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Adipositas als komplexes Krankheitsbild betrifft alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen. Es wird geschätzt, dass allein in Deutschland 17 % der Männer und 20 % der Frauen unter Fettleibigkeit (BMI > 30) und deren Begleiterscheinungen wie kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen, Fettstoffwechselstörungen, Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie und schwerwiegenden Schäden am Stütz- und Bewegungsapparat leiden. Genetische Tiermodelle sind geeignet, Hypothesen zur Entstehung der Adipositas beim Menschen zu überprüfen, da sie die Rolle einzelner Neurotransmitter und Hormone wie Leptin aufklären können.
Um der bedeutenden Rolle der Umwelt bei der Entwicklung von Übergewicht Rechnung zu tragen, war das Ziel dieser Studie, ein Modell zum Einsatz zu bringen, das nicht auf einem Gendefekt sondern auf einer Manipulation der Diät beruht. Da Alters- und Geschlechtsunterschiede häufig heterogene Ergebnisse bei identisch durchgeführten Untersuchungen bewirken, liegt eine Besonderheit dieser Arbeit im Einschluss systematischer Untersuchungen der Faktoren Alter und Geschlecht innerhalb einer Studie. Die zunehmende Verbreitung der Fettleibigkeit unter pubertierenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowie die vorherrschende Prävalenz für Adipositas bei Menschen mittleren Alters (50 – 69 Jahre), ließ den Schwerpunkt dieser Studie auf die Untersuchung männlicher und weiblicher jung adulter (sechs Wochen) und adulter Ratten (zwölf Monate) fallen. Anhand dieses multifaktoriellen Versuchsmodells wurde der Einfluss einer Cafeteria-Diät (CD), die aus hochkalorischen, schmackhaften Lebensmitteln bestand, auf das Verhalten und metabolische Parameter bei Sprague-Dawley (SD) Ratten untersucht.
Nach vierwöchiger Verabreichung der CD zusätzlich zu den Standardpellets wurden alle Versuchstiere in Hinblick auf ihr Angst- und Explorationsverhalten sowie ihre Lern- und Gedächtnisleistungen im Elevated Plus Maze-Test (EPM), Open Field-Test (OF), Novel Object Discrimination-Test (NOD) sowie in einem Habituationstest untersucht. Des Weiteren fanden Analysen zur Behavioural Satiety Sequence (BSS) statt. Energiezufuhr sowie Gewichtszunahme wurden täglich dokumentiert. Am Ende der Versuche erfolgte die Durchführung eines oralen Glukose Toleranz-Tests. Abschließend wurden Blutproben zur Analyse der Blutfettwerte entnommen und das Fettgewebe präpariert.
Trotz ihrer erhöhten Energiezufuhr waren die jung adulten Ratten in der Lage, der Entwicklung einer Adipositas durch Kompensationsmechanismen entgegenzuwirken, während die adulten Ratten eine signifikant erhöhte Körpermasse aufwiesen. In allen CD-Gruppen war die viszerale Fettmasse signifikant erhöht und die Glukosetoleranz beeinträchtigt. Die Plasmawerte der Triglyceride und freien Fettsäuren waren bei den adulten CD-Ratten in stärkerem Maße erhöht als bei den jung adulten CD-Tieren. In den Verhaltenstests zeigten die männlichen CD-Ratten vermehrte Anzeichen von Angst, während die CD-Weibchen im Vergleich zu den Kontrollen ein reduziertes angstassoziiertes Verhalten aufwiesen. Dieser Geschlechtsdimorphismus war bei den adulten Tieren ausgeprägter als bei den jung adulten. Während die Lernleistungen im NOD-Test bei allen CD-Ratten höher als bei den Kontrollen lagen, waren im Habituationstest keine signifikanten Unterschiede feststellbar. Bei der Untersuchung der BSS zeigten die adulten, männlichen CD-Ratten ein verfrühtes Einsetzen des Ruheverhaltens, was zu einem vorgezogenen Übergangspunkt vom Nahrungsaufnahmeverhalten zum Ruhen führte.
Die Ergebnisse lassen einen deutlichen Effekt des Alters und des Geschlechts auf die Entwicklung der Körpermasse und die mit ihr verbundenen Begleiterscheinungen erkennen. Die diätinduzierten physiologischen Veränderungen gingen mit einem breiten Spektrum an Verhaltensänderungen einher. Durch die Integration der Faktoren Alter und Geschlecht und die Unterschiede in den erlangten Ergebnissen bezüglich der Körpermasseentwicklung, der metabolischen Parameter sowie der Verhaltensänderungen wird deutlich, dass anknüpfende Arbeiten das komplette vierteilige Versuchsmodell einschließen müssen, da es sonst zur Erlangung von Teilinformationen kommt, die zu irrtümlichen Schlussfolgerungen führen können. Zusammenfassend leistet die vorliegende Arbeit einen bedeutenden Beitrag zur Charakterisierung eines Rattenmodells mit diätinduzierten metabolischen Veränderungen und liefert wichtige Erkenntnisse über die Rolle von Alter und Geschlecht bei der Beeinflussung verschiedener Verhaltensprozesse durch eine hochkalorische Ernährung.