zum Inhalt springen

Fachbereich Veterinärmedizin


Service-Navigation

    Publikationsdatenbank

    Wozu Tierethik, wo der gesunde Menschenverstand doch weiß, wie Tiere zu behandeln sind? (2005)

    Art
    Zeitschriftenartikel / wissenschaftlicher Beitrag
    Autor
    Luy, Jörg
    Quelle
    PROVIEH Magazin
    Bandzählung: 2
    Seiten: 7 – 8
    Kontakt
    Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchstierkunde

    Königsweg 67
    14163 Berlin
    +49 30 838 61146
    tierschutz@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Eine der wichtigsten tierethischen Aufgaben besteht darin, Lösungsvorschläge für die zahlreichen Interessenkonflikte zwischen Mensch und Tier zu entwickeln. Dafür ist es hilfreich, die Probleme in ihre „pathozentrischen“ und „anthropozentrischen“ Aspekte zu zerlegen. Die Problemlösung folgt jeweils eigenen Wegen; beispielsweise können anthropozentrische Teilprobleme allein auf dem „Verhandlungswege“ einem Kompromiss zugeführt werden, denn auf beiden Seiten geht es dann ja „nur noch“ um menschliche Interessen. Bei der Tiertötung hat diese Aufteilung dazu geführt, sie einerseits – aus pathozentrischer Erwägung – nur nach vorheriger Betäubung zu erlauben, und andererseits – aus gesellschaftlichen Gründen – vom Vorliegen eines „vernünftigen Grundes“ abhängig zu machen (§ 4 u. § 17 TierSchG). Es führt zu recht verblüffenden Ergebnissen, Tierschutzprobleme solcherart aufzutrennen. Subtrahiert man alle Aspekte, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden verbunden sind, wird man unter anderem feststellen, dass es Tierarten gibt, die man selbst bei gleicher Schutzbedürftigkeit und in vergleichbaren Situationen gegenüber anderen Arten vorzuziehen bereit wäre, im Regelfall Hunde, Katzen und Pferde vor nicht domestizierten Tieren, diese oftmals vor landwirtschaftlich gehaltenen Tieren und jene vor den Kleinnagern der tierexperimentellen Forschung. Das ist zwar menschlich, aber, gleiche Schutzbedürftigkeit vorausgesetzt, aus tierethischer Perspektive nicht „gerecht“. Die ethische Beurteilung des Angelns darf also beispielsweise nicht allein auf den Vorgang an sich fokussieren, sondern muss Art und Weise des Todes in „freier Wildbahn“ ebenso mit ins Kalkül ziehen wie die üblichen Haltungsbedingungen in den Aquakulturen, aus denen der Bedarf andernfalls gedeckt würde. Ebenso sollte die Farmstraußenhaltung im Freiland nicht allein mit dem Leben solcher Tiere in der Savanne verglichen werden, sondern auch mit der übrigen Mastgeflügelhaltung. Solche Vergleiche relativieren häufig die spontane Einschätzung. Der oft zitierte „gesunde Menschenverstand“ und seine Fähigkeit zu spontaner Empörung ist zwar ganz ohne Zweifel eine unverzichtbare Voraussetzung tierethischer Überlegungen; aber – wie die zahlreichen bis heute ungelösten Interessenkonflikte zeigen – auch ein noch ergänzungsbedürftiges Instrument.