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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Euthanasie beim Pferd - ethische und rechtliche Aspekte (2006)

    Art
    Vortrag
    Autor
    Luy, Jörg
    Kongress
    BPT-Kongress 2006
    Nürnberg, 09. – 12.11.2006
    Quelle
    Vortragsband
    Frankfurt a. M.: BPT Akademie, 2006 — S. 85–86
    Kontakt
    Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchstierkunde

    Königsweg 67
    14163 Berlin
    +49 30 838 61146
    tierschutz@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Das Töten eines Wirbeltieres ist in Deutschland nur dann nicht strafbar, wenn ein sog. vernünftiger Grund dafür geltend gemacht werden kann (§ 17 Nr. 1 TierSchG); ausschlag-gebend sind die mehrheitlichen Wert- und Gerechtigkeitsvorstellungen der Gesellschaft. Das Tierschutzgesetz (TierSchG) verbietet damit den Haltern von Nicht-Nutztieren (Companion Animals), die Tiere nach eigenem Ermessen zu töten. Den Haltern von Tieren solcher Arten, die zur Lebensmittelgewinnung genutzt werden dürfen (= Nutztiere; § 3 LFGB), ist es dem-gegenüber durch das TierSchG nicht verboten, sich jederzeit für die Schlachtung des Tieres zu entscheiden, und zwar unabhängig davon, ob das Tier aus einem Mastbetrieb oder einer Hobbyhaltung „mit Familienanschluss“ stammt. Eine notwendige Voraussetzung ist nur, dass das Fleisch, sofern für tauglich befunden, auch tatsächlich dem Verzehr zugeführt wird (Ort & Reckewell, 2002). Der Gesetzgeber hat die Schlachtung hinsichtlich der Tierschutzaspekte einer angst- und schmerzlosen Tötung durch den Tierarzt gleichgestellt. Für beide Fälle ist vorgeschrieben, das Bewusstsein der Tiere durch „Betäubung“ zum Erlöschen zu bringen, bevor Maßnahmen eingeleitet werden, die zum Tod des Tieres führen. Analog werden inter-national beide Verfahren gleichermaßen unter den Begriff der Euthanasie gefasst (AVMA, 2000). Pferde können derzeit, je nach Einschätzung ihrer Halter, sowohl zu den landwirt-schaftlichen Nutztieren als auch zu den Companion Animals gezählt werden, unabhängig davon, ob sie tatsächlich zu Nutzzwecken gehalten werden oder nicht. Daraus resultiert, dass auch ein Hobbyreiter sein (beispielsweise sportlich unbrauchbar gewordenes) Tier im Prinzip jederzeit schlachten lassen darf, anders als ein Hundehalter. Die im sog. Equiden-pass vermerkte Entscheidung, ob das Tier „zur Schlachtung bestimmt“ (reversible Ent-scheidung) oder „nicht zur Schlachtung bestimmt“ (irreversible Entscheidung) ist, hat aber auch für den Straftatbestand der Wirbeltiertötung „ohne vernünftigen Grund“ Bedeutung. Die Besitzer solcher Equiden, die „nicht zur Schlachtung bestimmt“ wurden, sind verpflichtet, diese Tiere lebenslang ihrer Art und ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend ange-messen zu ernähren, zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen (§ 2 in Verb. mit § 17 Nr. 1 TierSchG).

    Dem TierSchG liegt eine ethische Abwägung zwischen Lebensschutz und Leidensbeendung zu Grunde, wobei „nach allgemeiner Anschauung der Schutz des Wohlbefindens eines Tieres über den Schutz seines Lebens gestellt wird“ (Bundesregierung, 1999). Die legale Nottötung (= Tötung auf Grund tierärztlicher Indikation) ist über § 3 Nr. 2 und § 9 Abs. 2 Nr. 8 TierSchG durch „nicht behebbare Schmerzen oder Leiden“ definiert; die Möglichkeiten und Nebenwirkungen palliativer Behandlung sind in Betracht zu ziehen. Bei Equiden die „zur Schlachtung bestimmt“ sind, kann die angst- und schmerzlose Nottötung durch den Tierarzt nicht nur in Form einer Injektionseuthanasie, sondern auch als Notschlachtung mit Bolzen- oder Kugelschussbetäubung durchgeführt werden (Anlage 3 TSch-SchlachtV). Nach EU-Lebensmittelrecht müssen jedoch zwei Voraussetzungen für die „Notschlachtung außerhalb eines Schlachthofes“ erfüllt sein; zum einen „muss ein ansonsten gesundes Tier einen Unfall erlitten haben, der seine Beförderung zum Schlachthaus aus Gründen des Tierschutzes verhindert“ und zum zweiten „muss ein Tierarzt eine Schlachttieruntersuchung [d.h. eine Untersuchung des noch lebenden Tieres] durchführen“ (Kap. VI der berichtigten Verordnung (EG) Nr. 853/2004, Amtsblatt Nr. L 226 vom 25.06.2004, 22-82). Die heute obligatorische Untersuchung des noch lebenden Tieres durch einen Tierarzt lässt keinen Raum mehr zur Anwendung von § 4a Abs. 2 Nr. 1 TierSchG („[es] bedarf keiner Betäubung, wenn sie bei Notschlachtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist“).

    Der Bundesgerichtshof (BGH) unterstellt, dass es eine „Standespflicht des Tierarztes“ sei, ein ihm anvertrautes Tier zu töten, „wenn eine dramatische Verschlechterung des Zustandes einen Behandlungserfolg nicht mehr erwarten lässt und es nur noch darum geht, dem Tier weitere Qualen zu ersparen“ (BGH, 1982). Laut BGH handelt es sich hier um „ein sittliches Gebot richtig verstandenen Tierschutzes“. In seltener Einigkeit bejahen auch sämtliche Ethiker, die sich dazu geäußert haben, die Nottötung beim Tier als Akt der Barmherzigkeit (Teutsch: Lexikon der Tierschutzethik, 1987).