Robert-von-Ostertag-Str. 15
14163 Berlin
+49 30 838 62450
pathologie@vetmed.fu-berlin.de
Ziel dieser Untersuchungen in Zusammenarbeit mit P. Wevers (WEVERS, 2001) war der Aufbau einer Leberperfusionsapparatur und die Fragestellung nach einem Einsatz des Modells in der Testung neuer Substanzen bezüglich deren hepatischer Wirkungen. Als Prüfsubstanzen dienten zwei verschiedene Substanzen: Es wurde als Xenobiotikum mit hauptsächlich toxischer Wirkung Polidocanol und als Xenobiotikum mit hauptsächlich leberstoffwechselverändernder Wirkung Diclofenac getestet. Die Lebern wurden von kommerziellen Schlachtschweinen gewonnen. Die Entnahme erfolgte auf dem Schlachthof und dauerte durchschnittlich 18,08 ± 7,35 Minuten (auch als Warmischämie bezeichnet). Anschließend wurden die Organe direkt nach der Entnahme über einen Zeitraum von ca. 41 ± 9 Minuten mit 5 Litern 4 °C kalter Euro-Collins-Lösung kälteperfundiert. Anschließend erfolgte der Transport in das Labor (Dauer ca. 170, 23 ± 15,40 Minuten, auch als Kälteischämie bezeichnet) die autologe Reperfusion. Es wurden drei Gruppen gebildet. Zur Gewinnung von Standardwerten wurden n=6 Kontrollen ohne Medikamente über 180 Minuten perfundiert, danach folgten n=6 Versuche mit Polidocanol mit einer Versuchsdauer von 90 Minuten und n=6 Versuche mit Diclofenac und einer Versuchsdauer von 180 Minuten, sowie zwei weitere Versuche mit Versuchsschweinen im OP des Institutes. Die Perfusionsdauer wurde unterschiedlich festgelegt, da Polidocanol histologische Schäden verursachte, die eine längere Perfusion nicht sinnvoll machten (WEVERS, 2001). Polidocanol wurde in einer Konzentration von 8,3 x 10-6 mol appliziert. Besondere Aufmerksamkeit wurde den Veränderungen der Blutparameter bezüglich des Zeitraums 30 bis 60 Minuten nach Substanzgabe gewidmet: Es kam zu einem massiven Anstieg der Enzyme AST (61%) und ALT (50%) während des oben genannten Zeitraums. Ursache hierfür ist die Schädigung der Integrität der Plasmamembran und damit ihr Versagen als permeable Barriere. Somit kam es auch zu einem deutlichen Abfall von Hämatokrit (36%) und Erythrozytenzahl (22%), welche ebenfalls auf die genannten Membranveränderungen zurückgeführt werden können. Besonders deutlich war auch eine Cholestase 30 Minuten nach Polidocanolgabe, welche sich in einem Abfall des Galleflusses um 89% zeigte. Auch hier kann der Verlust der Permeabilitätseigenschaften der Zellmembran als Erklärung herangezogen werden, die auch eine Schädigung der Na+/K+-ATPase mit sich bringt. Ein Anstieg von Albumin (21%9 und Proteinen (25%) muss hier ebenfalls erwähnt und auf gleiche Ursachen zurückgeführt werden. Die deutliche Zunahme des Lebergewichtes (24%) wird durch ein interstitielles Ödem und eine passive Stauung verursacht. Dadurch kam es auch zu einem Anstieg des arteriellen Druckes um 16%. Diclofenac wurde mit einer Konzentration von 2,36 x 10-4 mol in der 60. Minute appliziert und führte im Versuchsverlauf zu folgenden Veränderungen bei den ausgewählten Laborparametern: Die durch Diclofenac verursachten Hauptveränderungen beziehen sich auf eine Veränderung des Säure-Basen-Gleichgewichtes. Es kam zu einem deutlichen Anstieg von Laktat (41%) aufgrund der Hemmung der Glukoneogenese und einer Steigerung von Glykogenolyse und Glykolyse. Bedingt durch die Laktatazidose kam es zu einem Abfall des pH (5%), des Bikarbonats (33%) und Base Excess (70%). Die Veränderungen im Stoffwechsel zeigten sich auch in einem Absinken des Sauerstoffpartialdruckes (32%) und einem Anstieg des Glukosegehaltes im arteriellen Blut (14%) aufgrund gesteigerter Glykolyse. Zusammenfassend führte Polidocanol zu einer verminderten Vitalität und Funktion des Organs. So kam es unter Polidocanol-Gabe zu einem deutlichen Anstieg von AST und ALT, sowie zu einem deutlichen Abfall des Erythrozytengehalts, Hämatokrits und der Galleproduktion. Diclofenac dagegen beeinflusste wesentliche Stoffwechselwege der Zelle, wie zum Beispiel die Atmungskette oder die oxidative Phosphorylierung. Es kam hier im wesentlichen zu Veränderungen im Säure-Basen-Haushalt: Laktat stieg stark an, pH, Bikarbonatgehalt und der Base Excess fielen deutlich ab. Zusätzlich nahm der Gesamtproteingehalt deutlich zu. Die Vergleichbarkeit mit früher publizierten Studien wurde in der Diskussion aufgezeigt. Zusammenfassend ist eine Prüfung von Arzneimitteln mit dem vorliegenden Aufbau sehr gut möglich. Letztlich bietet das Modell aufgrund seines möglichen Einsatzes als Alternative zum Tierversuch eine bedeutende zukünftige Option in der Kurzzeitarzneimittelprüfung. Es kann damit zu einer wesentlichen Reduktion von Tierversuchen im Sinne des ?Replacement? des 3R Konzepts nach Russel und Burch beitragen (RUSSEL und BURCH, 1959).