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Das Corpus luteum ist ein ausgezeichnetes Modell der Blutgefäßentwicklung im adulten Organismus. Für das enorme angiogene Potential dieses Organs fehlt bislang eine Erklärung. In Vorarbeiten isolierte Endothelzellkulturen des bovinen Corpus luteum zeigten unterschiedliche angiogene Potenz (nicht angiogen bis hoch angiogen). Ziel der vorliegenden Arbeit war eine vergleichende Untersuchung dieser funktionell heterogenen Kulturen lutealer mikrovaskulärer Endothelzellen auf morphologischer und molekularer Basis. Dabei sollte auch eruiert werden, ob in den hoch angiogenen Endothelzellkulturen möglicherweise spezialisierte Zellen im Sinne von Stamm- oder Progenitorzellen eine kritische und initiierende Rolle bei der Gefäßentwicklung im Corpus luteum einnehmen. Da die Forschung an adulten Stamm- und Progenitorzellen ein relativ neues Terrain darstellt, existieren bislang keine Untersuchungen zur Beteiligung der genannten Zellen an der Vaskularisierung des Corpus luteum. Daher wurde in der vorliegenden Arbeit zuerst eine Strategie zur Identifizierung adulter Stammzellen des Rindes erarbeitet. Die immunzytochemische Lokalisation von Stammzellmarkern sowie z.T. deren Nachweis auf Transkriptebene via konventioneller RT-PCR wurde mit der Analyse des spezifischen Wachstumsmusters der Zellen auf lichtmikroskopischer und ultrastruktureller Ebene gekoppelt. Dabei war es essentiell die Koexpression und die Kinetik des Expressionsmusters der eingesetzten Stammzellmarker CD31 (PECAM-1), CD34, VEGF-R1 (flt-1), VEGF-R2 (flk-1, KDR) und CD117 (c-kit, SCF-Rezeptor) zu klären. Für die systematische Charakterisierung der heterogenen Endothelzellkulturen wurden darüber hinaus der immunzytochemische Nachweis der Adhäsionsmoleküle CD29 (betta1-Integrin) und CD51/61 (alphavbetta3–Integrin) durchgeführt. Morphologische Eigenschaften der Zellen wurden mittels phasenkontrast- und transmissionselektronenmikroskopischer Untersuchungen sowie histologischer Untersuchungstechniken beleuchtet. Das Screening der Zellkulturen mit dem genannten Katalog angewandter Methoden ergab folgende Ergebnisse: Eine der Zellkulturen aus dem Corpus luteum in Anbildung kann aufgrund der vorliegenden Ergebnisse als neues Modell der in vitro Vaskulogenese gelten. Diese Kultur zeigte sehr hohe Potenz zur Ausbildung kapillarartiger Strukturen. Die in vitro Gefäßentwicklung wurde hier von Gruppen spezifischer Zellen initiiert, welche charakteristische morphologische Eigenschaften von Progenitorzellen zeigten. Diese Zellen, die als „Starting Points“ bezeichnet wurden, proliferierten intensiv und entwickelten sich zu Zellclustern. Nach Vernetzung der Cluster entstand ein Plexus kapillarartiger Strukturen. Auch die Analyse der spezifischen Zellen auf ultrastruktureller und molekularer Ebene sprach dafür, dass es sich um endotheliale Progenitorzellen handelte. Neue Erkenntnisse zur in vitro Angiogenese wurden durch die Untersuchungen von zwei weiteren Endothelzellkulturen aus dem Corpus luteum cyclicum in Rückbildung erzielt. Beide Kulturen organisierten sich in Form der Angiogenese zu kapillarähnlichen Strukturen. Jedoch zeigten diese Kulturen verschiedene morphologische Phänotypen der Angiogenese. Die vorliegenden Ergebnisse verweisen auf eine unterschiedliche angiogene Aktivität in frühen versus späten Stadien der lutealen Regression. In beiden Kulturen wurden Zellen detektiert, die Stammzellmarker exprimierten. Die Ergebnisse indizieren, dass bestimmte endotheliale Subpopulationen einen plastischen, immaturen Charakter bewahren. In einer weiteren Kultur aus dem Corpus luteum cyclicum in Rückbildung wurden Zellen gefunden, die möglicherweise als potenziell bipotente Vorläuferzellen von Endothel- und Granulosazellen fungieren. Die Zellen dieser Kultur persistierten im zweidimensionalen Monolayerstadium. Zelluläre und molekulare Untersuchungen wiesen deutliche Parallelen charakteristischer Merkmale sowohl von Endothel- als auch von Granulosazellen auf. Lumenbildung endothelialer Stränge wurde bisher nur an Modellen der Angiogenese publiziert. Verschiedene zelluläre Mechanismen, die zur Lumenisierung von Gefäßen führten, wie beispielsweise die Beteiligung von Apoptosen, wurden in dieser Arbeit an den Endothelzellen mit Potenz zur Ausbildung kapillarartiger Strukturen beschrieben. Es manifestierte sich ein wesentlicher Unterschied bei der Lumenisierung zwischen den Kulturen der lutealen An- und Rückbildung. Im Fall der hier beschriebenen vaskulogenen Zellkultur aus dem Corpus luteum cyclicum der Anbildung entstanden tubuläre Strukturen ausgehend von sich vernetzenden Zellclustern endothelialer Progenitorzellen. Dieses Phänomen wurde hier erstmals dokumentiert. Während der Stabilisierungsphase kommt es in vivo bei den meisten Gefäßen zur Anlagerung von Perizyten. Ein interessantes Ergebnis dieser Studie war das abschnittweise Auftreten einer zweiten Zellschicht um die tubulären Strukturen während der Langzeitkultivierung. Möglicherweise könnte es sich hierbei um Perizyten-ähnliche Zellen handeln. Durch die immunzytochemische Markierung der Adhäsionsmoleküle wurde die Dreidimensionalität der Gefäßstrukturen in vitro deutlich dargestellt. Die Kommunikation zwischen den Endothelzellen bzw. zwischen Endothelzellen und extrazellulärer Matrix sowie die Synthese des eigenen dreidimensionalen Substrates wurden in dieser Studie visualisiert. Ein besonderer Befund dieser Arbeit, beobachtet in den lutealen Kulturen mit Potenz zur Ausbildung kapillarartiger Strukturen, war deren determinierte Gefäßarchitektur. Trotz initialer Heterogenität wurden dreidimensionale Netzwerke gefäßähnlicher Strukturen ausgebildet, welche der Architektur des Kapillarbettes im Corpus luteum in vivo entsprachen. Diese Beobachtung, die hier erstmals beschrieben wurde, zeigt, dass in vitro Modelle der Situation in vivo gleichen und daher als Ersatz- und Ergänzungsmethode zu Tierversuchen herangezogen werden können.