zum Inhalt springen

Fachbereich Veterinärmedizin


Service-Navigation

    Publikationsdatenbank

    Bakteriologische Aspekte der Balanoposthitis beim Wisent (Bison bonasus):
    Erstbeschreibung der Spezies Arcanobacterium bialowiezense und Arcanobacterium bonasi (2005)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Lehnen, Alexandra (WE 13)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verl., 2005 — IV, 142 Seiten
    ISBN: 978-3-86664-003-0
    Verweise
    URL (Volltext): http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000001888
    Kontakt
    Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin

    Robert-von-Ostertag-Str. 7-13
    14163 Berlin
    +49 30 838 62310
    parasitologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Der Białowieża Nationalpark erstreckt sich zu beiden Seiten der Grenze zwischen Polen und Weißrußland. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde er in zwei Teile geteilt. Heute gehören zum polnischen Teil 594 km2 und zu dem weißrussischen 874 km2. ImBiałowieża Nationalpark lebt die weltweit größte freilebende Wisentpopulation. In dieser Population erkranken seit 1980 regelmäßig eine große Zahl der Bullen an einer chronisch nekrotisierenden Entzündung des Präputiums und des Penis (Balanoposthitis). Der Wisent wird innerhalb der Familie Bovidae (Gray, 1872) in die Subfamilie Bovinae (Gray, 1821) eingeordnet. Er gehört zu der Gattung Bison, welche die beiden Arten Bison (Bison bison, Linnaeus, 1758) und Wisent (Bison bonasus, Linnaeus, 1758) umfasst. Der Wisent ist eine bedrohte Tierart (Appendix III (geschützte Tierart) der Berner Konvention zum Schutz der Lebensräume wildlebender Pflanzen und Tiere, bedrohte Art auf der IUCN roten Liste der bedrohten Tierarten) und die Balanoposthitis bedeutet ein ernst zu nehmendes Problem für die in Białowieża existierende Wisentpopulation (Anonymous, 2002). 1980 wurde erstmalig eine chronische Erkrankung des äußeren Geschlechtsapparates bei Wisentbullen beschrieben (Kita et al., 1994). Charakteristisch für fortgeschrittene Erkrankungsstadien sind die Ödematisierung der Haut um die Präputialöffnung herum, und die Ansammlung von eitrigem Exsudat sowie nekrotischem Gewebe in der Präputialhöhle. Im Spätstadium kann es zu Paraphimose, Verklebung von Präputium und Penis sowie Autamputation der Penisspitze kommen. Histopathologisch wird das nekrotische Gewebe durch einen Demarkationswall aus Entzündungszellen und Granulationsgewebe vom darunterliegenden Bindegewebe abgetrennt (Jakob et al., 2000). Im Spätstadium der Balanoposthitis erkrankte Bullen können durch die entzündlichen und nekrotischen Veränderungen an ihrem Präputium, die auch auf den Penis übergreifen, nicht mehr am Reproduktionsgeschehen teilnehmen. Durch den regelmäßigen Ausfall der an Balanoposthitis erkrankten Bullen (zwischen 5 und 10% pro Jahr) wird das genetische Potential der Białowieża Population vermutlich weiter eingeschränkt. Daher war es Ziel dieser Arbeit die ursächliche oder sekundäre Beteiligung bestimmter Bakterien an der Balanoposthitis abzuklären. Weiterhin sollte ein Überblick über die bakteriologische Normalflora sowohl des männlichen als auch des weiblichen Geschlechtstrakts der Wisente in Białowieża gewonnen werden. Zu diesem Zweck wurden Tupferproben von gesunden und erkrankten Wisentbullen sowie Wisentkühen entnommen und bakteriologisch untersucht. Aus Tupferproben an Balanoposthitis erkrankter Bullen wurden dabei zwei Bakterien isoliert welche der morphologischen Beschreibung von A. pyogenes entsprachen. Der Stamm W3/01 und der Stamm W106/04 zeigten aber keine Serolyse auf Löffler Agar und unterschieden sich auch in den enzymatischen Reaktionen von A. pyogenes. Eine vergleichende 16S rDNA Analyse ordnete die Isolate W3/01 und W106/04 eindeutig in die Gattung Arcanobacterium ein. Die höchste Ähnlichkeit bestand zu A. pyogenes (96,1% und 96,4%) und A. bernardiae (95,5% und 95,8%). Untereinander waren die Isolate zu 97,2% identisch. Das Isolat mit der Stammbezeichnung W3/01 wurde unter der Speziesbezeichnung Arcanobacterium bialowiezense sp. nov. und das Isolat mit der Stammnummer W106/04 unter der Speziesbezeichnung Arcanobacterium bonasi sp. nov. bei der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ, Braunschweig) hinterlegt. A. bialowiezense oder A. bonasi wurden bei 87% der kranken Bullen nachgewiesen, aber weder bei gesunden Bullen noch bei den weiblichen Tieren gefunden. Die phylogenetische Verwandtschaft zu A. pyogenes unterstreicht eine mögliche Bedeutung in der Ätiologie und Pathogenese der Balanoposthitis beim Wisent. Es ist denkbar, dass die beiden Isolate auch ähnliche Virulenzfaktoren besitzen und somit am Krankheitsgeschehen der Balanoposthitis beteiligt sein können. Momentan ist es nur möglich eine Hypothese über den Verlauf der Krankheit aufzustellen und diese als Basis für weitere Untersuchungen zu verwenden. Demnach kommt es möglicherweise durch prädisponierende Faktoren zu einer Vorschädigung des Gewebes mit der anschließenden Ausbildung einer fokalen Hyperkeratose. Eventuell liegt auch ein genetischer Defekt zugrunde, der in der geringen genetischen Variabilität der Wisente begründet ist und zu einer Störung der lokalen Immunabwehr führt (Lünser et al., 2005). Ein solcher Defekt hätte zur Folge, dass Krankheitserreger leichter in die Haut einwandern und sich dort vermehren können. In vorangegangenen Untersuchungen wurde die Beteiligung von Fusobakterien an der Balanoposthitis des Wisents nachgewiesen (Jakob et al., 2000). Durch einen Synergismus von Fusobakterien mit den beiden neuen Spezies A. bonasi und A. bialowiezense könnte die Infektion noch verstärkt werden wie es für A. pyogenes und F. necrophorum beschrieben ist (Kaczmarowski, 2003). Aufgrund der hohen Verwandtschaft der beiden Arcanobacterium spp. zu A. pyogenes kann man vermuten, dass sie ähnliche Virulenzfaktoren besitzen. Neuraminidasen unterstützen die Anhaftung der Arcanobakterien an Hautzellen, wodurch sie in der Lage sind die Haut zu besiedeln (Esmay et al., 2003). PLO, ein haemolytisches Exotoxin (Ding, 1996; Billington, 1997), wirkt zytolytisch indem es an Membranen tierischer Zellen bindet und dort oligomere Poren bildet (Billington, 2000). Es ist außerdem beschrieben, dass PLO die Komplementkaskade aktiviert (Paton, 1984). Bei einer überschiessenden Reaktion kann dies zu Entzündungsreaktionen und Nekrosen führen (www.mucos.cz). Da es möglich war einen der Erreger mittels PCR bei einem Bullen in Stadium I der Erkrankung nachzuweisen ist nicht auszuschließen, dass die Arcanobakterien primär an der Balanoposthitis beteiligt sind.