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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Die Milchkuh:
    wenn die Leistung zur Last wird! (2011)

    Art
    Vortrag
    Autor
    Martens, H
    Kongress
    4. Nordrheinwestfälischer Tierärztetag
    Essen, 10. – 11.09.2011
    Quelle
    Kontakt
    Institut für Veterinär-Physiologie

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62600
    physiologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Die Laktationsleistung der Kühe hat sich in den letzten 5 Jahrzehnten etwa verdoppelt, die Zahl der Laktationen jedoch auf 2.5 verringert, sodass sich die Lebensleistung der Kühe in diesem Zeitraum nicht verändert hat. Diese Limitierung der Nutzungsdauer ist gekennzeichnet durch eine erhebliche Zunahme von Erkrankungen unterschiedlicher Art wie gestörte Fruchtbarkeit, Erkrankungen der Gebärmutter, Eutererkrankungen, Lahmheiten und Erkrankungen des Verdauungssystems (Labmagenverlagerung, Pansenazidose). Die Häufigkeit der Erkrankungen und das vorzeitige Ausscheiden aus dem Produktionsprozess infolge dieser Erkrankungen verursachen erhebliche wirtschaftliche Schäden und müssen auch unter dem Aspekt des Tierschutzes diskutiert werden.
    Die o. a. sehr unterschiedlichen Erkrankungen haben viele Ursachen wie nicht leistungsgerechte Fütterung, unzureichende Haltungsbedingungen oder Mängel im Management der Herden, erklären aber die hohen Erkrankungsraten nur unzureichend. Untersuchungen der letzten Jahre haben aber gezeigt, dass die negative Energiebilanz (NEB) in der frühen Laktation ein wichtiger pathogenetischer Faktor ganz unterschiedlicher Erkrankungen ist. Die NEB ist mit einem Anstieg der freien Fettsäuren (non esterified fatty acids: NEFA) im Blut verbunden, die eine Leberverfettung/Ketose verursachen und eine Insulinresistenz induzieren können (direkte, NEFA-abhängige Wirkung). Darüber hinaus ergeben sich durch die NEB bedingte, indirekte NEFA-unabhängige Wirkungen. Es besteht kein Zweifel, dass die NEB als eine der Hauptursachen der Fruchtbarkeitsstörungen und der unzureichenden Immunantwort p. p. anzusehen ist. Die aus der NEB resultierende Fütterungsstrategie, die Energiedichte des Futters zu erhöhen, kann zu Störungen der Vormagenverdauung (subakute Pansenazidose) bzw. Labmagenverlagerung führen. Bedrückend ist ferner die Tatsache, dass in der frühen postpartalen Phase (= hohe NEB) viele Kühe sterben und die Zahl der Todesfälle offensichtlich leistungsabhängig zunimmt.
    Das Ausmaß und die Dauer der NEB haben sich infolge der primären Selektion auf erhöhte Milchleistung vergrößert, weil die Heritabilität für die Milchleistung zweifach höher ausfällt als die für das Futteraufnahmevermögen, das bei der Zuchtwertschätzung keine Berücksichtigung findet. Diese Diskrepanz zwischen Leistungs- und Futteraufnahmevermögen limitiert zurzeit schon die Produktionsleistung der Kühe und wird eine weitere Zunahme nicht erlauben, wenn man unter Leistung nicht nur die Milchproduktion, sondern auch die Produktionsausfälle infolge der Häufigkeit von Erkrankungen und insbesondere die Lebens(milch)leistung einbezieht. Um dieser allgemeinen Entwicklung entgegenzuwirken, sollten besondere Beachtung daher die Kühe und die Kuhherden finden, die den Belastungen gewachsen sind und bei hoher Laktationsleistung eine überdurchschnittliche Lebensleistung aufweisen.