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Trotz der beständigen Weiterentwicklung von Alternativmethoden sind Tierversuche, die oft an Mäusen oder Ratten durchgeführt werden, weiterhin für bestimmte Fragestellungen notwendig. Zum Schutz von Versuchstieren dürfen sie in vielen Ländern nur unter gesetzlich definierten Bedingungen durchgeführt werden. Eine international anerkannte Bedingung ist die Umsetzung des 3R-Prinzips von Russell und Burch. Nach diesem Prinzip sind Tierversuche, wenn möglich, durch tierversuchsfreie Alternativen zu ersetzen („Replace“), die Anzahl der eingesetzten Tiere ist auf ein Minimum zu reduzieren („Reduce“) und die Belastungen für die Tiere sind möglichst gering zu halten („Refine“). Im Sinne des 3R-Prinzips darf die Arbeit an lebenden Versuchstieren innerhalb der Europäischen Union nur von Personen durchgeführt werden, die dahingehend sachkundig sind. Zum Erwerb der Sachkunde bedarf es vertiefender Expertise, die über einen Beaufsichtigungszeitraum entwickelt wird und die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten werden in einer Erstausbildung, die oft durch "versuchstierkundliche Kurse“ erfolgt, vermittelt. Diese hat das Ziel, dass die Arbeit mit lebenden Tieren ohne vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden unter Aufsicht aufgenommen wird. Einige Fähigkeiten werden an lebenden Tieren erlernt, da ein alleiniges Training an tierversuchsfreien Methoden nicht ausreichen würde, um die Personen angemessen vorzubereiten. Dies ist nach deutschem und europäischen Recht ein Tierversuch, in dem das 3R-Prinzip ebenfalls umgesetzt werden muss. Die Anwendung von Simulatoren birgt großes Potenzial, die Versuchstiere im Sinne des 3R-Prinzips zu schützen. Es sind zwei Maus- und sechs Rattensimulatoren derzeit kommerziell erhältlich. An ihnen können versuchstierkundliche Techniken, wie das Handling und die manuelle Ruhigstellung der Tiere, kleinere Routineeingriffe oder mikrochirurgische Techniken geübt werden. Aufgrund des Mangels fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse über diese Simulatoren wurden in der vorliegenden Arbeit alle im Jahre 2018 erhältlichen Simulatoren systematisch evaluiert. Ziel war es, anhand der erhobenen Daten eine umfassende Bedarfs- und Anforderungsanalyse für den Bau eines neuen Simulators zu erstellen. Zusätzlich sollte durch die Ergebnisse die gegenwärtige Relevanz dieser Simulatoren als Maßnahme im Sinne des 3R-Prinzips analysiert werden. In einem multiperspektivischen Ansatz wurden die Simulatoren in zwei unabhängigen Evaluationsstudien untersucht. In der ersten Evaluationsstudie, einer Online-Befragung an Kursleitenden und Betreuenden versuchstierkundlicher Kurse, wurden die Benutzungshäufigkeit und Zufriedenheit der erhältlichen Simulatoren aus Sicht der Lehrenden sowie deren Anforderungen an neue Simulatoren analysiert. Es zeigte sich, dass die Simulatoren nur marginal zum Einsatz kamen und sie die Anforderungen der Befragten nicht erfüllen konnten. Es ergab sich ein Bedarf an optimierten, realistischeren, finanziell erschwinglichen und robusten Maus- und Rattensimulatoren für die versuchstierkundliche Lehre sowie Aus-, Fort- und Weiterbildung, die neben den bereits abgedeckten Techniken weitere Techniken zur Übung anbieten sollten. In der zweiten Evaluationsstudie wurden die Rattensimulatoren mit Teilnehmenden versuchstierkundlicher Kurse praktisch evaluiert. Dies geschah durch einen Simulator-Workshop und einen zweiteiligen schriftlichen Fragebogen. Die Teilnehmenden beurteilten die Übung an den Simulatoren jeweils vor und nach der Übung am lebenden Tier im versuchstierkundlichen Kurs. Anhand der Ergebnisse wurden die Lerneffektivität der Rattensimulatoren, die Zufriedenheit über die Simulatoren und die Anforderungen an neue Simulatoren aus Sicht der Teilnehmenden analysiert. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die evaluierten Simulatoren als unterstützendes Ausbildungsmaterial – unter Berücksichtigung einiger Einschränkungen – genutzt werden können. Es zeigte sich, dass eine Übung an Simulatoren möglicherweise bestehende Ängste und Barrieren im Umgang mit lebenden Tieren mindern kann. Allerdings wurden die evaluierten Simulatoren aus Sicht der Lernenden nicht als ausreichendes Ersatzmittel im Sinne des 3R-Prinzips angesehen. Ein Training an den evaluierten Simulatoren scheint sich durch die bessere Vorbereitung der Auszubildenden positiv auf das Wohlbefinden der Versuchstiere auszuwirken („Refine“). Es besteht ein Potenzial, durch die Simulatoren die Anzahl an Versuchstieren zu reduzieren („Reduce“), wenn sie für Demonstrationszwecke oder für das Üben von Techniken, die nur einmal an einem lebenden Tier vorgenommen werden können, genutzt werden. Durch die evaluierten Simulatoren kann, auch in Kombination mit den derzeit vorhandenen tierversuchsfreien Methoden, das Training an lebenden Tieren zur versuchstierkundlichen Erstausbildung noch nicht vollständig ersetzt werden („Replace“). Es besteht Bedarf an optimierten, realistischeren und kostengünstigeren Maus- und Rattensimulatoren, um die Umsetzung des 3R-Prinzips voranzutreiben. Die Ergebnisse sollen in die Entwicklung eines neuen Simulators einfließen. Darüber hinaus dienen sie als Startpunkt für weitere Untersuchungen in diesem Forschungsfeld und sollen das Wissen und das Interesse an simulatorgestütztem Training steigern.