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Bund und Länder verschärften in den letzten Jahren die Vorschriften der Hundehaltung. Die neuen Hundeverordnungen und -gesetze enthalten unter anderem Wesenstests/ Verhaltenstests für Hunde, die allein aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit als so genannte “Kampfhunde“ oder “gefährliche Hunde“ und damit pauschal als aggressiv und deshalb gefährlich eingestuft werden.
In der vorliegenden Erhebung werden 16 Wesenstests inhaltlich verglichen und bewertet. Des Weiteren werden ausgewählte Testsequenzen auf ihre Eignung, die unterschiedlichen Formen aggressiven Verhaltens und das Jagdverhalten von Hunden zu testen, geprüft.
Die Inhalte von Wesenstests unterscheiden sich zum Teil in ganz erheblichem Maß voneinander. Ein Wesenstest (DMA aus Schweden, 1997) testet überhaupt keine Formen von intraspezifischer Aggression; andere wiederum testen den Gehorsam des Hundes, wogegen wieder andere schwerpunktmäßig die Reaktion des Hundes auf Angst auslösende akustische, taktile und visuelle Reize überprüfen.
Geht man von der Häufigkeit aus, in der „Furcht-“ und/ oder „Angstbedingte Aggression“ in Wesenstests untersucht wird, so ist anzunehmen, dass die häufigste Form „Affektiver Aggression“ auch die „Furcht-“ und/ oder „Angstbedingte Aggression“ ist, diese also entsprechend am häufigsten von Hunden gezeigt wird. Die meisten Formen „Affektiver Aggression“ werden im Aggressionstest für Hunde nach Netto und Planta (1997) überprüft, was aber nicht gleichbedeutend damit ist, dass es der am besten geeignete Test ist. Die „Härte“ und die Wahl der unmittelbar aufeinander folgenden Testsequenzen sind als sehr kritisch zu bewerten. Möglicherweise kann die Durchführung bei sensiblen und weniger stabilen Hunden zu Angststörungen, oder zumindest zu massivem Stress führen, da die Hunde nicht „aus der Situation heraus geholt werden“, bevor die nächste Testsequenz folgt. Denn es muss beachtet werden, dass Aggression immer Angst, Stress und Frustration zugrunde liegt (Schöning, 2006).
Die überwiegende Anzahl der in die Untersuchung einbezogenen Wesentests - alle Wesenstests der Bundesländer - prüft das Jagdverhalten zwar in einer eigenständigen Testsequenz, aber es konnte gezeigt werden, dass ein großer Teil von Jagdverhalten auslösenden Reizen unberücksichtigt bleibt, selbst wenn Jagdverhalten grundsätzlich getestet wird. Außerdem finden rassespezifische Besonderheiten häufig nicht die nötige Beachtung.
Es wird vermutet, dass ein größerer Teil der Zwischenfälle mit Hunden im Kontext mit Jagdverhalten steht, wobei es nicht immer einfach ist, Aggressionsverhalten von Jagd-verhalten zu unterscheiden. Die untersuchten Wesentests werden diesem spezifischen Gefahrenpotenzial nicht gerecht. Somit ist ein großer Teil dieser Wesenprüfungen nicht geeignet, die Gefährlichkeit eines Hundes einzuschätzen.
Generell sollte in einem Wesenstest, in Anlehnung an den BHV - Führerschein, überprüft werden, ob der Halter einsichtig ist oder nicht, ob er vorausschauend handelt und seinen Hund verantwortungsvoll durch den öffentlichen Raum führt oder nicht. Beispielsweise ist es verantwortungsbewusst, wenn ein Hundehalter einen vollen Fahrstuhl nicht betritt und stattdessen mit seinem Herdenschutzhund auf den nächsten, leeren Fahrstuhl wartet.
Des Weiteren sind die Wesenstests um ein gründliches Anamnesegespräch durch einen verhaltenstherapeutisch tätigen Tierarzt zu erweitern, um Rasse- und Individualspezifische Besonderheiten im Vorfeld erkennen zu können. Nicht alle Jagdverhalten auslösende Reize können im Rahmen eines Wesentests untersucht werden. In den Wesenstests sollte gezielter überprüft werden, ob mögliches Jagdverhalten eines Hundes durch den Besitzer kontrolliert werden kann, so dass von diesem Tier kein Gefahrenpotenzial zu erwarten ist.