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Mit dieser Arbeit konnte erstmals gezeigt werden, dass die Behandlung mit Magnetfeldern die Zellproliferation im Gyrus dentatus verändert. Rennmäuse (Meriones unguiculatus) wurden über 15 Tage täglich 30 Minuten einem niederfrequent modulierten Hochfrequenzfeld (35,53 kHz) ausgesetzt. Geprüft wurde die Neurogeneserate bei Tieren aus Käfigaufzucht bei der Generatoreinstellung von 1, 8, 12, 29 und 50 Hz, sowie bei Gehegetieren bei Einstellungen von 1 und 12 Hz.
Die Behandlung mit 1, 29 und 50 Hz führt allein bei den Rennmäusen aus restriktiver Aufzucht zu einer signifikanten Absenkung der Zellproliferationsrate. Die Exposition dieser Tiere mit 1 Hz resultiert in einer Absenkung der Neurogenesrate um 17,3 %, die Behandlung mit 29 Hz führt zu einer Reduktion um 16,1 % und schließlich bewirken 50 Hz eine Absenkung um 29,3 %.
Mäuse aus den letzten beiden Gruppen werden während der Exposition und weitere 30 Minuten danach auf mögliche Verhaltensänderungen hin beobachtet. Bei den mit 50 Hz behandelten Rennmäusen treten deutliche Änderungen der Bewegungsaktivität im MF auf. Während der Exposition zeigen die mit 50 Hz behandelten Versuchstiere nur geringgradig weniger Scharren an der Wand des Käfigs (-2,8 %). Hingegen wühlen die MF-Tiere 258,9 % mehr, ihre Laufaktivität ist um 14,4 % herabgesetzt und sie sitzen 61,4 % weniger als die Kontrolltiere. Im Magnetfeld schlafen die Versuchstiere nicht. In den 30 Minuten Beobachtungszeit nach der Behandlung scharren die MF-behandelten Tiere mehr als die Kontrolltiere (+23.6 %), wühlen weniger (-62,1 %), laufen mehr (+18,7 %), sitzen weniger (-22,6 %) und schlafen mehr (+186,9 %).
Die 29 Hz-Versuchstiergruppe scharren im MF mehr (+13,2 %) und wühlen häufiger (+36,8 %) als die Kontrolltiere. Dagegen ist ihre Laufaktivität um 13,1 % herabgesetzt. Auch sitzen die MF-behandelten Tiere weniger als die Kontrollen (-14,6 %). Die Versuchstiere der 29 Hz-Gruppe schlafen 136,4 % mehr als die Kontrolltiere. Auch nach der Exposition scharren die MF-Tiere mehr (+27,7 %) als die Kontrollen. Dagegen sinkt die Häufigkeit zu Wühlen unter das Niveau der Kontrollgruppe und zwar um 65 %. Die mit 29 Hz behandelten Tiere laufen weniger (-26,3 %), sitzen (+5,9 %) und schlafen (+717,4 %) mehr.
Die MF-Exposition der Mäuse aus restriktiver Aufzucht mit 8 und 12 Hz hat keinen signifikanten Effekt auf die hippokampale Neurogeneserate. Ebenfalls ohne Einfluss auf die hippokampale Zellproliferation bleibt die MF-Behandlung der Rennmäuse aus semi-natürlicher Aufzucht, bei denen weder die Behandlung mit 1, noch mit 12 Hz zu einer Veränderung der Neurogenesrate führt.
Die Hippokampusforschung entdeckt zunehmend Faktoren, die an der Regulation der Neurogenese im Dentatus beteiligt sind. Solche Regulationsmechanismen, für die ebenfalls eine Magnetfeldsensibilität gezeigt werden konnte, stehen im Zentrum des Erklärungsmodells der Ergebnisse dieser Arbeit. Magnetfelder können die Neurogeneserate im Dentatus durch Aktivitätsänderungen von Neurotransmittern und Hormonen beeinflussen. Der initiale Angriffspunkt von MF auf den Organismus ist bis jetzt noch nicht bekannt. Auch für die Ergebnisse dieser Studie bleibt im Unklaren, welche Hirnstrukturen die erkannte Perzeption der MF wirklich ermöglichen sollten. Naheliegend sind folgende interpretative Vorstellungen: Neben magnetischen Materialien, die kürzlich im Gehirn von Säugern und des Menschen gefunden wurden, sollte der retino-hypothalamo-epiphysären Achse eine bedeutenden Rolle zukommen. Über die Aktivität von Melatonin ist eine weitreichende Beeinflussung von Neurotransmittern, insbesondere Dopamin möglich. Dopamin wiederum ist ein Transmitter, der regulatorischen Einfluss auf die Neurogenese im hippokampalen Dentatus nimmt. Eine mögliche Interpretation zu finden, durch die sich die magnetfeldinduzierte Beeinflussung der Zellproliferation im Dentatus erklärt, bringt Dopamin und seine hemmende Kontrolle auf die Neurogenese in den Mittelpunkt der Diskussion. Unter Einbeziehung von interagierenden Regulationsmechanismen und beobachteter Verhaltensänderungen von Versuchstieren wird deutlich, welchen tiefgreifenden Einfluss Magnetfelder auf das Gehirn und damit auf seine Leistungsfähigkeit haben können.