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Die equine rezivierende Uveitis (ERU) gilt als eine der schwerwiegendsten Augenerkrankungen und wird als Hauptursache für Visusverlust beim Pferd beschrieben. Die Ätiologie ist bislang noch nicht vollständig geklärt. Jedoch wird die ERU, vor allem national, als Folge einer intraokularen Infektion mit Leptospira spp. angesehen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden Proben von Pferden mit ERU sowie augengesunden Pferden einer Kontrollgruppe retrospektiv ausgewertet. Ziel dieser Arbeit war es, die Prävalenz innerhalb der Patientenpopulation der Klinik für Pferde der FU Berlin auszuwerten sowie Patienten mit Leptospiren-assoziierter Ätiologie zu identifizieren und die angewandte Diagnostik hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu evaluieren. Bezogen auf die Klinikpopulation wurden 1,8 % (n = 143/8086) der vorstellig gewordenen Pferde im Zeitraum von Februar 2015 bis einschließlich Dezember 2021 mit ERU diagnostiziert. 4- bis 7-jährige Pferde waren signifikant häufiger an ERU erkrankt als Pferde anderer Altersklassen. Weiterhin waren Islandpferde (n = 13/365; 3,6 %) sowie Pferde der Rassen mit möglicher homozygoten LP-Mutation („Tigerschecken“; n = 12/88; 13,6 %) signifikant überrepräsentiert. Der Anteil der deutschen Warmblutpferde mit ERU war, innerhalb der Klinikpopulation, nicht signifikant erhöht (n = 55/3644; 1,5 %). Bei 53/80 Patienten (66,3 %) mit ERU wurde mittels Berechnung des Goldmann-Witmer-Koeffizienten sowie PCR eine intraokulare Infektion mit Leptospira spp. nachgewiesen. Es gilt anzumerken, dass ein GWC ≥ 3 bei 53/80 Pferden (66,3 %) vorlag, während ein positives PCR-Ergebnis bei 16/80 Pferden (20,0 %) ermittelt wurde. Dabei wurde bei allen Pferden mit positivem PCR-Ergebnis ein GWC ≥ 3 ermittelt. Ein bei 42/80 Pferden zusätzlich durchgeführter ELISA detektierte keine intraokulare Leptospireninfektion, die nicht bereits mittels Berechnung des GWC und/oder PCR diagnostiziert wurde. Verglichen mit dem GWC, erwies sich die Berechnung des C-Values mit einer Sensitivität von 70,7 % (C ≥ 4) und 81,2 % (C ≥ 2) sowie die Bestimmung eines Antikörpertiters mittels MAT bei einem Grenzwert ≥ 1:100 (im Serum Sensitivität 70,4 %; im Kammerwasser Sensitivität 83,7 %) als nicht geeignet zur Diagnostik intraokularer Infektionen mit Leptospira spp. ERU-Patienten mit Leptospirenbeteiligung waren signifikant jünger als Pferde mit nicht-Leptospiren-assoziierter Genese. Obgleich eine intraokulare Infektion mit Leptospira spp. seltener bei Tigerschecken, verglichen mit Pferden anderer Rasse, diagnostiziert wurde, konnte in der vorliegenden Studie kein signifikanter Zusammenhang zwischen einer intraokularer Leptospireninfektion sowie Rasse und Geschlecht der an ERU erkrankten Patienten verzeichnet werden. Im Rahmen dieser Studie wurden Kammerwasser- und Serumproben von Pferden mit ERU als auch augengesunden Pferden biochemisch auf Harnstoff-, Totalprotein-, Albumin- und Bilirubingehalt untersucht und die Ergebnisse der verschiedenen Gruppen miteinander verglichen. Dabei wurde für Pferde mit ERU ein signifikant höherer Harnstoff-, Protein- sowie Albumingehalt im Kammerwasser ermittelt, verglichen mit den Pferden der Kontrollgruppe (p = 0,04; p < 0,001; p < 0,001). Sowohl der Protein- als auch Albumingehalt waren bei Pferden mit Leptospiren-assoziierter Genese signifikant höher gegenüber den entsprechenden Werten derer mit nicht Leptospiren-assoziierter ERU. Wenngleich zwischen Patienten- und Kontrollgruppe kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des Bilirubingehaltes nachgewiesen wurde, so war dieser bei Pferden mit Leptospiren-assoziierter ERU, verglichen mit jenen Patienten mit nicht Leptospiren-assoziierter ERU, signifikant erhöht (p = 0,04). Der Vergleich der Serumproben erbrachte für keinen der analysierten Parameter einen signifikanten Unterschied zwischen den jeweiligen Gruppen. Weiterhin wurden Kammerwasserproben von Pferden mit ERU und augengesunden Pferden der Kontrollgruppe refraktometrisch untersucht. Dabei wurde eine signifikante Erhöhung des spezifischen Gewichts (p < 0,001), des Brechungsindex (p < 0,001) sowie des Proteingehaltes (p = 0,001) bei Patienten mit ERU verglichen mit den Pferden der Kontrollgruppe ermittelt. Der Vergleich innerhalb der Gruppe der Pferde mit ERU, unterteilt in Pferde mit Leptospirenassoziierter ERU und ERU anderer Genese, erbrachte hingegen keine signifikanten Unterschiede. Insgesamt verdeutlichen die marginalen Unterschiede bei der Refraktion des Kammerwassers zwischen Pferdeaugen mit Leptospiren-assoziierter ERU und nicht Leptospiren-assoziierter ERU die Komplexität der Diagnosestellung und die Notwendigkeit einer umfassenden Betrachtung verschiedener diagnostischer Parameter in der Veterinärmedizin. Die Erkenntnis, dass sowohl die biochemische Analyse als auch die Refraktometrie des Kammerwassers möglicherweise nicht ausreichen, um eine präzise Diagnose der Leptospiren-assoziierten ERU bei Pferden zu stellen, hat direkte Auswirkungen auf die klinische Praxis. Es erfordert weitere Forschung, um andere diagnostische Parameter zu identifizieren oder zu entwickeln, die spezifischer auf die Ätiologie dieser Augenerkrankung hinweisen. Basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit, ist, neben einer vollständigen Anamnese und klinischen Untersuchung zur Diagnosestellung einer ERU nach den Leitlinien des ACVO/ECVO, die Labordiagnostik zur Ermittlung des GWC zu empfehlen. Bei einem GWC < 3 ist, in Abhängigkeit des Signalements des betroffenen Patienten, weitere Diagnostik (z.B. Glaskörperdiagnostik, sowie PCR, ELISA, Betrachtung der vorkommenden Immunglobulinisotypen) einzuleiten.