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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Funktionen des postsynaptischen Serotonin 1A -Rezeptors:
    Wirkungen von Antidepressiva (2009)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Rothe, Julia (WE 14)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2009 — 120 Seiten
    ISBN: 978-3-86664-574-5
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/8424
    Kontakt
    Institut für Pharmakologie und Toxikologie

    Koserstr. 20
    14195 Berlin
    +49 30 838 53221
    pharmakologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Depression ist die häufigste psychische Erkrankung des Menschen. Die Zahl der Betroffenen nimmt seit Jahren stetig zu und damit die Notwendigkeit, bestehende Therapien zu verbessern und neue zu entwickeln. Seit über fünfzig Jahren steht das serotonerge Transmissionssystem im Interessensfokus der neuropharmakologischen Forschung zur Aufklärung der genauen Ätiopathogenese der Depression. Anfangs wurde in Neurotransmitterimbalancen die Ursache für die Entstehung einer Depression gesehen. Neuere Befunde vor allem aus PET-Studien zeigen Veränderungen in Serotoninrezeptordichten und -bindungskapazitäten in Gehirnarealen, die mit der Krankheit Depression in Verbindung gebracht werden. Besondere Aufmerksamkeit wird dem 5-HT1A-Rezeptor gewidmet. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er in zwei Lokalisationen exprimiert wird: als präsynaptischer somatodendritischer Autorezeptor in der Raphe und als postsynaptischer Heterorezeptor in den Projektionsgebieten serotonerger Neurone wie Cortex und Hippocampus.
    An unserem Institut existiert erstmalig eine Mauslinie, die den 5-HT1A-Rezeptor postsynaptisch im Cortex und Hippocampus überexprimiert.
    Ziel dieser Arbeit war, die Rolle des postsynaptischen 5-HT1A-Rezeptors im depressionsähnlichen Verhalten dieser Mäuse nach der Behandlung mit Antidepressiva, die unterschiedlich am serotonergen und noradrenergen Transmissionssystem angreifen, in zwei Verhaltenstests (Porsolt-Schwimmtest und Open-field Test) zu untersuchen. Zusätzlich wurden die Tiere in einem Tiermodell der Depression (Sucrose-preference Test) getestet. Das Verhalten der transgenen Tiere wurde mit dem von Wildtyptieren verglichen. Um eine von Bert et al. (2006) postulierte Stressresistenz der transgenen Tiere zu überprüfen, wurde die Reaktion der Mäuse auf definierte Stressreize mittels Radiotelemetrie gemessen und aufgezeichnet. In einer geschlechtervergleichenden Rezeptorautoradiographie wurde mit [3H]8-OH-DPAT das Verteilungsmuster des 5-HT1A-Rezeptors von transgenen und Wildtyptieren untersucht.
    Im Porsolt-Schwimmtest, einem Test zur Beurteilung der antidepressiven Potenz eines Pharmakons verhielten sich die transgenen Mäuse ohne Substanzapplikation so, als wären sie mit einem Antidepressivum behandelt worden. Dies wurde im Sucrose-preference Test, einem Modell, welches das Freudverhalten der Tiere (Hedonie) untersucht, bestätigt. Sie zeigten nach einer chronischen, milden Stressperiode ein gleichbleibendes Maß an Hedonie und bestätigten den „antidepressiven“ Phänotyp aus dem Porsolt-Schwimmtest.
    Der Vergleich der Immobilitätszeiten des vollen (8-OH-DPAT) und des partiellen 5-HT1A-Rezeptoragonisten (Buspiron) scheint die Hypothese, nach der die Überexpression zu einer postsynaptischen Rezeptorreserve geführt hat, zu bestätigen. Auf Grund der Auswirkungen beider Substanzen auf die motorische Aktivität der Tiere konnte dies jedoch nicht mit Sicherheit festgestellt werden.
    Die Behandlung mit Citalopram, einem Selektiven Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRI), hat bei beiden Genotypen und Geschlechtern eine Abnahme der Immobilitätszeit bedingt. Der besonders ausgeprägte Effekt bei den transgenen Tieren unterstreicht die Rolle des postsynaptischen 5-HT1A-Rezeptors im Wirkungsmechanismus dieses SSRI.
    Die Effekte von Reboxetin, einem Selektiven Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer (SNRI), auf das Schwimmverhalten der transgenen Mäuse waren überraschend. Die Behandlung mit Reboxetin veränderte die Immobilitätszeit der transgenen Tiere nicht. Dieses Ergebnis belegt die Schwierigkeit nur ein Transmissionssystem isoliert zu untersuchen. Der Eingriff in das physiologische Gleichgewicht durch die Überexpression hat bei den transgenen Tieren zu einem erhöhten Noradrenalinspiegel im Hypothalamus geführt. Dieser hat möglicherweise Auswirkungen auf die Rezeptorsensibilitäten des noradrenergen Systems, was so die fehlende Wirkung von Reboxetin bei den transgenen Tieren im Porsolt-Schwimmtest erklären könnte.
    Die Ergebnisse zum depressionsähnlichen Verhalten nach der Behandlung mit Tianeptin, einem atypischen Antidepressivum, das die Wiederaufnahme von Serotonin beschleunigt (SSRE), sind dahingehend zu interpretieren, dass die akute Wirkung von Tianeptin, die eine Abnahme der Immobilitätszeit zur Folge hat, durch den postsynaptischen 5-HT1A-Rezeptor vermittelt wird, die Überexpression diese Wirkung aber nicht begünstigt.
    Aus den Ergebnissen der Radiotelemetrieversuche lässt sich die postulierte Stressresistenz ableiten. Die transgenen Tiere zeigen im Gegensatz zu den Wildtyptieren nach der ersten NaCl-Injektion keinen Anstieg der Körpertemperatur. Dieses Ergebnis sollte, beispielsweise durch Corticosteronbestimmung, verifiziert werden.
    Die Bilder der Rezeptorautoradiographie zeigen eine ausgeprägte Überexpression des 5-HT1A-Rezeptors bei den transgenen Tieren in den untersuchten Regionen des Cortex und Hippocampus. Die Expression des 5-HT1A-Rezeptors war bei den weiblichen Tieren beider Genotypen höher als bei den männlichen. Hierin ist wahrscheinlich die neurobiologische Grundlage für Geschlechterdifferenzen im depressionsähnlichen Verhaltender Maus zu suchen.