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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Labordiagnostische Möglichkeiten zur Erkennung fütterungsbedingter Störungen des Säuren-Basen-Haushaltes in Milchviehherden (2025)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Gärtner, Tanja (WE 2)
    Quelle
    Berlin, 2025 — X, 91 Seiten
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/47174
    Kontakt
    Institut für Veterinär-Physiologie

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62600
    physiologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Das Ziel der Studie war es, verschiedene diagnostische Möglichkeiten zur Bewertung des Säuren-Basen-Status (SBS) bei Milchkühen unter den Bedingungen der landwirtschaftlichen Praxis zu evaluieren, um fütterungsabhängige, subklinische Störungen des SBS in einer Tier- bzw. Fütterungsgruppe frühzeitig zu erkennen. In Teilstudie 1 wurde die seit mehreren Jahrzehnten etablierte Harnanalyse zur indirekten Beurteilung des SBS mittels drei Verfahren zur titrimetrischen Bestimmung der Netto-Säuren-Basen-Ausscheidung (NSBA) im Harn angewandt, sodass der SBS von 127 Kuhgruppen anhand der einfachen NSBA nach Kutas, der differenzierten NSBA nach Lachmann und Schäfer sowie des vereinfachten NSBA-Siebtestes mit reduziertem Probenvolumen nach Furcht und Grätsch bewertet wurde. Berücksichtigt wurden dabei die Einzeltierergebnisse von 855 Milchkühen der Rasse „Deutsch Holstein“ aus 43 Thüringer Milchviehbetrieben. Die Tiere wurden im Rahmen eines Gesundheitsmonitorings in verschiedenen Laktationsstadien als „Trockensteher“ (21 bis sieben Tage ante partum), „Frischabkalber“ (zwei bis 10 Tage post partum) oder „laktierende Kuh“ (30 bis 100 Tage post partum) beprobt. Die Beurteilung der Ergebnisse von Poolproben aus drei bis 10 Einzeltieren eines Laktationsstadiums wurde der Bewertung anhand der Einzeltierergebnisse gegenübergestellt. Als Referenz galt die Bewertung des Basen-Säuren-Quotienten im Harn nach Lachmann und Schäfer, da dieser Quotient von der Harnkonzentration unabhängig ist und damit den Goldstandard für die Bewertung des SBS im Harn darstellt. Die einfache NSBA nach Kutas auf Einzeltierbasis erwies sich als geeignet, um Abweichungen des SBS in einer Tiergruppe zu detektieren. Azidotisch belastete Kuhgruppen wurden mit einer Sensitivität von 87 % bei einer Spezifität von 71 % und alkalisch belastete Kuhgruppen mit einer Sensitivität und Spezifität von je 83 % erkannt. Die Beurteilung des SBS im Harn mittels differenzierter NSBA wies lediglich in dem eingeschränkten Bereich von 20 – 200 mmol/l einen linearen Zusammenhang zwischen dem errechneten Mittelwert einer Kuhgruppe und dem gemessenem Poolwert auf. Die differenzierte NSBA als Poolwert zeigte eine mäßige Sensitivität (74 %) zur Erkennung azidotisch belasteter Kuhgruppen und eine schlechte Sensitivität (48 %) zur Erkennung alkalisch belasteter Kuhgruppen. Die NSBA-Siebtest-Methode erwies sich aufgrund einer schlechten Sensitivität (57 %) und Spezifität (63 %) zur Erkennung alkalisch belasteter Kuhgruppen als nicht geeignet zur Überwachung des SBS einer Milchviehherde. In der Teilstudie 2 wurden an einem Teil der Studientiere (n = 145 aus 14 Betrieben) die Harnparameter zur Bewertung des SBS über eine hierarchische Clusteranalyse mit im peripheren Blut gemessenen metabolischen Parametern und den Ergebnissen der venösen Blutgasanalyse verknüpft. Die Variablen der traditionellen SBS-Analyse nach Henderson-Hasselbalch, die Bikarbonat-Konzentration, der Base Excess und die Anionenlücke (AG), wurden den Variablen des Strong-Ion Konzeptes nach Stewart und Constable gegenübergestellt. Studieninterne Referenzwerte wurden hierfür aus einer Stichprobe von metabolisch unauffälligen Kühen ermittelt. Subklinische, gemischte Störungen des SBS konnten durch die Berechnung und Bewertung der Variablen Strong Ion Difference (SID) und Acid Total (Atot) sicher erkannt und differenziert werden, wobei der Einfluss von Laktationsstand und Rationszusammensetzung auf diese Variablen nachweisbar war. Anhand einer kleinen Kuhgruppe (n = 5 Tiere) wurde zudem deutlich, dass sich eine ketotische Belastung nur im SBS-Modell nach Constable widerspiegelt, indem die Variable SIG (strong ion gap) signifikant erniedrigt war. Die venöse Blutgas- und Elektrolytanalyse mit der Einbeziehung des Strong-Ion-Konzeptes erwies sich als eine sinnvolle diagnostische Ergänzung zum Auffinden von subklinischen Störungen des SBS von Milchkühen. Aufgrund der präanalytischen Anforderungen, die unter landwirtschaftlichen Praxisbedingungen nur schwer erfüllbar sind, wird sie in der Routinediagnostik jedoch keine Alternative für die herkömmliche Beurteilung des SBS im Harn der Kühe darstellen können. Das Fehlen von validen Referenzwerten für die Variablen SID, Atot und SIG für Milchkühe stellt zudem ein Problem für die Anwendung des Strong-Ion-Konzeptes zur Beurteilung des SBS von Milchviehherden dar und sollte durch künftige Studien behoben werden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Bestimmung der einfachen NSBA im Harn nach Kutas eine in der Praxis valide diagnostische Möglichkeit darstellt, um den SBS von Milchviehherden zu überwachen und fütterungsbedingte, subklinische Störungen in der Herde zu erkennen. Die Bewertung von Poolproben zur Beurteilung des SBS einer Kuhgruppe ist dabei nur eingeschränkt möglich, sodass der Bestimmung und Beurteilung von Einzeltier-proben der Vorzug zu geben ist. Bei Bedarf und unter Einhaltung der präanalytischen Voraussetzungen kann die Harnanalyse sinnvoll durch venöse Blutanalysen und Ein¬beziehung der Variablen des Strong-Ion-Konzeptes ergänzt werden.