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In der Zirkumferenz der Klaue wurde der Klauenbeinträger mittels lichtmikroskopischer und elektronenoptischer Methoden an insgesamt 158 Klauen untersucht, unter Einbeziehung hi-stochemischer und morphometrischer Techniken. Der Klauenbeinträger hängt das Klauenbein in der Klauenkapsel auf und besteht aus einem bindegewebigen und epidermalen Teil, die über eine dermoepidermale Grenzfläche miteinander verbunden sind. Der Klauenbeinträger inseriert über eine chondroapophysäre Insertionszone an der Wandfläche des Klauenbeines. Diese vierzonale Insertionszone gehört zum bindegewebigen, vornehmlich dermalen Teil des Klauenbeinträgers und gliedert sich in die Zone des lamellären Knochens, die Zone des verkalkten und unverkalkten Faserknorpels und in die Zone des parallelfaserigen straffen Bindegewebes. Die letztgenannte Zone besteht maßgeblich aus Kollagenfasern vom Typ I, elastischen und retikulären Fasern und wird von Zonen des zell- und gefäßreichen lockeren Bindegewebes flankiert. Die Zonen des parallelfaserigen straffen Bindegewebes fungieren als Träger und Verankerungselement des Klauenbeines und leiten die Zugkräfte an den epidermalen Teil des Klauenbeinträgers weiter. Die Zonen des zell- und gefäßreichen lockeren Bindegewebes stellen ebenfalls einen modifizierten Teil der Dermis dar und sorgen für die Ernährung des Klauenbeinträgers und der avaskulären Epidermis. Zusätzlich sorgen sie durch die Übermittlung von Botenstoffen für eine enge dermoepidermale Koordination. Die Zugkraft der in unterschiedlicher Winkelung vom Klauenbein ausgehenden Kollagenfaserbündel wird indirekt über eine Basalmembran zum Verbindungshorn der epidermalen Blättchen und von diesen zur Schutzschicht der Hornkapsel fortgesetzt. Die mechanische Beanspruchung wird an der dermoepidermalen Grenzfläche durch die Ausbildung von insgesamt 1800 bis 2100 Lederhaut- respektive Epidermisblättchen auf eine sehr große Oberfläche verteilt. Dies entspricht den Verhältnissen an der Hintergliedmaße; die Vordergliedmaße weist im distalen Bereich des Wandsegmentes dahingegen durchschnittlich nur 1600 bis 1800 Lamellen auf. Die Blättchen-, Terminal- und Kappenepidermis bilden den epidermalen Teil des Klauenbeinträgers, der durch intra- und interzelluläre Elemente die Verankerung stabilisiert und für eine elastisch-federnde Zugübertragung sorgt. Die Summe aller aufgeführten Modifikationen im Wandsegment lassen die funktionelle Schlussfolgerung zu, dass der Klauenbeinträger ein hochdifferenziertes Verankerungssystem darstellt und im Zehenrücken der Klaue und im apikalen Drittel der abaxialen Wandfläche den Hauptanteil der Krafttransformation leistet. Die Zugwirkung des Klauenbeinträgers am inneren Kronhorn und die Druckverteilung des Sohlen- und Ballensegmentes induzieren den Klauenmechanismus. Dieser stellt die bei der Be- und Entlastung eintretende reversible Formveränderung der Klauenkapsel und der von ihr eingeschlossenen Strukturen dar. Es ist ein Belastungsgradient festzustellen, der proximodistal der Klaue ansteigt und dorsoplantar abnimmt. Durch zusätzliche Messungen an der be- und entlasteten Klaue wurden die natürlichen Belastungsverhältnisse an der Klaue sowie die relative Belastbarkeit der verschiedenen untersuchten Bereiche dargestellt, woraus bestimmte Loci minores resistentiae abgeleitet werden konnten. Bereiche mit einer faserknorpeligen Ansatzzone, wie das Wand- und Sohlensegment sowie Ansatzzonen für Bänder und Sehnen, sind multidirektionalen Kräften ausgesetzt, verbunden mit dem Fehlen eines Subkutispolsters und bedürfen bei Fehlbelastungen der Klaue einer größeren Aufmerksamkeit. Bereiche, wie das Kron- und das Ballensegment, die über ein Subkutispolster verfügen, werden bei der Belastung ebenfalls stark beansprucht, sind aber auch dementsprechend geschützt. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sollen als Grundlage für die herausragende Rolle des Klauenbeinträgers bei der Entstehung von Klauenerkrankungen dienen. Die bei der Belastung durch das Körpergewicht entstehenden Druckkräfte werden über das Skelettsystem an das Klauenbein weitergeleitet und in der ersten Phase der Belastung als Druckkräfte über das Ballen- und Sohlensegment und in der zweiten Phase als Zugkräfte über den Klauenbeinträger in Bewegung umgesetzt. Diese unterschiedliche Belastung und die daraus in den verschiedenen Segmenten der Klaue resultierenden strukturellen und funktionellen Eigenschaften führen dazu, die Gesamtheit der Segmente als den Fußungs-(Trage-)apparat der Klaue (weight-bearing apparatus) zu definieren. Der Fußungsapparat wird zum einen in den Stoßdämpfungsapparat (shock-absorption apparatus), den Bereich der Stoßdämpfung und Druckabpufferung im Ballensegment und den entsprechenden Elementen des Sohlensegmentes eingeteilt, die als funktionelle Einheit den Stoßbrechungsmechanismus induzieren, und zum anderen in den Klauenbeinträger (suspensory apparatus of the third phalanx), den Bereich der Zugumwandlung. Zum Klauenbeinträger im engeren Sinne zählen das Wandsegment und die stützenden Elemente des Sohlensegmentes. Für die Aufhängung des Klauenbeines sind weiterhin die Strecksehne, die tiefe Beugesehne und der gesamte Bandapparat des Klauengelenkes von Bedeutung, die zusammen den Klauenbeinträger im weiteren Sinne bilden. Das Sohlensegment der Klaue vereinigt sowohl zug- als auch druckelastische Elemente und wird als Transferregion und somit als Übergangsbereich definiert. Der Klauenbeinträger und der Stoßdämpfungsapparat sind an die Belastung angepasste epidermale und dermo-subkutane Systeme der Klaue.