Pathogenese der Klauenrehe relevante bioaktive Moleküle in ihrer Wirkung auf den Perfusionsdruck und die Gewebeveränderungen untersucht. Die modernen Hypothesen zur Pathogenese der Klauenrehe schreiben Störungen der Mikrozirkulation im dermalen Gefäßsystem der Klaue und direkten Schäden der Gefäßendothelien eine zentrale Rolle während des initialen Phase der Reheentwicklung zu. Diese Störungen und Schäden werden durch Toxine, vasoaktive Substanzen oder metobolische Abbauprodukte hervorgerufen. Daher wurden in den Perfusionsexperimenten dieser Arbeit die Effekte einiger der am häufigsten im Zusammenhang mit der Rehepathogenese diskutierten Substanzen getestet. Das Gewebe wurde unter Sauerstoffdefizit und verminderter Flussrate perfundiert und es wurde untersucht, ob Endotoxine, Laktat oder Histamin Änderungen der Perfusion, der Gefäße und Gewebveränderungen auslösen, die für die Reheentwicklung relevant sind.

    Es konnte gezeigt werden, dass eine Sauerstoffsättigung von 15 30 % über den Zeitraum von vier Stunden sowie die Histamin und Endotoxin von E. coli Veränderungen in den Perfusionsparametern und in der Gewebestruktur auslösen. Es konnten Druckanstieg, erhöhter Organwiderstand, Veränderungen der Gefäßpermeabilität, Ödembildung sowie epidermale Zellschäden nachgewiesen werden. Diese Veränderungen fügen sich nahtlos in die aktuellen Rehehypothesen ein. Der Zeitrahmen von fünf Stunden erlaubt jedoch keine endgültige Aussage darüber, ob dieser Zustand letztendlich zu einer Klauenrehe führt.

    Das Modell ist für verschiedene spezifische veterinärmedizinische Fragestellungen insbesondere zur weiteren Erforschung der Huf- und Klauenrehe interessant, aber auch für die Humanmedizin attraktiv. Vielfältige pharmakologische und toxikologische Einsatzgebiete sind denkbar. Durch eine Kombination mit modernen Analysen (z.B. PCR) von Gewebeproben aus den perfundierten Gliedmaßen lassen sich die Reaktionen der Zellen auf die eingesetzten Faktoren auf molekularer Ebene detektieren. Die Kombination des hier vorgestellten neuen ex vivo Modells mit molekularbiologischen Methoden insbesondere der real-time PCR zur quantitativen Analyse von Effekten auf das Expressionsprofil der Zellen wird für künftige Untersuchungen empfohlen.