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Die negativen Folgen von Hitzestress auf die Leistung und das Wohlergehen von Milchkühen sind langanhaltend und scheinen sich über mehrere Generationen zu erstrecken. Es ist allgemein bekannt, dass Hitzestress bei laktierenden Milchkühen die Gesundheit, Fruchtbarkeit und Milchproduktion beeinträchtigt. Allerdings gibt es langanhaltend negative Folgen, auch wenn die Kühe nur während der Trockenstehzeit Hitzestress ausgesetzt sind. Diese Phase beginnt in den letzten sechs bis acht Wochen der Trächtigkeit und endet mit dem Abkalben. Kühe, die während der Trockenstehzeit Hitzestress ausgesetzt waren, wiesen eine um 3,5 kg/d verringerte Milchleistung (Tabelle 1) und mehr Gesundheitsstörungen auf in der nächsten Laktation (Tao und Dahl, 2013). Die Trockenstehphase ist ein kritischer Zeitraum für die Entwicklung des Drüsenepithels im Euter. Sie dient der Erneuerung von alternden Epithelzellen und der Bildung von neuen Drüsenepithelzellen durch Proliferation. Hitzestress in diesem Zeitraum führt zu einer drastischen Reduktion dieses Erneuerungsprozesses und bietet eine mögliche Erklärung für die negativen Effekte in der folgenden Laktation (Tao et al., 2011). Darüber hinaus wurde untersucht ob eine Kühlung (hier: Lüfter und Beregnung) in der Frühtrockenstehphase (Phase der Involution) oder Vorbereiterphase (Phase der Proliferation) sich verschieden auswirkt auf die folgende Laktation im Vergleich zu Kühen, die während der gesamten Trockenstehpase gekühlt worden sind (Fabris et al., 2017). Der positive Effekt der Kühlung war nur zu beobachten, wenn die Tiere während der gesamten Trockenstehphase gekühlt worden sind. Diese Daten legen nahe, dass Hitzestress während jeder Phase der Trockenstehzeit einen negativen Einfluss auf das Wachstum der Milchdrüse und damit auf die Milchproduktion hat.
Das letzte Trimester, insbesondere die Trockenstehzeit, ist nicht nur ein kritischer Zeitraum für die Kuh, sondern auch ein Zeitraum mit enormem fetalem Wachstum. Hitzestress am Ende der Trächtigkeit hat einen direkten Einfluss auf die Entwicklung des Fetus und damit Auswirkungen auf die zukünftige Leistung des Kalbes. Es ist allgemein bekannt, dass Kühe in der späten Trächtigkeit, die Hitzestress ausgesetzt sind, leichtere Kälber gebären, was auf eine fetale Wachstumsverzögerung durch mütterlichen Hitzestress hindeutet. Kälber von Kühen, die während der Trockenstehzeit nicht gekühlt wurden, hatten ein reduziertes Geburtsgewicht (-4,1 kg bzw. 10,4%) im Vergleich zu Kälbern von Kühen, die einer evaporativen Kühlung ausgesetzt waren (Tabelle 2). Dieses verzögerte fetale Wachstum durch Hitzestress resultiert aus mehreren Mechanismen. Das fetale Wachstum in der späten Trächtigkeit hängt von der Nährstoffzufuhr durch die Plazenta ab. Bei Hitzestress haben Wiederkäuer im späten Trächtigkeitsstadium niedrigere Blutkonzentrationen der zirkulierenden Plazenta-Hormone (Estronsulfat (Rinder), Collier et al., 1982; Plazentales Laktogen (Schaf), Bell et al., 1989; Pregnancy Associated Glycoprotein B (Rinder), Thompson et al, 2013), was auf eine Beeinträchtigung der Plazenta-Entwicklung hindeutet. Das Plazentagewicht von Schafen, die während der späten Trächtigkeit Hitzestress ausgesetzt waren, war reduziert (Collier et al., 1982; Bell et al., 1989). Dies, in Verbindung mit der verringerten Durchblutung der Plazenta bei Hitzestress (Dreiling et al., 1991, Reynolds et al., 2006), schafft eine nährstoffarme Umgebung im Uterus, welche das fetale Wachstum einschränkt. Hitzestress führt auch zu einer verkürzten Trächtigkeitsdauer (Tabelle 1). In der letzten Woche der Trächtigkeit wächst der Rinderfetus 0,4 bis 0,6 kg/d (Muller et al., 1975). Daher ist die kürzere Trächtigkeitsdauer bei Hitzestress in der späten Trächtigkeit ebenfalls eine Erklärung für das reduzierte Geburtsgewicht der Kälber. Kälber, die am Ende der Trächtigkeit Hitzestress ausgesetzt waren, hatten zu dem 24h nach der Geburt reduzierte IgG Konzentration im Blut und wiesen eine reduzierte IgG Absorption auf (Tao et al., 2012; Laporta et al., 2017). Hitzestress am Ende der Trächtigkeit resultiert auch in einem reduzierten Gewicht der Kälber zum Absetzen (-7,7kg bzw. 10,3%). Interessanterweise konnte dieser Unterschied in der Entwicklung bei Kälbern aufgrund von Hitzestress der Mutter in der späten Trächtigkeit bis zum Alter von einem Jahr beobachtet werden (Monteiro et al., 2016).
Maternaler Hitzestress am Ende der Trächtigkeit beeinflusst die Milchleistung und Nutzungsdauer der ersten Generation (F1 = Töchter) und zweiten Generation (F2 = Enkel) von Nachkommen von diesen Kühen. Es konnte gezeigt werden, dass die Nutzungsdauer in der F1 Generation von Kühen, die Hitzestress ohne Kühlung ausgesetzt waren um 356 Tage (11,7 Monate; 1.113 ± 77 d vs. 1.469 ± 94 d) reduziert war (Laporta et al., 2020). Die Milchleistung der F1 Generation und F2 Generation von Kühen, die Hitzestress ohne Kühlung ausgesetzt waren. war in den ersten drei Laktationen verringert (Tabelle 3).
Fazit
Hitzestress in der Trockenstehzeit hat langanhaltende negative Konsequenzen über mehrere Generationen hinweg. Dies sollte bei der Haltung von Trockenstehern berücksichtigt werden.