Robert-von-Ostertag-Str. 15
14163 Berlin
+49 30 838 62450
pathologie@vetmed.fu-berlin.de
Meerschweinchen sind beliebte Heimtiere, welche neben Kaninchen eine der am häufigsten gehaltene Heimtierart in Deutschland darstellt. Neoplasien werden als eine häufige Erkrankung von adulten Heimtiermeerschweinchen angesehen. In der aktuellen Literatur gibt es jedoch nur wenig Daten zur Tumorprävalenz, der Alters- und Geschlechtsverteilung der betroffenen Tiere sowie dem biologischen Verhalten der Tumore. Dies veranlasste zu der vorliegenden retrospektiven Untersuchung. Material und Methoden: Es wurden alle Untersuchungsbefunde von Heimtiermeerschweinchen aus dem Archiv des Instituts für Tierpathologie der Freien Universität Berlin aus den Jahren 1995 - 2020 (Untersuchungszeitraum von 26 Jahren) herausgesucht. Die Diagnose vom Originalbefundblatt der Fälle wurden nach Untersuchungsart/probe (Sektionen, chirurgische und postmortale Organproben) getrennt erfasst und ausgewertet. Aus den jeweiligen pathologischen Untersuchungsbefunden wurden folgende Daten erfasst: diagnostizierter Tumortyp, betroffenes Organsystem, Alter und Geschlecht der Tiere, sowie Vorliegen von Metastasen bei Sektionen. Lediglich für einzelne Tumorgruppen (Schilddrüsentumore und mesenchymale Tumore des Magendarmtraktes) wurde eine histologische und immunhistochemische Nachuntersuchung zur genauen Bestimmung des Tumortyps durchgeführt. Ergebnisse: In den 26 Jahren, wurden 1377 Sektionen und 806 Biopsien von Heimtiermeerschweinchen durchgeführt. Von den Sektionen wiesen 283 mindestens einen Tumor auf (Prävalenz: 20,6%). Bei den Biopsien hatten die chirurgischen Organproben mit der Häufigkeit von 77,2% (N = 584/756) und die postmortalen Proben zu 23,5% (N = 12/50) einen Tumor. In den Sektionen waren Lymphome mit einer Prävalenz von 7,5% die häufigsten Tumore; gefolgt von Tumoren des weiblichen Geschlechtstraktes (Prävalenz: 6,0%), Tumoren des Respirationstraktes (Prävalenz: 4,4%), Tumore der Haut und Mamma (Prävalenz: 2,7%), endokrine Tumore (Prävalenz: 2,7%) und Tumore des Verdauungstraktes (2,1%). Bei den chirurgischen Proben haben Tumore der Haut und Mamma (N = 431) stark dominiert mit weitem Abstand von Tumoren des weiblichen Geschlechtstraktes (N = 44), endokrinen Tumoren (N = 19) und Tumoren des Verdauungstraktes (N = 17), wobei die absolute Anzahl der eingesendeten Organe einen großen Einfluss hatte. Lymphome wurden vorwiegend disseminiert in mehreren Organen nachgewiesen (N = 84/103) mit einer Manifestation der Lymphknoten, der Milz und der Leber in vielen Fällen. Interessant stellt sich die relativ hohe Anzahl (N = 20) der gastrointestinalen stromalen Tumore dar, mit einem Anteil von 76,9% (N = 20/26) der mesenchymalen Magendarmtumore. Tiere, die älter als fünf Jahre waren, wiesen eine Tumorprävalenz von etwa 50% auf. Die Prävalenz von allen untersuchten Tumorgruppen, inklusive der Lymphome, stieg kontinuierlich über verschiedene Altersgruppen an. Bemerkenswert ist, dass Mammatumore (N = 13) im Vergleich zu anderen Haustieren keine Prädisposition für weibliche Meerschweinchen aufweisen. Diskussion und Ausblick: Dies ist die erste Untersuchung zur Tumorprävalenz und demographischen Verteilung der betroffenen Tiere aus einer großen Untersuchungspopulation von Heimtiermeerschweinchen. In der eigenen Untersuchung sind Tumore des weiblichen Geschlechtstraktes sowohl in den Sektionen als auch in den Organproben einer der häufigsten Tumore. Studien zu Labormeerschweinchen haben beschrieben, dass Teratome des Ovars einer der häufigsten Tumore bei Meerschweinchen seien. In der eigenen Untersuchungspopulation konnte dieser nicht nachgewiesen werden. Hier waren unter anderem uterine Leiomyome und endometriale Adenome deutlich häufiger. Diese Ergebnisse zeigen, dass Erkenntnisse von Labortieren nicht zwangsweise auf Heimtiere übertragbar sind. Unter anderem kann dies aufgrund der unterschiedlichen Lebenserwartung erklärt werden. Der häufigste Tumortyp in den Sektionen der vorliegenden Studie waren Lymphome mit Manifestation in verschiedenen Organsystemen. Unter Berücksichtigung der hohen Prävalenz, ist die geringe vorliegende Literatur zu Lymphomen bei Meerschweinchen bemerkenswert. Weitere Studien zur WHO-Klassifizierung der Lymphome und zu einer möglichen viralen Ätiologie, wie es für Labormeerschweinchen beschrieben ist, erscheinen sinnvoll.