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Von September 2022 bis April 2024 wurden fünf Milchkuhbetriebe in Brandenburg für jeweils drei Monate besucht. Neben der Erhebung von Daten zum Abkalbe- und Betriebsmanagement, wurden alle Kälber von Geburt bis zum Ende der vierten Lebenswoche wöchentlich unter besonderer Beachtung des Nabels klinisch untersucht. Kälber, die während der Besuche geboren wurden oder bei denen eine Nabelentzündung festgestellt wurde und bei denen eine Probenentnahme möglich war (z.B. Fistelkanal, Exsudat), wurden mittels Tupfer beprobt. Die Identifizierung bakterieller Erreger erfolgte nach kultureller Anzucht mittels MALDI-TOF MS. Für ausgewählte Erreger (Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Trueperella pyogenes, Streptococcus dysgalactiae, Streptococcus uberis, Klebsiella spp.) wurden die minimalen Hemmkonzentrationen (MHK-Werte) mittels Bouillon-Mikrodilution bzw. VITEK ® 2 compact (bioMérieux) bestimmt. Von 1248 klinisch untersuchten Kälbern wiesen 144 (11,5 %) eine Nabelentzündung auf. Trotz der großen Erregervielfalt, die sowohl bei neugeborenen (105 bakterielle Spezies) als auch bei nabelkranken Kälbern (100 bakterielle Spezies) nachgewiesen wurde, konnten Erreger - darunter Bacteroides spp., Staphylococcus aureus, Streptococcus dysgalactiae und Streptococcus uberis und Trueperella pyogenes - fast ausschließlich bei nabelkranken Kälbern isoliert werden. Mehr als zwei Drittel (69,6 %) der getesteten S. aureus-Isolate waren Methicillin-resistent (MRSA). Alle übrigen Erreger wiesen hohe Empfindlichkeitsraten gegenüber Amoxicillin/Clavulansäure auf. Die getesteten Streptokokken und Trueperellen waren außerdem empfindlich gegenüber den first-line Antibiotika für Nabelentzündungen (Penicillin/Benzylpenicillin). Gegenüber Tetrazyklin zeigten jedoch alle Erreger außer Klebsiella spp. nur geringe Empfindlichkeiten. Die MHK-Werte von E. coli-Isolaten nabelkranker Kälber waren im Vergleich zu denen neugeborener Kälber erhöht. Außerdem zeigten E. coli nabelkranker Kälber von Betrieben, die Chlortetrazyklin-Spray zur Nabelpflege einsetzten, geringere Empfindlichkeiten gegenüber Ampicillin, Enrofloxacin, Tetrazyklin und Trimethoprim/Sulfamethoxazol verglichen mit Betrieben, die Iod verwendeten. Die große Erregervielfalt erschwert die Unterscheidung zwischen Infektionserregern und kontaminierenden Bakterien bzw. Mikrobiota. Die geringen Empfindlichkeiten, insbesondere beim Off-Label-Einsatz von Chlortetrazyklin-Spray, deuten auf eine Selektion Tetrazyklin-resistenter Erreger hin. Eine rechtzeitige Therapie mit den empfohlenen first-line Antibiotika (Penicillin und Aminopenicilline) erscheint hingegen bei Streptococcus spp. und Trueperella pyogenes erfolgsversprechend.