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Die Hypokalzämie der Milchkuh ist ein großes Problem im peripartalen Zeitraum. Entscheidend für die Diagnostik ist eine sichere Bestimmung der Kalziumkonzentration. In der Praxis ist nach wie vor die Bestimmung des Gesamtkalziums (tCa) weit verbreitet, obwohl einige Studien zu dem Ergebnis kamen, dass eine verlässliche Aussage nur durch die Bestimmung des ionisierten Kalziums (iCa) erbracht werden kann. Einige Untersuchungen wiesen bereits darauf hin, dass es zu einer Änderung des iCa-Anteils am tCa um den Geburtszeitraum kommt. Diese Feststellung sollte in unserer Studie für Kühe ohne gezielte Hypokalzämieprophylaxe geprüft werden. Unser Ziel war es zudem, unter Berücksichtigung verschiedener Blutkennwerte ein Modell zur Vorhersage von iCa aus tCa unter Verwendung multivariabler Regressionen zu erstellen. Dazu wurden die Blutwerte für Blutgase sowie verschiedene Elektrolyte, Enzyme und Metaboliten von 14 Kühen der Rasse Holstein Friesian verwendet. Alle Kühe waren klinisch gesund und erhielten keine Hypokalzämieprophylaxe oder -therapie. Die Blutentnahme erfolgte an den Tagen -2, 0, 2, 4, 7 in Bezug auf die Abkalbung. Bestimmt wurden tCa, iCa, Albumin, Gesamtprotein, Blutgase, einige Enzyme und Elektrolyte. Zunächst wurde eine lineare Regression zwischen iCa und tCa modelliert, deren Vorhersagkraft unbefriedigend war. Eine leichte Verbesserung ergab sich durch die Verwendung eines multivariablen Modells mit weiteren Blutkennwerten. Die Präzision konnte anschließend bei einem multivariablen Modell zur Schätzung des iCa:tCa-Verhältnisses mit Verwendung weiterer Faktoren (nicht veresterte Fettsäuren, Beta-Hydroxybuttersäure, Cholesterin, Phosphor) verbessert werden. Insgesamt zeigte sich die Vorhersagekraft jedoch auch mit dem verbesserten Modell als unbefriedigend. Ursächlich waren relative Veränderungen von iCa und tCa um den Kalbungszeitraum. Dies wurde anhand einer Kalibrierung der relativen Veränderungen von iCa und tCa auf die jeweiligen Werte von Tag -2 (=100%) nachgewiesen. Es konnte eine Zunahme des iCa:tCa-Verhältnisses von 0,43 am Tag -2 auf 0,48 am Tag 0 beobachtet werden, sowie ein langsamer Rückgang auf 0,43 bis zum Tag 7. Damit lässt sich bestätigen, dass es um die Kalbung zu einer Verschiebung des Verhältnisses zwischen iCa und tCa kommt. Die generelle Annahme, dass das iCa 50% des tCa beträgt, erwies sich somit als höchst unpräzise. Auch die Vorhersage durch ein Modell mit Einbeziehung weiterer Blutkennwerte ist unbefriedigend. Um eine genaue Aussage über den Kalziumhaushalt zu treffen, erscheint es sinnvoll direkt das iCa zu bestimmen. Hierbei ist eine standardisierte Heparinisierung des frischen Vollblutes vorzunehmen, da es durch Erhöhungen der Heparinkonzentration zu erniedrigten Werten für iCa kommt. In einem weiteren Versuch widmeten wir uns der Prophylaxe der Hypokalzämie mittels eines PBLC-haltigen Futterzusatzstoffes. Einige Studien weisen darauf hin, dass das PBLC Menthol die Eigenschaft besitzt, die Kalziumaufnahme im Pansen zu erhöhen. In der statistischen Auswertung unserer Studie verwendeten wir insgesamt 29 Tiere der Rasse Braunvieh (BS) und 41 Tiere der Rasse Holstein Friesian (HF). Die Tiere wurden nach Rasse in je eine Kontroll- und Fütterungsgruppe geteilt. Letztere erhielt von 8 Tagen vor dem erwarteten Abkalben bis 80 Tage nach dem Abkalben 1,7 g/d mentholreiches PBLC. Untersucht wurden die Auswirkungen auf Blutmineralien, Milchleistung und Milchzusammensetzung sowie der Effekt auf den Body Condition Score (BCS) in der peripartalen Periode. Eine signifikante Rasse x Behandlungs-Interaktion zeigte sich für iCa, die auf einer Erhöhung des iCa um 0,03 mmol‧l-1 ausschließlich bei den HF-Tieren beruhte. Bei der Prävalenz für subklinische Hypokalzämie war ebenfalls nur bei den HF-Tieren ein positiver Effekt durch die Fütterung erkennbar, der aufgrund der geringen Gruppengröße jedoch nicht statistisch absicherbar war. Die Beschränkung des Effektes auf den Kalziumhaushalt von HF-Tieren könnte in der geringeren Anfälligkeit des BS gegenüber Hypokalzämie begründet sein. Einen direkten Einfluss auf den BCS konnte die Behandlung nicht zeigen. Auffällig war jedoch, dass sich die PBLC-supplementierten HF- und BSGruppen nicht voneinander unterschieden, während die Kontrollgruppe der HF eine deutlichere Abnahme des BCS nach der Kalbung zeigte als die Kontrollgruppe des BS. Dies deutet bei PBLC-supplementierten HF-Tieren auf eine besseren Kompensation der negativen Auswirkungen einer höheren Milchleistung in Bezug auf die Körperkondition hin. Einen positiven Einfluss zeigte die Fütterung des PBLC auf die Milchleistung beider Rassen. Die Milchzusammensetzung blieb davon unberührt. Ursache ist hier wahrscheinlich eine erhöhte Futteraufnahme durch die Zugabe von PBLC, was jedoch einer weiteren Abklärung bedarf. Zusammenfassend kann geschlussfolgert werden, dass der Einsatz des mentholhaltigen PBLC die Kalziumkonzentration im Blut von HF-Kühen im Zeitraum von 4 Wochen nach der Geburt positiv beeinflussen kann. Zudem wird die Milchleistung sowohl bei den HF-Tieren als auch bei den BS-Tieren erhöht.