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Angststörungen gehören mit einer Prävalenz von bis zu 20% zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen. Die neurobiologischen Grundlagen von Angststörungen sind bisher nicht befriedigend geklärt. Tierexperimentelle Untersuchungen des Angstverhaltens werden durch Stammesunterschiede oder Sublininienbildung bei Ratten erschwert. So werden in Publikationen über das Angstverhalten von Ratten trotz Verwendung identischer tierexperimenteller Verhaltenstests widersprüchliche Ergebnisse vorgestellt. Eine Sublinienbildung kann bei Rattenstämmen, die seit 16 Jahren in isolierter Zucht in der Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk, Russland, gehalten werden, nicht ausgeschlossen werden. Daher war es von besonderem Interesse, das Angstverhalten und das Explorationsverhalten der ursprünglich verwandten russischen und deutschen Wistar-Ratten und Sprague Dawley (SD)-Ratten in Bezug auf ihre Stammes- und Zuchtlinienunterschiede zu untersuchen. Im Laufe der Verhaltenstests (Elevated-plus-maze-, Open-field-, Hole-Board-, Free-exploratory-paradigm- und anschliessendem Rota-Rod-Test) waren russische SD-Ratten in allen Tests weniger ‚ängstlich’ und insgesamt aktiver als die deutschen SD-Ratten. Russische und deutsche Wistar-Ratten zeigten kaum Unterschiede im angstbezogenen Verhalten. Die russischen Wistar-Ratten waren aber motorisch aktiver. Abschließend wurden die Gehalte von Serotonin im präfrontalen Kortex, Hippokampus und in der Rapheregion bestimmt. Bei den russischen Wistar-Ratten waren die Serotoningehalte in allen Regionen niedriger als bei den deutschen Wistar-Ratten, obwohl sich ihr angstbezogenes Verhalten nicht unterschied. Weniger ängstliche russische Sprague Dawley-Ratten hatten niedrigere Serotoninkonzentrationen als die deutschen Sprague Dawley-Ratten. Insgesamt weisen die Ergebnisse unserer Untersuchungen darauf hin, dass eine langzeitige isolierte Zucht zu einer Veränderung im Verhalten und in den Transmitterkonzentrationen im ZNS führen kann. Eine Sublininienbildung kann vermutet werden. Daher sollten bei zukünftigen Untersuchungen Stammes- bzw. Zuchtlinienunterschiede berücksichtigt werden, und es wird empfohlen, bei der Methodenbeschreibung die Herkunft der Tiere exakt anzugeben.