Königsweg 69
14163 Berlin
+49 30 838 62551 / 52790
lebensmittelhygiene@vetmed.fu-berlin.de / fleischhygiene@vetmed.fu-berlin.de
Hackfleisch ist aufgrund seiner großen Oberfläche besonderen mikrobiologischen Belastungen ausgesetzt. Verderbniserreger und pathogene Keime können durch Kontakt mit Gerätschaften und Personal übertragen werden. Unter "Psychrotrophen" werden solche Mikroorganismen verstanden, die sich unterhalb von 5°C noch vermehren können. Quantitative Angaben zur Verteilung einzelner Keimgruppen und Spezies in der Hackfleischmikroflora gibt es kaum, da die Identifizierung der breit gefächerten psychrotrophen Mikroflora einen hohen labortechnischen Aufwand erfordert. Handelsübliche klinische Testbestecke zur Identifizierung der Isolate sind für die im Lebensmittelbereich relevanten Spezies oft nicht hilfreich.
Ziel dieser Arbeit war es, eine Gesamtanalyse der psychrotrophen Hack-fleisch-mikro-flora in vier verschiedenen handelsüblichen Hackfleischsorten, nämlich Rinder-ge-hacktem (RG), Schabefleisch (SF), Schweinegehacktem (SG) und Gemischtem Hack-fleisch von Rind und Schwein (RS), sowohl qualitativ als auch quantitativ anhand klassischer Kulturverfahren und geeigneter phänotypischer Reaktionen vor-zu-nehmen. Für die Identifizierung der Acinetobacter-Isolate wurde außerdem ein geno-typisches Verfahren hinzugezogen. Dabei sollte beurteilt werden, inwieweit Hack-fleisch eine Bedeutung als Vektor für psychrotrophe Bakterien als Infektionserreger erlangt.
Es wurden 35 Hackfleischchargen aus "industrieller" Produktion, bestehend aus jeweils 5 Teil-proben, nach Anlage 2a der Fleischhygiene-Verordnung vom 29. Juni 2001 analysiert, und zwar: 8 Chargen RG, 10 Chargen SF, 8 Chargen SG und 9 Chargen RS, insgesamt 175 Proben. Diese waren vom Hersteller während der laufenden nächtlichen Produktion gezogen und bis zur Aufarbeitung nach 1 bis 4 Stunden bei 2±2°C gelagert worden. Die Aufarbeitung der Proben erfolgte gemäß L 06.00-16 (Amtliche Sammlung von Untersuchungsverfahren nach § 35 LBMG). Von den für 48 Stunden bei 25±1°C bebrüteten Plate-Count-Agar-Platten wurden gut abgrenzbare, kolonie-morphologisch unterschiedliche Kolonien unter Erfassung ihrer Quantität isoliert. Mindestens 8 bis zu maximal 18 Isolate wurden von einem Chargen-ansatz genommen. Diese Isolate wurden einer Wachstumskontrolle auf ISO-Agar und in ISO-Bouillon bei 4°C±0,5 für 7 bis 10 Tage unterzogen. Die weitere Identi-fizierung erfolgte auf klassischem Weg mit Hilfe geeigneter Testbestecke nach aktueller Literatur. Für die Acinetobacter spp. schloß sich außerdem eine Über-prüfung auf molekular-biolo-gischer Ebene mittels Sequenzanalyse eines partiellen hochvariablen 16S rDNA-Abschnittes im Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg in Verbindung mit dem dort entwickelten computergestützten System an (RIDOM: Ribosomal Differentiation of Medical Microorganisms).
Von 419 Hackfleischisolaten konnten 404 identifiziert werden. Bei den 17 Acinetobacter-Isolaten war in 14 Fällen eine Identifizierung bis auf Speziesebene möglich. Die psychrotrophen Gesamtkeimzahlen (pGKZ) lagen zwischen 4,24 und 6,47 lg KbE/g mit einem Median von 5,22 lg KbE/g. Wesentliche Unterschiede zwischen den Hackfleischsorten waren nicht zu verzeichnen. Eine Charge von Gemischtem Hackfleisch entsprach nicht den mikrobiologischen Kriterien der Hackfleischrichtlinie. Mehr als 2 Proben der Charge lagen zwischen dem Richtwert von 6,18 lg KbE/g und dem Grenzwert von 6,7 lg KbE/g.
Die Gram-positive Mikroflora dominierte beim Schabefleisch. Bei Rindergehacktem, Schweine-gehacktem und in Gemischtem Hackfleisch waren die Unterschiede zwischen den Gram-positiven und Gram-negativen Mikrofloraanteilen nur gering. Die Gram-positive psychrotrophe Hack-fleisch-mikroflora war im wesentlichen geprägt durch Milchsäurebakterien und Brochothrix thermosphacta mit durchschnittlichen Anteilen an der pGKZ von 21% bis 64% und Keimzahlmittelwerten (xC) von 3,71 bis 4,96 lg KbE/g, die über die Chargen einer Sorte gebildet wurden.
Die Gram-negative Mikroflora in allen vier Hackfleischsorten war wesent-lich durch Pseudomonas spp. bestimmt mit durchschnittlichen Anteilen an der pGKZ von 21,6% bis 43,4% und durchschnittlichen Keim-zahlen (xC) von 4,33 bis 4,79 lg KbE/g. Pseudomonas fragi und Pseudomonas fluorescens dominierten. Psychro-trophe Enterobacteriaceae traten unregelmäßig auf mit Anteilen von 2,3% bis 9,6% an der pGKZ. In Schweinegehacktem lag ihr Anteil bei 15,6% mit xC von 2,99 lg KbE/g. Am häufigsten konnten Serratia liquefaciens-Isolate nachgewiesen werden. Aeromonas hydrophila wurde in einer Charge Schabe-fleisch mit einem Mittelwert von 2,88 lg KbE/g nach-gewiesen. Die Anteile der Acinetobacter-Stämme an der pGKZ betrugen 5,5% bis 17,4% mit xC von 2,81 bis 3,32 lg KbE/g. Das RIDOM-System lieferte für die Acinetobacter-Isolate Ähnlichkeiten von 94,01% bis 99,88% zu den in der Datenbank vorhandenen Referenzstämmen. A. lwoffii war am häufigsten vertreten und erreichte 4,74 lg KbE/g in einer Einzelprobe. A. baumanii und Genospezies 3, welche laut Literatur die bedeutendsten Erreger nosokomialer In-fek-tionen sind, wurden nicht identifiziert.
Die Zusammensetzung der psychrotrophen Hackfleischmikroflora ist demnach auch bei "industrieller" Produktion, d.h. bei der Herstellung in Spezialbetrieben unter optimalen technischen Bedingungen und unter strikter Einhaltung der Kühlkette, vielgestaltig und je nach Hackfleischsorte qualitativ und quantitativ unterschiedlich. Die Gesamtbelastung des Hackfleisches aller vier Sorten mit psychrotrophen Mikro-organismen ist in etwa gleich stark. Die Gram-positive psychrotrophe Hack-fleisch-mikroflora wird wesentlich von dem Verderbnis-erreger Brochothrix thermosphacta sowie von anderen Milch-säure-bakterien bestimmt. Die Gram-negative Flora wird hauptsächlich von Ps. fragi und Ps. fluorescens dominiert. In dieser Hinsicht stellen Hackfleisch-sorten "industrieller" Herstellung in der Regel kein gesundheitliches Risiko dar. Sie kommen offensichtlich auch nicht als Überträger für potentiell pathogene psychrotrophe Infektions-erreger in Betracht. Einzelne Chargen mit be-denk-lich hohen Keimgehalten werden durch die amtlichen mikrobiologischen Prozeß-kontrollen identifiziert.
Eine schnelle Identifizierung der Gram-negativen psychrotrophen Hack-fleisch-mikro-flora gestaltet sich nach wie vor schwierig. Klassische Verfahren sind auf-wendig und nicht in jeden Fall zuverlässig. Mit selektiven Kulturmedien sowie mit Schnell-tests erscheint eine Verbesserung möglich. Die Identifizierung der Acinetobacter spp. aus dem Hackfleisch mit dem RIDOM-System ist nur bedingt sinnvoll, da die bisherigen Referenzstämme überwiegend human-medizinischen Ursprungs sind. Ob weitere mo-lekularbiologische Methoden zur Identifizierung der psychrotrophen Hack-fleisch-mikroflora angezeigt sind, kann noch nicht beantwortet werden. Der Kosten-Nutzen-effekt ist aufgrund dieser Untersuchung nicht belegbar. So wird es bei der Be-ur-teilung des Hack-fleisch-mikro-florastatus vorerst bei Über-prüfungen nach klassischen Verfahren bleiben müssen. Untersuchungen dieses Umfanges können der grund-sätzlichen Bestandsaufnahme dienen, für Routineuntersuchungen sind selektierte Indikatorverfahren, wie in der Hackfleischrichtlinie gefordert, angezeigt.