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In den letzten Jahrzehnten ist deutlich geworden, dass Krankheiten eine große Bedrohung für wildlebende Menschenaffen darstellen. Obwohl zahlreiche Berichte das häufige Auftreten respiratorischer Erkrankungen belegen, fehlen systematische Untersuchungen solcher Krankheiten in der Wildbahn weitgehend, so dass deren Ursachen und Epidemiologie größtenteils unbekannt sind. Auch unter den wildlebenden Schimpansen des Taï-Nationalparks an der Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) wurden im Zeitraum von 1999 bis 2006 sechs schwere Epidemien akuter respiratorischer Erkrankungen beobachtet, denen insgesamt mindestens 21 Tiere zum Opfer fielen. In der vorliegenden Arbeit werden diese Krankheitsausbrüche unter veterinärmedizinischen, epidemiologischen und molekularbiologischen Gesichtspunkten zusammenfassend dargestellt. Während eines einjährigen Feldaufenthaltes im Studiengebiet (März 2005 bis März 2006) wurden klinische und epidemiologische Daten zu auftretenden Krankheitsausbrüchen aufgenommen, Kot- und Urinproben gesammelt und Sektionen an verstorbenen Schimpansen durchgeführt. Im Anschluss an die Feldarbeit erfolgten eigene histopathologische Untersuchungen sämtlicher während der sechs Epidemien gewonnener Organproben sowie molekulargenetische und mikrobiologische Untersuchungen von humanen Rachenabstrichen, um der Frage einer möglichen Übertragung von Erregern respiratorischer Erkrankungen vom Menschen auf die Schimpansen nachzugehen. Die von den Schimpansen gewonnen Gewebeproben wurden durch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts molekularbiologisch ausgewertet. Die bei den Krankheitsausbrüchen beobachteten klinischen Symptome reichten von leichtem Husten und serösem Nasenausfluss bis hin zu schweren Dyspnoen mit hochgradiger Störung des Allgemeinbefindens in Form von Apathie und Anorexie. Die Epidemien waren durch eine hohe Morbidität von 64% bis 100% gekennzeichnet und wiesen eine Mortalität von 0% bis 19% auf. Die in sieben Fällen durchgeführten pathologisch-anatomischen sowie histologischen Untersuchungen ergaben eine hochgradige akute Bronchopneumonie als Todesursache. Durch molekulargenetische Analysen konnte bei allen untersuchten Schimpansen Streptococcus pneumoniae nachgewiesen werden. Des weiteren fanden sich bei einzelnen Tieren Pasteurella multocida und Haemophilus influenza sowie Respiratorisches Syncytialvirus und Humanes Metapneumovirus. Insgesamt lag in acht der neun untersuchten Todesfälle eine Mischinfektion mit mehreren Erregern vor. Die Untersuchung der Rachenabstriche von Mitarbeitern des Projektes auf respiratorische Krankheiterreger ergab keine Hinweise auf eine direkte Erregerübertragung vom Menschen auf die Schimpansen. Zusammenfassend lässt sich als Ursache der bei den Taï-Schimpansen aufgetretenen respiratorischen Epidemien eine polymikrobiell bedingte, akute, hochkontagiöse Infektionskrankheit des Atemtraktes feststellen, die bei einigen der erkrankten Tiere zu einer tödlich verlaufenden Bronchopneumonie führte. Die molekulargenetischen und epidemiologischen Untersuchungen lieferten Hinweise darauf, dass Streptococcus pneumoniae direkt von Tier zu Tier übertragen wird und in der Schimpansenpopulation endemisch ist. Die mögliche Rolle von krankheitsbegünstigenden Faktoren sowie das Risiko einer Transpeziesübertragung werden diskutiert.