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Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist die häufigste psychiatrische medikamentös behandelte Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen. Seit über 50 Jahren werden Psychostimulantien wie Dexamphetamin und Methylphenidat zur Therapie der ADHS eingesetzt. Der in Deutschland 2005 eingeführte selektive Noradrenalin-wiederaufnahmehemmer Atomoxetin erweitert die Möglichkeiten der medikamentösen Therapie. Das Verschreibungsvolumen beider Substanzen steigt stetig. Langfristige Auswirkungen besonders im Falle der möglicherweise beträchtlichen Anzahl von falsch-positiven Diagnosen sind nur unzulänglich untersucht. Das Ziel des Forschungsvorhabens war es, Verhaltensänderungen von erwachsenen Ratten, die im Jungtieralter für 14 Tage oral mit Methylphenidat oder Atomoxetin behandelt wurden, zu erfassen. Es wurden neben dem Angst-, Habituations- und Lernverhalten, auch die physische Entwicklung, das Fressverhalten, motorische Eigenschaften und Veränderungen zentraler Neurotransmissionsmechanismen untersucht.
Die männlichen mit Methylphenidat behandelten Ratten zeigen im höheren Alter eine erhöhte Ängstlichkeit und eine verminderte Habituation. Bei den weiblichen Tieren lässt sich nur eine leichte Erhöhung in der Aktivität nachweisen.
Atomoxetin hat offensichtliche Effekte auf das Körpergewicht der weiblichen Tiere. In der 10 mg/kg Dosierung zeigen sowohl weibliche wie auch männliche Tiere eine erhöhte Ängstlichkeit und vermehrte Habituation. Bei den weiblichen Tieren kommt es zu gravierenden motorischen Ausfällen. In der 30 mg/kg Dosierung kommt es bei beiden Geschlechtern zu einer verminderten Habituation.
Bei der Ausprägung der Auswirkungen einer chronischen Behandlung mit Atomoxetin und Methylphenidat in der Periadoleszenz spielen das Geschlecht, die Länge der „wash out“-Periode und der gewählte Verhaltenstest eine maßgebliche Rolle.
Es konnten auch Veränderungen in der Konzentration der Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Serotonin in verschiedenen Gehirnregionen ausgemacht werden.
Unsere tierexperimentellen Ergebnisse zeigen zweifelsfrei, dass es nach einer chronischen Gabe von Methylphenidat oder Atomoxetin in der Periadoleszenz zu andauernden Veränderungen im Verhalten und auf Neurotransmitterebene kommen kann. Es ist nicht an uns zu entscheiden, ob diese Auswirkungen übertragen auf den Menschen schlimmere Konsequenzen haben als eine nicht behandelte ADHS. Nach wie vor sollte es aber das Mindeste sein, die Diagnose einer ADHS nicht leichtsinnig zu stellen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass zumindest keine gesunden Kinder fälschlicherweise behandelt werden.