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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Modernes Fruchtbarkeitsmanagement mit automatischer Brunsterkennung (2025)

    Art
    Vortrag
    Autor
    Borchardt, S. (WE 19)
    Kongress
    Niedersächsischer Tierärztetag 2025
    Hannover, 17. – 18.01.2025
    Quelle
    Gemeinsam in die Zukunft : Niedersächsischer Tierärztetag : Vortragszusammenfassungen — Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft e.V. (Hrsg.)
    1. Auflage
    Gießen: Verlag der DVG Service GmbH, 2025 — S. 209
    ISBN: 978-3-86345-746-4
    Kontakt
    Tierklinik für Fortpflanzung

    Königsweg 65
    Haus 27
    14163 Berlin
    +49 30 838 62618
    fortpflanzungsklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Einleitung
    Die Reproduktionsleistung einer Milchviehherde wirkt sich auf den Zeitpunkt der Trächtigkeit während der Laktation, die Effizienz der Milchproduktion, die Demografie der Herde und die Remontierung der Herde aus (Giordano et al., 2012). Daher hat sie einen großen Einfluss auf die Rentabilität und Nachhaltigkeit von Milchviehbetrieben (Overton und Cabrera, 2017). Um eine hervorragende Reproduktionsleistung in Milchviehbetrieben zu erreichen, kann eine Vielzahl von Managementstrategien eingesetzt werden (Ferguson und Skidmore, 2013). Die Einführung von Sensoren zur automatischen Brunsterkennung ist eine Strategie zur Verbesserung der Reproduktionsleistung. Die meisten modernen Sensor-Systeme sind mit dreidimensionalen Beschleunigungsmessern ausgestattet, die eine kontinuierliche Überwachung von Veränderungen der körperlichen Aktivität in Echtzeit ermöglichen (Schilkowsky et al., 2021; Valenza et al., 2012). Die meisten Erzeuger verwenden diese Systeme, um nach Ablauf der freiwilligen Wartezeit (FWZ) Brunstalarme zu generieren, um die künstliche Besamung zu erleichtern. Systeme zur automatischen Brunsterkennung haben jedoch mehr Potenzial als nur die Erkennung von Kühen in Brunst. Aktivitätsdaten innerhalb der FWZ und die Brunstintensität zur Besamung könnten interessante Merkmale sein, die in das Reproduktionsmanagement einbezogen werden können, um die Fruchtbarkeit der Herde zu verbessern.
    Brunst innerhalb der freiwilligen Wartezeit
    Die Ausprägung der Brunst in der FWZ scheint ein Indikator für die Wiederaufnahme der zyklischen Ovaraktivität und ein wichtiger Prädiktor für die Reproduktionsleistung zu sein. Dieser Ansatz wird durch zwei aktuelle Studien unserer Gruppe unterstützt (Bretzinger et al., 2023; Borchardt et al., 2021). Bei Kühen, bei denen mindestens 1 oder ≥ 2 Brunsten aufgezeichnet wurden, war die Wahrscheinlichkeit einer Besamung vor dem 100. Laktationstag größer, der Erstbesamungserfolg höher und das Risiko einer Trächtigkeit war bis zum 200. Laktationstag größer. Im Vergleich zu Kühen ohne Brunst in der Frühlaktation hatten Kühe mit mindestens einem Brunstereignis eine intensivere Brunst bei der ersten Besamung post partum. Darüber hinaus haben wir Risikofaktoren für Anöstrus untersucht. Kühe mit Transitkuherkrankungen (d. h. Nachgeburtsverhaltung, puerperale Metritis oder subklinische Ketose) hatten im Vergleich zu gesunden Kühen eine größere Chance auf Anöstrus (Bretzinger et al., 2023). Die Aufnahme von Kühen ohne Brunst innerhalb der FWZ in ein Protokoll zur terminorientierten Besamung kann dazu beitragen die Fruchtbarkeit bei diesen Tieren zu verbessern. Kühe mit Brunstaktivität innerhalb der FWZ sollten hingegen nach Ablauf der FWZ auf der Grundlage der Brunstdetektion besamt werden, da sie ein größeres Risiko für Brunstausprägung und einen besseren Besamungserfolg aufweisen. In zwei neueren Studien (Gonzalez et al., 2023; Rial et al., 2022) wurde ein innovativer Ansatz (sog. Targeted Reproductive Management; TRM) verfolgt, wo Aktivitätsdaten innerhalb der FWZ verwendet wurden, um Risikotiere zu identifizieren. Als Vergleichsgruppe diente ein Ansatz, bei dem zu 100 % terminorientiert besamt wurde (d. h. Double-Ovsynch und Resynch). In der ersten Studie (Rial et al., 2022) wurde das TRM-Programm für die erste Besamung so konzipiert, dass Kühe, die während der FWZ ein Brunstereignis hatten, vorrangig nach Brunst besamt wurden. Kühe ohne Brunst wurden in ein modifiziertes Ovsynch-Protokoll aufgenommen (d. h. zweite PGF-Behandlung am 8. Tag und Progesteron-Supplementierung von Tag 0 bis Tag 7). Das TRM-Programm führte zu einer höheren Trächtigkeitsrate, aber zum gleichen Anteil an trächtigen Kühen zum 150. Laktationstag im Vergleich zu einem Programm, das auf die Maximierung des Erstbesamungserfolgs unter Verwendung eines modifizierten Double-Ovsynch-Protokolls ausgelegt war. In der zweiten Studie (Gonzalez et al., 2023) wurde ein ähnliches Studiendesign verwendet. Es gab jedoch eine Wechselwirkung zwischen der Behandlung und der Parität in Bezug auf den Erstbesamungserfolg. Bei den Jungkühen war der Erstbesamungserfolg in der TRM Gruppe geringer gegenüber der Double-Ovsynch Gruppe. Bei den Mehrkalbskühen gab es keinen Unterschied. In beiden Studien wurde der Einsatz von Reproduktionshormonen durch TRM im Vergleich zu einer 100%igen terminorientierten Besamung um ~50% reduziert. Etwa 65 % der deutschen Verbraucher lehnen den Einsatz von exogenen Hormonbehandlungen zur Steigerung der Fruchtbarkeit ab (Pieper et al., 2016). Daher könnte TRM eine wirksame alternative Strategie darstellen, die es den Betrieben ermöglicht, weiterhin eine gute Reproduktionsleistung zu erzielen und sich gleichzeitig an die Anforderungen der Verbraucher anzupassen. Die Ergebnisse der oben erwähnten Studien (Gonzalez et al., 2023; Rial et al., 2022) sind vielversprechend. Es sind weitere Arbeiten notwendig, um Risikotiere besser zu identifizieren, die von einer hormonellen Intervention profitieren.
    Brunstexpression zur Besamung und Fruchtbarkeit
    In drei Studien konnten wir zeigen, dass das Zeigen von Brunstverhalten und die Intensität dieses Verhaltens mit verschiedenen Sensor-Systemen einen wesentlichen Einfluss auf die Fruchtbarkeit von Milchkühen hat (Tippenhauer et al., 2021a, 2021b; Tippenhauer et al., 2023). Eine intensive Brunstausprägung war vorteilhaft für Kühe, die mit konventionellem, flüssig-konserviertem Sperma oder gesexten Sperma besamt wurden. Darüber hinaus führte eine intensive Brunstausprägung auch zu einer deutlichen Verbesserung des Besamungserfolgs bei Kühen, die terminorientiert besamt worden sind. Insgesamt scheint es offensichtlich, dass eine intensive Brunst, mit einer verbesserten Fruchtbarkeit verbunden ist. Während der genaue biologische Mechanismus noch erforscht wird, gibt es einige physiologische Beobachtungen, die dazu beitragen könnten, die unterschiedlichen Fruchtbarkeitsergebnisse von Kühen mit unterschiedlich starker Brunst zu erklären (Cerri et al., 2021). Bei Kühen mit einer niedrigen Brunstintensität wurde ein abnormaler Zeitpunkt des Eisprungs beobachtet (Burnett et al., 2018; Polsky et al., 2017). Tiere mit einer schwachen Brunstexpression zeigten häufiger Ovulationsfehler bei spontanen Brunst-Ereignissen (1,9 vs. 9,5 %; Burnett et al., 2018), aber auch bei terminorientierter KB AI (5,1 vs. 11,8 %; Silper et al., 2017; Madureira et al., 2019b). Es konnte festgestellt werden, dass Kühe mit einer intensiven Brunst ein optimaleres Hormonprofil (d. h. wenig Progesteron und viel Östrogen) zum Zeitpunkt der Besamung aufweisen (Madureira et al., 2021). Ein möglicher Mechanismus ist, dass eine erhöhte P4-Konzentration während der vorherigen Diöstrus-Phase wichtig ist für die Brunstausprägung im folgenden Zyklus (Denis-Robichaud et al., 2018; Madureira et al., 2019a). Diese Ergebnisse wurden durch eine weitere Studie bestätigt (Madureira et al., 2019a). Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass das P4-Profil aufeinanderfolgender Brunstzyklen eine Auswirkung auf die Gesamtlänge der Luteal- und Follikelphasen hat und auch die Intensität der Brunstausprägung beeinflusst. In Übereinstimmung mit dieser Schlussfolgerung fanden wir in zwei unabhängigen Studien mit verschiedenen am Hals befestigten Sensor-Systemen einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Brunst-Ereignisse innerhalb der FWZ und der Brunstexpression zur ersten Besamung (Bretzinger et al., 2023; Borchardt et al., 2021). Kühe ohne eine Brunst innerhalb der FWZ hatten eine kürzere Brunstdauer und eine geringere Wahrscheinlichkeit für ein intensives Brunstereignis zu ersten Besamung im Vergleich zu Kühen, die entweder 1 oder ≥ 2 Brunstereignisse innerhalb der FWZ hatten. Das Priming des Hypothalamus mit P4 durch eine erhöhte Anzahl von Brunstzyklen vor der ersten Besamung könnte mit einer besseren Ansprechbarkeit der Östradiolrezeptoren verbunden sein, was zu einem verbesserten Brunstverhalten führt (Thatcher und Wilcox, 1973). Daten aus mehreren Studien, einschließlich der unseren, zeigen einen Zusammenhang zwischen der Intensität der Brunst, wie sie von Sensor-Systemen bestimmt wird, und der Wahrscheinlichkeit einer Trächtigkeit nach einer künstlichen Besamung. Eine geringere Brunstausprägung wurde auch mit einem erhöhten Risiko für Ovulationsfehler bei spontanen Brunstereignissen in Verbindung gebracht (Burnett et al., 2018). Daher könnte eine gezielte Intervention bei diesen Kühen der Einsatz von GnRH sein, da es nachweislich über die Wirkung von LH indirekt den Eisprung auslöst (Thatcher et al., 1993). Die Verabreichung von GnRH zum Zeitpunkt der künstlichen Besamung verbesserte den Besamungserfolg, insbesondere bei Kühen mit geringerer Brunstausprägung (Burnett et al., 2022).
    Take Home Message
    - Systeme zur automatischen Brunsterkennung haben mehr Potenzial als nur die Erkennung von Kühen in Brunst
    - Aktivitätsdaten innerhalb der freiwilligen Wartezeit (FWZ) und die Brunstintensität zur Besamung könnten interessante Merkmale sein, die in das Reproduktionsmanagement einbezogen werden können, um die Fruchtbarkeit der Herde zu verbessern
    - Kühe, die während der FWZ keine Brunstalarme zeigen, und Kühe, die zur Besamung eine schwache Brunstexpression zeigen, haben eine schlechte Fruchtbarkeit
    - Die Wirksamkeit verschiedener Behandlungsprotokolle für Kühe mit keiner/schwacher Brunstausprägung sollte daraufhin untersucht werden, ob sie die Fruchtbarkeit dieser Kühe wiederherstellen können.