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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    Vergleichende Untersuchung von Wesenstests auf ihre Eignung, unterschiedliche Formen aggressiven Verhaltens sowie das Jagdverhalten von Hunden korrekt zu beurteilen (2006)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Gieser, Ulrike
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verl, 2006 — IV, 185 Seiten
    ISBN: 3-86664-149-4
    Verweise
    URL (Volltext): http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000002365
    Kontakt
    Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchstierkunde

    Königsweg 67
    14163 Berlin
    +49 30 838 61146
    tierschutz@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Bund und Länder verschärften in den letzten Jahren die Vorschriften der Hundehal-tung. Die neuen Hundeverordnungen und -gesetze enthalten unter anderem Wesenstests für Hunde, die allein aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit als so genannte “Kampfhunde“ oder “gefährliche Hunde“ und damit pauschal als aggressiv und des-halb gefährlich eingestuft werden. In der vorliegenden Untersuchung wurden neben zwei Wesenstests aus dem Aus-land („Dog mentality assessment“, Schweden; Aggressionstest für Hunde nach Netto und Planta, Niederlande) und den Wesenstests einzelner Bundesländer Deutsch-lands (Rheinland–Pfalz, Nordrhein–Westfalen, Hessen, Saarland, Thüringen, Bay-ern, Sachsen, Brandenburg, Baden–Württemberg und Niedersachsen) auch We-senstests verschiedener Zuchtverbände und Organisationen (Deutscher Retriever Club, Deutscher Klub für belgische Schäferhunde und Kuvacz–Vereinigung Deutsch-land), sowie ein Eignungstest für Besuchshunde in sozialen Einrichtungen (Verein „Leben mit Tieren“, Berlin) auf ihre Eignung, alle Aggressions- und Jagdformen, ins-besondere das gefährliche „Übertragene“ Jagdverhalten des Hundes zu testen, ver-gleichend beurteilt. Hierfür wurde ein Prüfkatalog in Form einer neuen Klassifizierung der verschiedenen Aggressions- und Jagdformen entwickelt, so dass ausnahmslos alle Testsequenzen einer Form zugeteilt werden konnten. Darüber hinaus war es erforderlich, die meis-ten Aggressionsformen neu zu definieren, sowie genaue Definitionen für die drei Jagdformen (Jagdverhalten, Mobbing und „Übertragenes“ Jagdverhalten) zu entwi-ckeln, bzw. diese zu erweitern. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigten, dass es kaum möglich und in einigen Fällen auch nicht sinnvoll oder gar kontraindiziert ist, alle Aggressions- und Jagdver-halten auslösenden Stimuli, zu testen. Auch rassespezifische Besonderheiten finden in keinem Wesenstest Beachtung. Es wird vermutet, dass ein größerer Teil der Zwi-schenfälle mit Hunden im Kontext mit „Übertragenem“ Jagdverhalten steht, wobei es nicht immer einfach ist, Aggressionsverhalten von Jagdverhalten zu unterscheiden. Die untersuchten Wesenstests werden diesem spezifischen Gefahrenpotential nicht gerecht. Somit konnte abschließend festgestellt werden, dass die meisten Wesens-tests nicht hinreichend geeignet sind, die individuelle Gefährlichkeit eines Hundes zu beurteilen. Am geeignetsten erwies sich der „Niedersächsische Wesenstest“, da er neben einer sinnvollen Auswahl der durchzuführenden Testsequenzen folgende wichtigen Be-sonderheiten beinhaltet: Neben der tierärztlichen Untersuchung und dem zusätzli-chen (falls erforderlichen) Testen des Hundes auf dem eigenen Territorium und dem Frustrationstoleranztest nach Schöning (2002), wird dieser Test, zumindest in Nie-dersachsen, ausschließlich von verhaltenstherapeutisch tätigen Tierärzten durchge-führt und abgenommen. Dieser Wesenstest sollte um einen neuen, zu ergänzender Prüfungsteil, der den Gehorsam des Hundes zunächst unter wenig Ablenkung von außen und dann unter steigender Ablenkung durch verschiedene, bereits im Test eingesetzte Stimuli, testet, erweitert werden. Außerdem sollte vor jedem Wesenstest ein gründliches Anamnesegespräch durch einen verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarzt durchgeführt werden. Aufgrund der möglichen Tierschutzrelevanz einiger Testsequenzen von Wesens-tests, die in dieser Arbeit untersucht wurden, und der doch vergleichsweise geringen Prozentzahl an auffällig gewordenen Hunden (nur 0,1 % aller in Berlin im Jahr 2005 gemeldeten Hunde gehörten zu auffällig gewordenen sogenannten „Listenhunden“, für die ein Zuchtverbot besteht: Pitbull, American Staffordshire Terrier und Bullter-rier), muß überdacht werden, ob es wirklich gerechtfertigt ist, alle Vertreter zum Bei-spiel dieser drei oben genannten Rassen einem Wesenstest zu unterziehen. Um langfristig das Gefahrenpotential durch Hunde zu verringern, ist es erforderlich, dass jeder Hundehalter ein fundiertes Basiswissen über Hundeverhalten vermittelt bekommt und im Anschluß daran einen Hundeführerschein ablegt, der jährlich wie-derholt wird. Darüber hinaus ist es aber auch notwendig, Nichthundehalter im richti-gen Umgang mit Hunden zu unterrichten. Dies sollte bundesweit in Schulen und Kin-dergärten durch eigens dafür ausgewählte und geprüfte Besuchshunde nach dem Modell des Berliner Vereines „Leben mit Tieren“ erfolgen.