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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Leistungsabhängige Gesundheitsstörungen bei Nutztieren:
    die ethische Dimension (2006)

    Art
    Zeitschriftenartikel / wissenschaftlicher Beitrag
    Autor
    Luy, Jörg
    Quelle
    Berliner und Münchener tierärztliche Wochenschrift : BMTW
    Bandzählung: 119
    Heftzählung: 9/10
    Seiten: 373 – 385
    ISSN: 1439-0299
    Kontakt
    Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchstierkunde

    Königsweg 67
    14163 Berlin
    +49 30 838 61146
    tierschutz@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Der Begriff „leistungsabhängige Gesundheitsstörungen“ ist durch Bergmann (1992) definiert worden als katabole Phänomene und krankhafte Prozesse, die mit hoher Nutzleistung verbunden oder von ihr verursacht sind. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Gesundheitsstörungen landwirtschaftlicher Nutztiere in eine kausale Beziehung zu den gesteigerten Leistungen der Tiere gebracht worden. Im Gegensatz zu den klassischen Erbkrankheiten handelt es sich in der Regel bei den leistungsabhängigen Gesundheitsstörungen um anthropogene Krankheitsbilder, deren Ausprägungsgrad von im Regelfall ebenfalls anthropogenen Umweltfaktoren bestimmt wird. Das Züchten und Halten von Tieren mit der Folge leistungsabhängiger Gesundheitsstörungen ist daher ein ethisches Problem und seit 1986 verboten (§ 11b TierSchG). Das Verbot wird allerdings nicht umgesetzt; das zuständige Bundesministerium ist der Auffassung, dies liege an der „sehr kontrovers diskutierten“ Frage, wann „die Grenze zur Qualzucht“ erreicht bzw. überschritten sei. Im Folgenden wird die beinahe zwanzig Jahre andauernde Debatte um das Vollzugsdefizit rekonstruiert. Dabei deuten zahlreiche Indizien darauf hin, dass den Problemen bei der Zuordnung konkreter Tiere zu § 11b TierSchG kein tiermedizinischer Dissens zu Grunde liegt, sondern Schwierigkeiten im Erkennen der eigenen Verantwortlichkeit. Die traditionelle Modellüberlegung der Ethik zum Appell an das Verantwortungsbewusstsein von Laien ist die sog. Goldene Regel („was du nicht willst, das man dir tu’, das füge keinem andern zu“), die jedoch bislang auf den Bereich der Tierzüchtung nicht angewendet wurde. Im Folgenden wird ein Modell zur Bewusstmachung ethischen Fehlverhaltens vorgestellt, das den von der Goldenen Regel geforderten Perspektivenwechsel auch im Bereich der Tierzüchtung ermöglicht, und damit ein Hilfsmittel zum Erkennen der eigenen Verantwortlichkeit darstellen könnte. Bei der Beschäftigung mit Lösungsvorschlägen werden zwei Aspekte differenziert; der chronische Nicht-Vollzug des § 11b TierSchG und die nachhaltige Beseitigung des Problems. Es werden in beiden Bereichen Lösungsvorschläge zur Diskussion gestellt.