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In der Literaturübersicht werden Grundlagen der Informationsübertragung im Gastrointestinaltrakt unter besonderer Beachtung der beim Pferd nachgewiesenen Transmitter und Rezeptoren dargestellt. Es werden die neuesten Kenntnisse über die Steuerung der gastrointestinalen Motilität durch das enterische und das vegetative Nervensystem, wie auch die physiologischen Motilitätsmuster des equinen Magen-Darm-Traktes vermittelt. Dabei wird deutlich, dass die weitestgehende und differenzierteste Kontrolle der gastrointestinalen Motorik durch das enterische Nervensystem erfolgt.
Die Auswirkungen eines ischämischen Ereignisses auf die Entwicklung einer Motilitätsstörung sind durch zahlreiche Untersuchungen weitgehend geklärt: die durch die Ischämie hervorrgerufene lokale Hypoxie führt zum Erliegen der oxidativen Phosphorylierung. Der Mangel an ATP führt direkt zur Darmparalyse, andererseits kann die intrazelluläre Homöostase nicht mehr aufrechterhalten werden. Unterschiedliche Ansichten bestehen jedoch, ob die Zellschädigung nach der Reoxygenation des Gewebes ein kontinuierlicher Prozeß der vorangehenden ischämischen Beeinträchtigung ist, oder ob eine weitere Schädigung der Zelle durch die Entwicklung einer Reperfusionsstörung hervorgerufen wird. Der Nachweis, dass beim Pferd während einstündiger Ischämie am Dünndarm die Akkumulation von Xanthinoxidase stattfindet, weist auf die Entstehung einer
Reperfusionsstörung hin, denn dieses Enzym ist entscheidend bei der Bildung von Sauerstoffradikalen während der Reoxygenation beteiligt. Die Superoxidradikale rufen die Formation von Zytokinen hervor, die zur rapiden Aggregation von neutrophilen Granulozyten und damit zur Erhöhung der mikrovaskulären Permeabilität führen. Beim Pferde gelang es, diesen signifikanten Anstieg der neutrophilen Granulozyten, wie auch die signifikante Erhöhung der Gefäßpermeabilität nach Reperfusion ischämischen Gewebes nachzuweisen.
Hinsichtlich der Ätiopathogenese des PIs gibt es unterschiedliche Thesen und Ansätze.
Untersuchungen zur Pathogenese des PIs verdeutlichen, dass die ämodynamischen
Veränderungen Einfluß auf die Darmmotilität haben. Es wurde bereits mehrfach
nachgewiesen, dass die dadurch hervorgerufene lokale Entzündung entscheidend zur Entstehung des PIs beiträgt. Neben der lokalen Gewebezerstörung kommt es dabei zur Freisetzung von NO, einem der wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitter im enterischen Nervensystem. Die Zerstörung von Zellen, wie auch der Energiemangel während der ischämischen Phase beeinflussen neben dem Flüssigkeitsverlust die Verteilung der Elektrolyte in Extra- und Intrazellulärraum. Für die Entstehung des PIs werden besonders Störungen in der Kaliumhomöostase, aber auch die Hypochlorämie diskutiert. Außer diesen pathologischen Veränderungen an der glatten Muskelzelle selbst, kann eine mangelnde propulsive Darmmotilität auch durch eine Fehlfunktion der intrinsischen und extrinsischen elektrischen Aktivität hervorgerufen werden. Dabei spielen besonders eine Erhöhung des Sympathikotonus, wie auch die dopaminerge Hyperaktivität eine entscheidende Rolle. Des Weiteren konnte die Hemmung der gastrointestinalen Motilität durch Endotoxine nachgewiesen werden.
Kontroverse Auffassungen liegen hinsichtlich der prokinetischen Pharmakotherapie des Pis vor. Von den dargestellten Prokinetika werden derzeit in der Praxis Neostigmin, Metoclopramid, Lidocain und Erythromycin eingesetzt.
Eigene Untersuchungen über das Vorkommen des paralytischen Ileus an der Klinik für Pferde, Allgemeine Chirurgie und Radiologie der Freien Universität Berlin zeigten, dass in retrospektiven Untersuchungen über 7 Jahre bei 1134 stationär aufgenommenen Kolikern insgesamt 50 (4,4%) einen paralytischen Ileus entwickelten. Von diesen 50 Ileuspatienten wurden 6 (12%) ausschließlich konservativ, 28 (56%) durch eine singuläre Laparatomie und 16 (32%) durch zwei- oder mehrmalige Laparatomien therapiert. Die Studie zeigte, dass das Signalement der Ileuspatienten und die Inzidenzrate vorangegangenen Studien ähnlich sind. Auch die Risikofaktoren, die in vorangehenden Studien für laparotomierte Pferde ermittelt wurden, trafen für die Patienten der vorliegenden Studie zu. Dabei bestätigte sich, dass besonders Pferde mit strangulierenden Dünndarmläsionen dazu prädestiniert sind, einen POI zu entwickeln. Während alle 6 konservativ therapierten Ileuspatienten geheilt entlassen werden konnten, war die Letalität von 68,2% der Pferde mit postoperativem Ileus im Vergleich zu anderen Studien hoch. Pferde, welche wiederholt laparotomiert wurden, hatten eine geringere Überlebensrate, als einmalig operierte Patienten. Der einzige signifikante Unterschied der Untergruppen 2 (singulär operierte) und 3 (mehrfach operierte Ileuspatienten) ergab sich lediglich für den Parameter „Zeitpunkt der Euthanasie post OP“ in Bezug auf die Operation. Ein wichtiger Grund für die Entstehung dieses Unterschiedes waren die 4 Pferde (33,4%), welche aufgrund infauster Prognose bereits während der Relaparotomie euthanasiert wurden.
Anhand der vorliegenden retrospektiven Studie konnte die Häufigkeit des Vorkommens des paralytischen Ileus an der Klinik für Pferde, Allgemeine Chirurgie und Radiologie der Freien Universität Berlin gezeigt werden. Unter Betrachtung der aktuellen Literatur und den Ergebnissen der Fallanalyse konnte dargestellt werden, dass die lokale Entzündung, eine Erhöhung des Sympathikotonus, wie auch die Endotoxämie bei der Entstehung des PIs bei den untersuchten Ileuspatienten mitgewirkt haben können. Zur prokinetischen Therapie kamen MCP, Lidocain und Neostigmin in unterschiedlichen Kombinationen zum Einsatz.
Bei nur 6 Pferden wurden Prokinetika präventiv während der Operation eingesetzt.
Hinsichtlich der Wirksamkeit der Prokinetika lässt sich jedoch keine Aussage hinsichtlich ihrer Wirksamkeit treffen, da die „Behandlungsgruppen“, d.h. die Anzahl der Pferde die mit dem gleichen Prokinetikum oder der gleichen Kombination von Prokinetika behandelt wurden einerseits viel zu klein war. Andererseits variierten der Zeitpunkt der Applikation, die Dosierung und die Frequenz der Verabreichung der Prokinetika zu stark, um eine Gegenüberstellung der Behandlungsgruppen zu ermöglichen.