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In den letzten Jahrzehnten ist durch gezielte Zucht die Wurfgröße bei Sauen gestiegen und mit dieser Entwicklung hat die Anzahl der Ferkel pro Wurf mit niedrigem Geburtsgewicht (LBW) zugenommen. Höhere Mortalitäts- und geringere Wachstumsraten werden bei LBW-Ferkeln beobachtet. Die hohen Mortalitätsraten werfen Fragen zur ethischen Rechtfertigung der Schweinehaltung auf und stehen im Kontrast zu einer ressourceneffizienten Tierhaltung. Die geringeren Wachstumsraten sind mit ökonomischen Verlusten verbunden und werden mit einer dysfunktionalen Dünndarmentwicklung von LBW-Ferkeln assoziiert. Bei abgesetzten Ferkeln wurden positive Effekte einer Glutamin (Gln)-Supplementierung auf Wachstum und Parameter der intestinalen Entwicklung beschrieben. Da die konditionell essentielle Aminosäure Gln zu einem großen Umfang in den Epithelzellen des Dünndarms verstoffwechselt wird, besteht die Möglichkeit, dass durch Gln die Entwicklung des Dünndarms bei LBW-Ferkeln normalisiert werden könnte. Ziel dieser Studie war es sowohl die akuten als auch potentielle persistente Effekte einer neonatalen Gln-Supplementierung bei männlichen unkastrierten Ferkeln auf Wachstum und verschiedener Parameter der jejunalen Entwicklung zu untersuchen. Hierfür wurden männlich unkastrierte Saugferkel in einem Fütterungsversuch untersucht. Die Ferkel von Jungsauen wurden direkt nach der Geburt auf Grund ihres Geburtsgewichtes in Paaren selektiert, wobei die Selektionsgrenzen für LBW bei 0,8-1,2 kg und für normalgewichtige Ferkel (NBW) bei 1,4-1,8 kg lagen. Selektierte Ferkel wurden entweder mit 1 g/kg Körpergewicht (BW) Gln oder der isonitrogenen Menge Alanin (Ala) (1,22 g/kg BW) zwischen dem ersten und dem zwölften Lebenstag oral supplementiert. Durch den Versuchsaufbau ergaben sich vier Versuchsgruppen (LBW-Gln; NBW-Gln; LBW-Ala; NBW-Ala (n =36/Versuchsgruppe)). Die Versuchstiere hatten stets die Möglichkeit, bei der Muttersau zu saugen und erhielten zusätzliches Beifutter ab dem 14. Lebenstag. Das Wachstum der Tiere wurde durch regelmäßiges Wiegen und zusätzliche zootechnische Messungen überwacht. Jeweils ein Drittel einer Versuchsgruppe wurde am fünften, zwölften sowie sechsundzwanzigsten (n=12) Lebenstag euthanasiert und das distale Jejunum inklusive Chymus wurde für weitere Analysen beprobt. Den Tieren aller Versuchsgruppen wurde eine Stunde vor der Euthanasie Bromdesoxyuridin (BrdU) zur Bestimmung der Zellproliferationsrate und L-2H5-Phenylalanin zur Bestimmung der fraktionellen Proteinsyntheserate (FPSR) intraperitoneal verabreicht. Zusätzlich wurde die Milchaufnahme mittels der Deuteriumoxid-Methode am elften bzw. am fünfundzwanzigsten. Lebenstag in entsprechenden Gruppen bestimmt. Die ausgewerteten Parameter der jejunalen Entwicklung wurden sowohl durch die Gln-Supplementierung als auch durch das niedrige Geburtsgewicht nur geringfügig beeinflusst. Interessanterweise unterschied sich die Konzentration der supplementierten Aminosäuren im beprobten Jejunum-Gewebe und im Chymus zwischen den Supplementierungsgruppen nicht. Entsprechend wurden keine Unterschiede im Gewebe des Jejunums im Hinblick auf Morphologie, Immunzellpopulation und FPSR festgestellt. Weiterhin wurde kein Einfluss von Gln auf mRNA-Abundanz von Genen, welche den Aminosäurentransport, Aminosäurenstoffwechsel und Glutathion-Stoffwechsel regulieren, festgestellt. Für entsprechende Parameter wurden nur geringe Unterschiede zwischen den Geburtsgewichtsgruppen beobachtet. Das Alter der Ferkel hatte den stärksten Einfluss auf die Parameter der jejunalen Entwicklung. Folglich wurden Unterschiede in Bezug auf Morphologie, Aminosäurenmuster, Zellpopulation, Nukleinsäure-Konzentration und mRNA-Abundanz von Genen des Glutathionmetabolismus zwischen den zwölf und fünf Tage alten Ferkeln festgestellt. Das BW von LBW-Gln-Ferkeln war sowohl während der akuten Supplementierung als auch darüber hinaus höher als bei LBW-Ala-Ferkeln. Jedoch war das BW am 26. Lebenstag zwischen LBW-Gln-Ferkeln und LBW-Ala-Ferkeln nicht unterschiedlich. Das höhere BW der LBW-Gln-Ferkel kann mit einer vergrößerten jejunalen Absorptionsfläche assoziiert werden. Das Wachstum von NBW und folglich das BW waren höher im Vergleich zu LBW. Das schnellere Wachstum beruht dabei nicht auf Unterschieden der intestinalen Entwicklungsparameter, da negative Effekte von einem niedrigen Geburtsgewicht auf die Darmentwicklung aus den gemessenen jejunalen Entwicklungsparametern nicht abzuleiten sind. Es wurden in Bezug auf jejunale Entwicklungsparameter, wie Zellproliferationsrate, Zellpopulation und Morphologie, Unterschiede zwischen den zwölf und 26 Tage alten Ferkeln festgestellt. Abschließend lässt sich feststellen, dass eine orale Gln-Supplementierung das Wachstum von LBW-Ferkeln nur kurzfristig verbesserte, jedoch nur in sehr geringem Umfang Parameter der jejunalen Entwicklung beeinflusste. Außerdem wurde festgestellt, dass LBW nicht mit einer Entwicklungsstörung des Jejunums assoziiert ist und folglich nicht für das verlangsamte Wachstum verantwortlich ist. Schließlich wurde aufgezeigt, dass besonders ontogenetische Faktoren die Parameter der jejunalen Entwicklung beeinflussen.