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Am 2. April 2005 fand in Berlin die erste veterinärmedizinische Tagung zu Tierschutzkompromissen beim rituellen Schlachten statt. Referenten aus Australien, Neuseeland, den USA, den Niederlanden, Schweden, Österreich und Deutschland berichteten über die Möglichkeiten und die Akzeptanz von Tierschutzauflagen beim Schächten in ihren Heimatländern. Eingeladen hatte das Institut für Tierschutz und Tierverhalten zu der von der DVG, der TVT, der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz und der Tierschutzstiftung Vier Pfoten gesponsorten Veranstaltung.
Heute meint „rituelles Schlachten“ (Schächten) keineswegs immer „betäubungsloses Schlachten“; denn global betrachtet akzeptieren immer mehr Muslime die Betäubung vor dem Schlachtschnitt, mit lokalen und tierartspezifischen Unterschieden in Form der Elektro-, Bolzenschuss oder Gasbetäubung. Das so gewonnene Fleisch wird in zahlreichen Ländern als „halal“ zertifiziert. Der in Australien arbeitende Kollege Helmut Pleiter berichtete sogar, dass bei dem weltweit vermarkteten Schaffleisch aus Neuseeland grundsätzlich davon ausgegangen werden dürfe, dass es durch „Schächten“ gewonnen wurde; aber durch ein „Schächten nach vorheriger Elektrobetäubung“, dem neuseeländischen Standardverfahren. Dass die Tiere beim Schlachten nach Mekka ausgerichtet werden, stört die Konsumenten in aller Welt ebenso wenig wie das obligatorische Anrufen Allahs vor dem Schnitt. Temple Grandin berichtete per Live-Schaltung aus den USA über die Erfolge bei den dortigen jüdischen Gemeinden, den in Europa noch üblichen Weinberg-Apparat (zur 180° Drehung von Rindern) durch eine Einrichtung zur stehenden Fixierung zu ersetzen. Einige der dortigen Schlachthöfe betäuben die Tiere zumindest direkt nach dem Schnitt mit einem Bolzenschussgerät. Dieses Verfahren (das post-cut-stunning) ist den jüdischen Gemeinden Österreichs seit Anfang des Jahres zwingend vorgeschrieben, wie der Tierschutzombudsmann der Stadt Wien, Mag. Hermann Gsandtner, berichtete. Allerdings in Österreich in Verbindung mit dem Weinberg-Apparat, was wegen der ungünstigen Schussposition (von unten) mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Frau Prof. Berg von der schwedischen Tierschutzbehörde stellte ein Elektrobetäubungsverfahren vor, welches mit dem Segen israelischer Rabbiner von 1952 bis 1979 in Schweden zur „Shechita“ eingesetzt wurde, und Kreisveterinärdirektor a.D. Volker Wege berichtete über einige von ihm betreute deutsche Schlachthöfe, die unter Kontrolle muslimischer Abnehmer mit Bolzenschussbetäubung in großem Umfang für Binnenmarkt und Export „halal“ schlachten. Frau Lankhaar von der Fa. Stork stellte eine CAS-Gasbetäubungsanlage für die Halal-Schlachtung von Geflügel vor, und Clyde Daly erläuterte die Wirkungen verschiedener Hochfrequenz-Wechselströme auf Muskulatur und Nervensystem, ein Forschungsgebiet, bei dem Neuseeland eine weltführende Position einnimmt. Im zweisprachigen Tagungsband (deutsch/englisch) kommen noch weitere Autoren zu Wort; die Fachbereichsbibliothek hat den Band bereits online gestellt.