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Zur Verwendung von Mausmodellen in der biomedizinischen Forschung ist die Erfassung
von umfangreichen Basiskenntnissen über die Inzucht-Mausstämme notwendig. In Infektionsversuchen konnte festgestellt werden, dass der genetische Hintergrund Ursache für die unterschiedlichen Reaktionen der Mausstämme war. Dies ließ vermuten, dass auch auf histologischer Ebene Unterschiede in der Art und Ausprägung der Immunantwort zwischen den
Mausstämmen existieren. Ziel der vorliegenden Studie war einerseits eine Vervollständigung der Basisdaten, andererseits sollte der histologische Nachweis qualitativer und quantitativer Unterschiede von Inzucht-Mausstämmen unter Infektionsbedingungen erfolgen. Weiterhin sollte eine Reihung der beurteilten Mausstämme in Bezug auf ihre Resistenz gegenüber Y. enterocolitica erstellt werden. Erstmals konnte im Zuge der Untersuchungen eine differenzierte Betrachtung von Resistenz und Immunität erfolgen. In der vorliegenden Studie wurden die vier ingezüchteten Wildtyp-Mausstämme (C57BL/6OlaHsd, BALB/cOlaHsd, C3H/HeNHsd und 129P2/OlaHsd) mit einem wenig pathogenen Stamm von Y. enterocolitica oral infiziert. Drei und neun Tage p.i. wurde eine umfassende, histopathomorphologische Untersuchung des aboralen Drittels des Dünndarmes durchgeführt. Im Mittelpunkt stand die Feststellung der Yersinienkoloniezahl und -lokalisation sowie der unterschiedlichen Fähigkeit der Mausstämme, eine effektive Entzündungsreaktion mit Defektheilung auszubilden. Dazu wurde der unterschiedliche Charakter der Gewebeschädigungen sowie der entzündlichen Reaktionen beurteilt. Yersinienkolonien sowie die mit der Infektion assoziierten Gewebeveränderungen konnten sowohl bei allen untersuchten Mausstämmen in den PP als auch in der Schleimhaut nachgewiesen werden. Es waren qualitative und quantitative Unterschiede der Immunantwort, der Kolonieverteilungen und der Verläufe der Koloniezahlen bei den verschiedenen Inzucht- Mausstämmen zu beobachten. Erstmals war bei den untersuchten Mausstämmen histopathologisch ein unterschiedlicher Charakter der entzündlichen Veränderungen nachweisbar. C57BL/6OlaHsd wurde in der vorliegenden Studie wegen der zu Beginn relativ hohen Koloniezahlen als intermediär suszeptibel und als Stamm mit der effektivsten Immunität eingestuft. Die Bakterien wurden im Verlauf der Infektion anhand einer starken Immunantwort erfolgreich reduziert. Bereits früh waren Makrophagen nachweisbar, und eine Defektheilung war durch Granulationsgewebe sowie perivaskuläre Plasmazellinfiltrate im histologischen Bild zu erkennen.
Der Stamm BALB/cOlaHsd besaß eine hohe Resistenz und die in dieser Studie schwächste
Immunität. Drei Tage p.i. traten zwar relativ geringe Koloniezahlen auf, jedoch setzte keine „Reifung“ der Immunantwort ein. Die Zahl der Bakterienkolonien und der veränderten PP
nahm sogar im Verlauf der Infektion zu. Zu beiden Untersuchungszeitpunkten waren ähnliche,
akute, eitrige Veränderungen des Gewebes zu beobachten. Eine Organisation der Alterationen war kaum und eine signifikante Zunahme der Plasmazellinfiltration in die PP war nicht vorhanden. Die Tiere dieses Stammes waren damit nicht in der Lage, die Infektion zu begrenzen.
Der Mausstamm C3H/HeNHsd wurde als empfänglichster Stamm mit intermediärer
Immunität eingestuft. Zu Beginn der Infektion hatte bei diesem Stamm die stärkste
Immunantwort eher destruktive Folgen. Makrophagen und Granulationsgewebe waren drei
Tage p.i. kaum zu beobachten. Die Bakterien infizierten gleichermaßen PP und die
Schleimhaut. Trotz einsetzender, verzögerter Organisation der Defekte, Infiltration der PP mit Plasmazellen und Reduzierung der Bakterienkolonien traten neun Tage p.i. immer noch
relativ hohe Koloniezahlen auf. Die 129P2/OlaHsd-Tiere konnten aufgrund Ihrer geringen Koloniezahlen drei Tage p.i. als resistent eingeordnet werden. Bei dem Stamm 129P2/OlaHsd waren nur relativ wenige PP von Veränderungen und der Kolonisation mit Yersinienkolonien betroffen. Die Einzeltiere zeigten eine sehr unterschiedlich erfolgreiche Immunantwort, weshalb die Immunität dieses Stammes als intermediär eingestuft wurde. Der eine Teil der Tiere ähnelte in seinem histologischen Bild dem der C57BL/6OlaHsd-Tiere, der andere Teil glich BALB/cOlaHsd. Verschiedene Faktoren werden in der vorliegenden Arbeit für die abweichende Resistenz und Immunität der Inzucht-Mausstämme verantwortlich gemacht. Eine unterschiedlich schnelle Ausbildung der TH1-Immunantwort mit der damit verbundenen, abweichenden Bildung von TH1-Cytokinen kann auch in dieser Arbeit die unterschiedlichen, histopathologisch nachweisbaren Reaktionen erklären. Besonders die Spiegel von IFN-γ und TNF-α und die Vermittlung ihrer biologischen Aktivität sind von großer Bedeutung für die Effektivität der Immunantwort.
Eine unterschiedliche Anzahl der für die Yersinieninfektion essentiellen Makrophagen
bzw. deren abweichende Aktivierung oder Funktionalität führen ebenfalls zu einer
verminderten Bakterienreduktion. Die frühe Aktivierung der T-Lymphozyten zur Auslösung
der TH1-Antwort spielt dabei eine entscheidende Rolle und ist in den verschiedenen Mausstämmen unterschiedlich ausgeprägt. Die unterschiedliche Bildung der CD4+ und CD8+ TZellen und Plasmazellen sowie jeweils deren Einwandern in die PP als auch die verschiedene
Fähigkeit der Organisation des alterierten Gewebes tragen zur abweichenden Immunität bei.
Weiterhin können unterschiedliche Expressionen und Beantwortungen von Chemokinen,
Chemokinrezeptoren, Integrinen und Adhäsionsmolekülen bei den verschiedenen Inzucht-
Mausstämmen für den abweichenden Influx der Immunzellen verantwortlich sein. Ebenfalls
ist denkbar, dass die bakteriellen Pathogenitätsfaktoren (z.B. LcrV, rovA, Yops, etc.) in den verschiedenen Mausstämmen in unterschiedlicher Effektivität Angriffspunkte finden, um die Immunantwort zu modulieren und damit die Invasion und ihr Überleben im Wirt zu sichern.
In der vorliegenden Arbeit konnte ein Beitrag zur Vervollständigung der Basisdaten von
Inzucht-Mausstämmen unter Infektionsbedingungen geleistet und aufgezeigt werden, dass
zwischen ihnen auf histologischer Ebene sowohl qualitative als auch quantitative Unterschiede bestanden. Mithilfe dieser Ergebnisse war es anschließend möglich, eine
differenzierte Reihung der Mausstämme bezüglich ihrer abweichenden Resistenz und
Immunität aufzustellen.