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Campylobacter-Infektionen beim Menschen sind in der EU die am häufigsten gemeldeten
Magen-Darm-Erkrankungen. Neben dieser Erkrankungsform, welche klinisch mit wässrigem
bis blutigem Durchfall einhergeht, können in einigen Fällen auch schwerwiegende
Komplikationen wie Gelenksentzündungen oder das Guillain- Barré-Syndrom auftreten.
Insbesondere Hühnerfleisch ist die bedeutendste Infektionsquelle für Campylobakteriosen
beim Menschen. Die Tiere selbst sind dabei in der Regel gesund.
Obwohl in Masthuhn-Betrieben umfangreiche Studien durchgeführt wurden, können die
genauen Wege, wie Campylobacter trotz vorbeugender Maßnahmen neue Herden
besiedeln, oft nicht eindeutig beschrieben werden. Einige Studien haben wichtige Einblicke
in die epidemiologische Situation mittels Kultivierung des Pathogens und Nachweis von
Campylobacter-DNA ermöglicht. Dabei wird die Stallumgebung oft als ein Reservoir für
Campylobacter in den Masthuhn-Betrieben genannt. Verschiedene Studien lassen jedoch
darauf schließen, dass die Kultivierung von Campylobacter in der Umgebung von Masthuhn-
Betrieben nach wie vor eine Herausforderung darstellt. Dies könnte auf eine begrenzte
Persistenz von Campylobacter unter verschiedenen Umweltbedingungen zurückzuführen
sein. Immer wieder wird diskutiert, dass die Exposition gegenüber Umweltstressoren wie
oxidativem Stress, Entzug von Nährstoffen, osmotischem Stress, Temperatur, pH-Wert und
UV-Licht, einen Übergang in einen lebensfähigen, aber nicht kultivierbaren (viable but non
culturable - VBNC) Zustand induzieren kann.
In dieser Studie untersuchten wir das Vorkommen von kultivierbaren Campylobacter und
VBNC-Campylobacter in Praxis in drei Masthuhn-Betrieben und deren Umgebung. Dazu
wurden Proben der Umwelt (Wasser, Tupferproben von Equipment, Luftproben, Socken-
tupfer) gesammelt. Zusätzlich wurde in einem experimentellen Ansatz das Entstehen und die
Persistenz von VBNC-Campylobacter in der Hühnermistmatte, im Boden und in Wasser
analysiert.
Zur VBNC-Detektion nutzen wir die Methode einer Propidium-Monoazid (PMA)-Farbstoff-
basierten „viability“ qPCR (v-qPCR) in Kombination mit Kultivierung einschließlich einer
Anreicherungsmethode.
Bei drei von sieben Probenahmezeitpunkten waren die untersuchten Herden Campylobacter-
negativ sowie auch alle Proben der Umwelt. Bei vier Probenahmen wurden VBNC-Campylo-
bacter außerhalb der Ställe gefunden, wobei hier zeitgleich auch die Herden Campylobacter-
positiv waren. Diese Ergebnisse werden folgend berücksichtigt. Die Detektion in Umweltproben,
hier vor allem Sockentupfern, betrug 14 % (12/86) für VBNC-Campylobacter nach v-qPCR, in
BfR-Symposium: Zoonosen und Lebensmittelsicherheit – Abstracts 16
einer Wasserprobe der Umgebung (1,2 %) war der Erreger kultvierbar. Interessant war, dass
in allen 28 Luftproben der Umgebung Campylobacter-DNA nachweisbar war.
Im experimentellen Ansatz, nach Ausstallen einer Campylobacter-positiven Masthuhngruppe
im Versuchstierstall, wurden nach 24 Stunden keine kultivierbaren Campylobacter (C.) jejuni
im Hühnermist nachgewiesen. Hingegen war die Detektion von VBNC-Campylobacter auch
nach 72 Stunden (letzter Probenahmezeitpunkt) noch möglich.
Laborstudien mit Boden- und Wasserproben, welche mit kultivierbaren C. jejuni künstlich
kontaminiert wurden, zeigten, dass nach drei bis 14 bzw. 15 Tagen (abhängig von Temperatur
und Luftfeuchte), VBNC-Campylobacter induziert wurden. Diese ließen sich auch bis zum
letzten Probenahmezeitpunkt, 28 Tage im Boden und 63 Tage im Wasser, noch nachweisen.
Versetzten wir Boden- oder Wasserproben direkt mit vorher hergestellten VBNC-Campylo-
bacter, blieben diese insbesondere bei 4 °C lange nachweisbar, mit 25 Tagen im Boden und
109 Tagen im Wasser. Beides waren auch hier die letzten Probenahmezeitpunkte.
Diese kontrollierten experimentellen Untersuchungen können höchstwahrscheinlich nicht
die Persistenz von VBNC-Campylobacter in der Natur nachahmen, da die Einwirkung von
Umweltfaktoren komplexer ist. Sie liefern jedoch einige wichtige Einblicke zur Thematik. So
ist das Potential zum längeren Überdauern von noch potentiell infektiösen Campylobacter
gegeben. Vor allem die Isolierung von VBNC-Campylobacter aus Umweltproben bleibt
methodisch herausfordernd. Weiterhin ist zu beachten, dass auch andere Faktoren wie
stammspezifische Unterschiede die Persistenz von VBNC-Campylobacter beeinflussen
können. Obwohl unter bestimmten Bedingungen in anderen Studien ein „Aufwecken“ der
VBNC zum kultivierbaren Zustand innerhalb eines distinkten Zeitfensters möglich war,
bestätigt die Methode der PMA v-qPCR ausschließlich die Integrität der Zellmembran und
liefert keine Daten zur Stoffwechselaktivität, Pathogenität oder Infektiosität. Hierfür sind
weiterführende Studien von besonderem Interesse.