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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Publikationsdatenbank

    VBNC-Campylobacter in der Umwelt: Erkenntnisse aus Praxis und experimentellen Studien (2023)

    Art
    Vortrag
    Autoren
    Reichelt, B. (WE 10)
    Stingl, K.
    Szott, V. (WE 10)
    Roesler, Uwe (WE 10)
    Friese, A. (WE 10)
    Kongress
    BfR-Symposium: Zoonosen und Lebensmittelsicherheit
    16.11.2023
    Quelle
    Verweise
    URL (Volltext): https://www.bfr-akademie.de/media/wysiwyg/2023/SZL2023/Abstractband_Zoonosen2023.pdf
    Kontakt
    Institut für Tier- und Umwelthygiene

    Robert-von-Ostertag-Str. 7-13
    14169 Berlin
    +49 30 838 51845
    tierhygiene@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Campylobacter-Infektionen beim Menschen sind in der EU die am häufigsten gemeldeten
    Magen-Darm-Erkrankungen. Neben dieser Erkrankungsform, welche klinisch mit wässrigem
    bis blutigem Durchfall einhergeht, können in einigen Fällen auch schwerwiegende
    Komplikationen wie Gelenksentzündungen oder das Guillain- Barré-Syndrom auftreten.
    Insbesondere Hühnerfleisch ist die bedeutendste Infektionsquelle für Campylobakteriosen
    beim Menschen. Die Tiere selbst sind dabei in der Regel gesund.
    Obwohl in Masthuhn-Betrieben umfangreiche Studien durchgeführt wurden, können die
    genauen Wege, wie Campylobacter trotz vorbeugender Maßnahmen neue Herden
    besiedeln, oft nicht eindeutig beschrieben werden. Einige Studien haben wichtige Einblicke
    in die epidemiologische Situation mittels Kultivierung des Pathogens und Nachweis von
    Campylobacter-DNA ermöglicht. Dabei wird die Stallumgebung oft als ein Reservoir für
    Campylobacter in den Masthuhn-Betrieben genannt. Verschiedene Studien lassen jedoch
    darauf schließen, dass die Kultivierung von Campylobacter in der Umgebung von Masthuhn-
    Betrieben nach wie vor eine Herausforderung darstellt. Dies könnte auf eine begrenzte
    Persistenz von Campylobacter unter verschiedenen Umweltbedingungen zurückzuführen
    sein. Immer wieder wird diskutiert, dass die Exposition gegenüber Umweltstressoren wie
    oxidativem Stress, Entzug von Nährstoffen, osmotischem Stress, Temperatur, pH-Wert und
    UV-Licht, einen Übergang in einen lebensfähigen, aber nicht kultivierbaren (viable but non
    culturable - VBNC) Zustand induzieren kann.
    In dieser Studie untersuchten wir das Vorkommen von kultivierbaren Campylobacter und
    VBNC-Campylobacter in Praxis in drei Masthuhn-Betrieben und deren Umgebung. Dazu
    wurden Proben der Umwelt (Wasser, Tupferproben von Equipment, Luftproben, Socken-
    tupfer) gesammelt. Zusätzlich wurde in einem experimentellen Ansatz das Entstehen und die
    Persistenz von VBNC-Campylobacter in der Hühnermistmatte, im Boden und in Wasser
    analysiert.
    Zur VBNC-Detektion nutzen wir die Methode einer Propidium-Monoazid (PMA)-Farbstoff-
    basierten „viability“ qPCR (v-qPCR) in Kombination mit Kultivierung einschließlich einer
    Anreicherungsmethode.
    Bei drei von sieben Probenahmezeitpunkten waren die untersuchten Herden Campylobacter-
    negativ sowie auch alle Proben der Umwelt. Bei vier Probenahmen wurden VBNC-Campylo-
    bacter außerhalb der Ställe gefunden, wobei hier zeitgleich auch die Herden Campylobacter-
    positiv waren. Diese Ergebnisse werden folgend berücksichtigt. Die Detektion in Umweltproben,
    hier vor allem Sockentupfern, betrug 14 % (12/86) für VBNC-Campylobacter nach v-qPCR, in
    BfR-Symposium: Zoonosen und Lebensmittelsicherheit – Abstracts 16
    einer Wasserprobe der Umgebung (1,2 %) war der Erreger kultvierbar. Interessant war, dass
    in allen 28 Luftproben der Umgebung Campylobacter-DNA nachweisbar war.
    Im experimentellen Ansatz, nach Ausstallen einer Campylobacter-positiven Masthuhngruppe
    im Versuchstierstall, wurden nach 24 Stunden keine kultivierbaren Campylobacter (C.) jejuni
    im Hühnermist nachgewiesen. Hingegen war die Detektion von VBNC-Campylobacter auch
    nach 72 Stunden (letzter Probenahmezeitpunkt) noch möglich.
    Laborstudien mit Boden- und Wasserproben, welche mit kultivierbaren C. jejuni künstlich
    kontaminiert wurden, zeigten, dass nach drei bis 14 bzw. 15 Tagen (abhängig von Temperatur
    und Luftfeuchte), VBNC-Campylobacter induziert wurden. Diese ließen sich auch bis zum
    letzten Probenahmezeitpunkt, 28 Tage im Boden und 63 Tage im Wasser, noch nachweisen.
    Versetzten wir Boden- oder Wasserproben direkt mit vorher hergestellten VBNC-Campylo-
    bacter, blieben diese insbesondere bei 4 °C lange nachweisbar, mit 25 Tagen im Boden und
    109 Tagen im Wasser. Beides waren auch hier die letzten Probenahmezeitpunkte.
    Diese kontrollierten experimentellen Untersuchungen können höchstwahrscheinlich nicht
    die Persistenz von VBNC-Campylobacter in der Natur nachahmen, da die Einwirkung von
    Umweltfaktoren komplexer ist. Sie liefern jedoch einige wichtige Einblicke zur Thematik. So
    ist das Potential zum längeren Überdauern von noch potentiell infektiösen Campylobacter
    gegeben. Vor allem die Isolierung von VBNC-Campylobacter aus Umweltproben bleibt
    methodisch herausfordernd. Weiterhin ist zu beachten, dass auch andere Faktoren wie
    stammspezifische Unterschiede die Persistenz von VBNC-Campylobacter beeinflussen
    können. Obwohl unter bestimmten Bedingungen in anderen Studien ein „Aufwecken“ der
    VBNC zum kultivierbaren Zustand innerhalb eines distinkten Zeitfensters möglich war,
    bestätigt die Methode der PMA v-qPCR ausschließlich die Integrität der Zellmembran und
    liefert keine Daten zur Stoffwechselaktivität, Pathogenität oder Infektiosität. Hierfür sind
    weiterführende Studien von besonderem Interesse.