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Thermotolerante Campylobacter spp. gehören in Deutschland zu den häufigsten Erregern bakterieller Ente-ritiden beim Menschen. Der Erreger wird hauptsächlich durch kontaminierte Lebensmittel, zumeist Geflü-gelprodukte übertragen. Die kulturelle Isolierung aus Lebensmitteln bereitet - insbesondere wegen der ho-hen Wachstumsansprüche und Empfindlichkeit des Keimes - häufig Probleme, was sich auch in der Vielzahl der entwickelten Verfahren ausdrückt. Eine erste Normierung für den kulturellen Nachweis erfolgte auf in-ternationaler Ebene mit der Veröffentlichung der ISO 10272:1995 (E), die zwei optionale Anreicherungsverfahren beschreibt. Im ersten Teil der vorliegenden Studie wurde der Einfluss verschiedener kultureller Anreicherungsverfah-ren in Anlehnung an die ISO 10272:1995 (E) auf die Isolierungsrate von Campylobacter spp. bei natürlich kontaminierten frischen und tiefgefrorenen Geflügelfleischprodukten untersucht. Ferner wurde die Notwen-digkeit einer Blut-Supplementation der Preston-Bouillon sowie der Effekt unterschiedlicher Inkubationszei-ten überprüft. Mit den beiden Anreicherungsverfahren nach ISO 10272:1995 (E), d.h. der Preston-Bouillon und der Park und Sanders-Bouillon, konnten aus insgesamt 80 (52 %) der 153 Proben thermotolerante Campylobacter spp. isoliert werden. Die höchsten Nachweisraten ergaben sich für Geflügelinnereien (65 %), gefolgt von Geflügelfleisch (48 %) und Geflügelfleischzubereitungen (20 %). Bei tiefgefrorenen Produkten wurden insgesamt höhere Prävalenzen ermittelt (58,4 %) als bei frisch angebotener Ware (43,8 %). Unter Verwen-dung von Preston-Bouillon konnten aus 77 Proben (50 %) und mit dem Selektivmedium nach Park und Sanders aus 76 Proben (50 %) Campylobacter spp. isoliert werden. Hinsichtlich der Methodik lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: 1. Mit beiden Anreicherungsverfahren wurden in Geflügelfleischproben vergleichbare Prävalenzen ermit-telt. Daher ist für die Untersuchung von frischen und tiefgefrorenen Geflügelfleischprodukten das An-reicherungsverfahren nach Preston wegen des geringeren Material-, Zeit- und Arbeitsaufwandes der Park und Sanders-Anreicherung vorzuziehen. 2. Die Nachweisrate wurde durch die unterschiedliche Inkubationsdauer (22 ± 2 h oder 46 ± 2 h) nicht beeinflusst. 3. Bei Verwendung von frisch hergestellter Preston-Bouillon (maximal 3 Tage alt) ist eine Blutsupplemen-tation nicht unbedingt erforderlich. Darüber hinaus zeigen die quantitativen Untersuchungen, dass 22,5 % der Campylobacter-positiven Proben mit beachtlichen Keimzahlen zwischen log 3,3 und log 4,1 KbE/Oberfläche kontaminiert sind. Dabei han-delt es sich fast ausschließlich um Geflügelinnereien. Da sowohl in der amtlichen Routinediagnostik als auch in der Lebensmittelwirtschaft der Wunsch nach schnellen Screeningmethoden stetig zunimmt, wurden im zweiten Teil der vorliegenden Studie zwei PCR-Verfahren hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten in der lebensmittelhygienischen Routinediagnostik über-prüft. Für diesen Zweck wurde eine Vergleichsuntersuchung von 80 natürlich kontaminierten Geflügel-fleischproben durchgeführt, wobei das seminested PCR-System nach WEGMÜLLER et al. (1993) und die pg50/pg3-PCR nach OYOFO et al. (1992) mit dem kulturellen Referenzverfahren nach ISO 10272:1995 (E) (Preston-Protokoll) hinsichtlich der Sensitivität und der Spezifität getestet wurden. Mit dem kulturellen Referenzverfahren nach ISO 10272:1995 (E) und dem seminested PCR-System nach WEGMÜLLER et al. (1993) konnten jeweils in 44 von 80 Proben thermotolerante Campylobacter spp. bzw. spezifische Gensequenzen nachgewiesen werden. Dagegen wurden mit dem pg50/pg3-PCR-System nach OYOFO et al. (1992) 43 positive, ein falsch-negatives und 5 falsch-positive Ergebnisse erzielt, so dass sich eine relative Sensitivität von 97,7 % und eine relative Spezifität von 86,1 % ergaben. Bei der Beurteilung dieser Ergebnisse ist allerdings zu berücksichtigen, dass die 5 falsch-positiven Befunde nicht durch eine Hybridisierung bestätigt worden waren. Aus den Ergebnissen dieser Verfahrensvergleichsuntersuchung lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen: 1. Die seminested PCR nach WEGMÜLLER et al. (1993) ist aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität als schnelles Screeningverfahren für den Nachweis von thermotoleranten Campylobacter spp. in Geflü-gelfleisch geeignet. Sie bietet allerdings nicht die Möglichkeit zur Automatisierung und gestattet auch keine Speziesdifferenzierung zwischen C. jejuni und C. coli. 2. Beim Einsatz der pg50/pg3-PCR nach OYOFO et al. (1992) ist es zwingend erforderlich, durch eine ab-schließende Hybridisierung die Identität der nachgewiesenen PCR-Produkte zu bestätigen, um die Sen-sitivität und vor allem die Spezifität des Systems zu erhöhen. 3. Im lebensmittelhygienischen Routinelabor, in dem zwar die PCR, nicht aber die Southernblot-Hybridisierung apparativ und personell etabliert ist, stellt die seminested PCR eine Alternative zur vor-läufigen amtlichen Methode nach § 64 LFGB (BVL, 2006) dar. 4. Durch das parallele Mitführen von externen Amplifikationskontrollen können falsch-negative Ergebnis-se aufgrund inhibitorischer DNA-Extrakte zuverlässig vermieden werden. 5. Mit dem kommerziellen DNA-Extraktionskit (DNeasy™ Tissue Kit, Fa. Qiagen) lässt sich Campylo-bacter-DNA im Routinelabor schnell und effektiv aus Geflügelfleisch und -innereien extrahieren.