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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Die Wirksamkeit insektizidbehandelter Netze zum Schutz von Rindern vor Gnitzen und Lästlingsinsekten in Milchviehstallungen (2010)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Rohrmann, Karen Magdalena Alma (WE 13)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2010 — XIV, 120 Seiten
    ISBN: 978-3-86664-752-7
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/2545
    Kontakt
    Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin

    Robert-von-Ostertag-Str. 7-13
    14163 Berlin
    +49 30 838 62310
    parasitologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Die Blauzungenkrankheit, eine ursprünglich aus Afrika kommende Virusinfektion der Wiederkäuer, trat nach einer schnellen Verbreitung über den Mittelmeerraum im August 2006 erstmals auch in Deutschland auf. Das ubiquitäre Vorkommen potenzieller Virusüberträger (Gnitzen, Ceratopogonidae, Culicoides spp.), in der Tendenz ansteigende Temperaturen, insbesondere milde Winter, begünstigen das Überleben von Gnitzen und erhöhen somit das Übertragungsrisiko. Das Blauzungenvirus gehört zur Familie der Reoviridae und weltweit existieren derzeit 25 verschiedene Serotypen. Die in Deutschland seit 2008 staatlich angeordneten Impfmaßnahmen schützen nur gegen den Serotyp 8. Die Einschleppung von weiteren Serotypen ist jederzeit möglich. Auch der empfohlene Einsatz von pyrethroidhaltigen Ektoparasitika bietet keinen befriedigenden Schutz. Auf Grund von Erfahrungen aus Vorversuchen (Blank et al., 2005; Maia et al., 2005; Bauer et al., 2006) könnte die Verwendung von insektizidbehandelten Netzen eine vielversprechende Möglichkeit zum Schutz von Rindern vor Gnitzen darstellen.
    Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Wirksamkeit insektizidbehandelter Netze gegen den Eintrag von Gnitzen und Lästlingsinsekten in Milchviehstallungen zu prüfen und zu beurteilen, um somit einen Beitrag zur Bekämpfung der Blauzungenkrankheit und zur Steigerung des Tierwohlbefindens zu leisten.
    Für die Felduntersuchungen wurden im Bundesland Brandenburg in den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel zwei Milchviehbetriebe mit einem erwarteten hohen Gnitzenaufkommen und ganzjähriger Stallhaltung ausgewählt. Voraussetzung für die Auswahl der Betriebe war, dass zwei etwa gleich große, voneinander getrennte Stallungen auf einer Anlage zur Verfügung standen. Das zur Verfügung stehende insektizidbehandelte schwarze Polyesternetz der Maschenweite 2 x 2 mm hatte einen angestrebten Deltamethringehalt von 100 mg/m2. Anfang Mai 2008 wurde jeweils ein Stall pro Anlage komplett vernetzt. Der andere Stall blieb vollkommen ungeschützt und diente als Kontrolle. Beide Stallungen wurden mit einer identischen Anzahl von speziellen Gnitzen- (Biogents-Sentinel UV-Licht Fallen®) und Fliegenfallen (Glue-Fly Klebebandfallen®) ausgestattet. Von Mitte Mai bis Ende Oktober 2008 erfolgte das entomologische Monitoring auf beiden Versuchsbetrieben. Über den gesamten Versuchszeitraum wurden die ausgebrachten Netze in vierwöchigen Abständen im Labor auf ihre biozide Aktivität untersucht. Als Testinsekten standen Laborstämme von Musca domestica und Culicoides nubeculosus zur Verfügung. Die Testung von M. domestica erfolgte in der FlyBox®. Diese Box war mit der entsprechenden Netzprobe ausgekleidet. Nach einer 10 sekündigen Exposition wurden die Paralyseraten in bestimmten Zeitabständen erhoben. Ein ähnliches Verfahren kam bei der Testung mit C. nubeculosus zum Einsatz. Zur Beurteilung der biologischen Wirksamkeit der Netze wurde der T-50-Wert (Zeitpunkt, an dem 50% der Testinsekten paralysiert sind) bestimmt. Zusätzlich wurden im Labor Netzprototypen (Neuentwicklungen) mit unterschiedlicher Insektizidkonzentration und zwei verschiedenen Insektizidformulierungen auf ihre biologische Wirksamkeit überprüft. Zur Beurteilung der Umwelttoxikologie wurden vor und nach der Netzausbringung Tränkewasserproben aus dem Stall und Bodenproben aus der Umgebung der Stallungen entnommen. Des Weiteren sollten Milchsammelproben und Rinderdung durch den Tiergesundheitsdienst Bayern auf Insektizidrückstände untersucht werden.
    Auf beiden Milchviehanlagen konnten über einen Versuchszeitraum von 5 Monaten insgesamt 28.469 Gnitzen und 70.665 Fliegen gefangen werden. Die höchsten Gnitzenabundanzen zeigten sich auf beiden Betrieben von Mitte Mai bis Ende Juni 2008. Ab Anfang Juli kam es zu einer stetigen Abnahme der Fangzahlen. Die Ausbringung der Netze ergab auf beiden Milchviehanlagen im Vergleich zum Kontrollstall keine nachhaltige Reduktion der Gnitzen- und Fliegenzahlen im Interventionsstall. So konnte auf dem Betrieb in Lögow kein signifikanter Unterschied in der Gnitzenanzahl zwischen Interventions- und Kontrollstall festgestellt werden. Es zeigte sich aber ein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Anzahl gesogener Gnitzen. Auf dem Betrieb in Eichstädt war ein signifikanter Unterschied zwischen den Gnitzenfangzahlen und dem Anteil gesogener Gnitzen zwischen Interventions- und Kontrollstall zu errechnen. Bei den Fliegenfangzahlen konnte in Lögow nur eine durchschnittliche Reduktion von 31% erreicht werden. Die unbefriedigende Wirkung der Netze auf Fliegen liegt vermutlich u. a. in der nachgewiesenen Resistenz gegenüber dem Pyrethroid Deltamethrin (Jandowsky et al., 2009).
    Die verwendeten Netze zeigten in den Bioassays gegenüber den Deltamethrin-sensitiven Laborstämmen eine gute biologische Wirksamkeit über einen Zeitraum von 4 Monaten. Zum Ende der Untersuchungen ließen sich auf Grund von Verschmutzungen des Netzes bei beiden Testinsekten ein Anstieg des T-50 und damit ein scheinbarer Wirkungsverlust nachweisen. In weiterführenden Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine Erhöhung der Wirkstoffkonzentration und die Verwendung von Deltamethrin als Emulsion zu einem schnelleren Wirkungseintritt bei beiden Testspezies führte. Im Rahmen der ökotoxikologischen Untersuchungen konnte kein Deltamethrin in Sammelmilchproben und Tränkwasserproben nachgewiesen werden. Unter den Netzen entnommene Bodenproben zeigten nur sehr geringe Belastungen mit Deltamethrin (Frenzel, 2008).
    Die behandelten Polyesternetze erwiesen sich im Laufe der Untersuchungen als sehr widerstandsfähig und sind damit für den Einsatz im Feld durchaus geeignet. Die direkte Vernetzung von Stallungen ist auf Grund der geringen Maschenweite des Netzes und der doch erheblichen Verschmutzung für die Luftverhältnisse in den Stallungen und damit auch für das Tierwohlbefinden nicht empfehlenswert. In Bezug auf die geringe Größe der Gnitzen müsste die Netzmaschenweite weiter verringert werden. Das wäre nur praktikabel, wenn eine Vernetzung außerhalb der Stallungen möglich ist. Hinsichtlich der nachgewiesenen Resistenzproblematik bei Fliegen wäre der Einsatz anderer Wirkstoffklassen notwendig.
    Eine weitere Optimierung der Netze in Hinsicht auf Maschenweite und Insektizid¬konzentration ist erforderlich und auf Grund der vielversprechenden Beobachtungen aus der vorliegenden Arbeit zu empfehlen.