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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Immunbedingte Thrombozytopenie (ITP):
    Diagnostik und Komorbiditäten (ACVIM Leitlinien) (2023)

    Art
    Vortrag
    Autor
    Kohn, Barbara (WE 20)
    Kongress
    Tagung der DVG-Fachgruppe Deutsche Gesellschaft für Kleintiermedizin DGK-DVG
    Berlin, 22. – 25.11.2023
    Quelle
    Tagung der DVG-Fachgruppe Deutsche Gesellschaft für Kleintiermedizin DGK-DVG : Teil: 25. November 2023 : Vorträge (Samstag) — DVG, Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft e.V. (Hrsg.)
    1. Auflage
    Gießen: Verlag der DVG Service GmbH, 2023 — S. 10–13
    ISBN: 978-3-86345-701-3
    Verweise
    URL (Volltext): https://d-nb.info/1317798023/04
    Kontakt
    Klein- und Heimtierklinik

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62422
    kleintierklinik@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Definition und Pathophysiologie:
    Die ITP ist die häufigste erworbene primäre Hämostasestörung beim Hund und kommt seltener bei der Katze vor. Die ITP ist durch die verstärkte Bildung von Antikörpern gegen Antigene auf der Thrombozyten (Tc)-Oberfläche gekennzeichnet. In einigen Fällen spielt zudem eine komplementmediierte Zerstörung und bei Fehlen von nachweisbaren Antikörpern eine zytotoxische T-Zell-mediierte Zerstörung eine Rolle. Der Abbau der Tc wird dadurch beschleunigt, was die normale Überlebenszeit der Tc deutlich verkürzt. Antikörper und T-Zellen können auch die Megakaryozyten angreifen und die Tc-Produktion hemmen. Man unterscheidet primäre (idiopathische, „non-associative", p/TP) und sekundäre („associative", sITP) Formen, wobei bei der sekundären ITP eine Grunderkrankung oder Trigger als möglicher Auslöser vorliegt. Die ITP kann zudem zusammen mit immunhämolytischer Anämie auftreten (Evans' Syndrom, ca. 1/3 der Fälle oder Teil einer komplexen Autoimmunerkrankung (Systemischer Lupus erythematodes) sein. Die Mortalitätsrate liegt zwischen etwa 10-30% und die eingesetzten Immunsuppressiva können mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen. Aufgrund der Schwere der Erkrankung ist eine rasche und zielorientierte Diagnostik wichtig. Bei der Diagnose primäre ITP handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, es gibt keinen Test, der zwischen primären und sekundären Formen unterscheiden kann.

    Ziel des ACVIM Consensus Statements war, die wichtigsten diagnostischen Schritte zu beschreiben und mögliche Trigger zu identifizieren. Zu diesem Zweck wurde die international vorhandene Literatur von Experten systematisch gesichtet; initial waren dies über 500 Literaturstellen. Für den Diagnostikteil blieben 287 Publikationen und für den Komorbiditätenteil 165 übrig. Es wurden 12 sOg. PECO (Population - Evaluation/ Exposure - Comparison - Outcome)-Fragen identifiziert. Die Antworten wurden einem Delphi-Prozeß (systematisches mehrstufiges Befragungsverfahren) unterzogen, um einen Konsensus in Bezug auf die finalen Empfehlungen bzw. Ergebnisse zu erzielen. Schließlich wurden Algorithmen zur Diagnose einer ITP erstellt. Die Komorbiditäten wurden mittels eines „Integrated measure of evidence" (IME) Verfahrens gesichtet. Dadurch sollte erfasst werden, wie wahrscheinlich ein Zusammenhang zwischen der Komorbidität/ dem Trigger und der ITP vorlag. Es wurden anschließend Empfehlungen erarbeitet, auf welche Komorbiditäten die Patienten mit ITP gescreent werden sollten.

    Signalement:
    Hunde jeden Alters und jeder Rasse können an pITP erkranken; Hündinnen sind etwas häufiger betroffen. Genetische Faktoren führen zur Prädisposition bestimmter Familien und Rassen, wie z.B. Cockerspaniel, Pudel, Irish Setter, Bearded Collie, Bobtail. Bei der Katze sind nur Einzelfälle beschrieben. Ob die primäre ITP bei der Katze selten ist oder wegen der geringeren Blutungsneigung im Gegensatz zum Hund nicht diagnostiziert wird, ist unklar.

    Klinik:
    Meist werden die Hunde (und Katzen) wegen akut auftretenden Oberflächenblutungen (Petechien, Ekchymosen, Zahnfleischbluten, Epistaxis, Sklerablutungen, Hämaturie, usw.) vorgestellt; Hämatome sind eher selten. Gelegentlich ist die Thrombozytopenie auch ein Zufallsbefund, da die Tiere trotz hochgradiger Thrombozytopenie (< 30 G/l) nicht immer spontan bluten. Oft sind die Patienten initial bei gutem oder wenig gestörtem Allgemeinbefinden, bis es durch Blutungen zu Anämiesymptomen kommt. Chronischer Blutverlust ist selten. Je nach Ort der Blutung können in Einzelfällen schwerwiegende Symptome wie z.B. neurologische Ausfälle durch Gehirnblutungen auftreten. Einige Hunde haben Fieber und geringgradig vergrösserte Lymphknoten, wobei letzteres auf eine sekundäre ITP hindeuten kann. Eine generalisierte Splenomegalie ist häufig.

    Diagnostik:
    Aufbau der PECO-Fragen: In dogs/cats with confirmed thrombocytopenia (P=patients) does evaluation (E) by a diagnostic test compared to platelet count alone (C=comparison) improve differentiation of ITP from non-immune thrombocytopenia (O=outcome). Bei der Erstellung des Algorithmus wurden 6 Grade für die Diagnose pITP erstellt: möglich, möglich mit immunologischem Nachweis (Tc- oder Megakaryozyten-gebundener Antikörpernachweis), wahrscheinlich mit/ohne immunologischem Nachweis, diagnostisch mit/ohne immunologischem Nachweis. Bei sITP wird unterschieden zwischen möglich, wahrscheinlich und wahrscheinlich mit immunologischem Nachweis.

    Wichtigste Aussagen des Algorithmus:
    1. Tc-Zahl < 100.000/ul (bestätigt durch Blutausstrich; Ktz auch manuelle Zählung; keine Makrothrombozytopenie beim Hund nachweisbar) spricht
    für ITP.
    2. Bei Panzytopenie und Nachweis einer Sepsis / Myelofibrose / Knochenmarkstoxin ist eine ITP unwahrscheinlich. Bei Panzytopenie und Grunderkrankung evtl. Vorliegen einer sITP.
    3. Liegt keine Panzytopenie vor aber eine Grunderkrankung mit DIC/ oder eine
    4. Je nachdem wie gründlich zugrundeliegende Trigger ausgeschlossen wurden (nein / teilweise / bestmöglich) wird schliesslich von einer möglichen / wahrscheinlichen / diagnostizierten pITP (mit / ohne immunologischem Nachweis gesprochen.
    Zugrunde liegende Erkrankungen und auslösende Trigger müssen also durch gründliche Anamnese, hämatologische und klinisch-chemische Blutuntersuchung, Gerinnungsdiagnostik (PT/aPTT), Differentialblutbild, Urinstatus, evtl. Urinmikrobiologie, Ausschluss von Infektionskrankheiten sowie Röntgen- und Ultraschalluntersuchungen bestmöglich ausgeschlossen werden. Zudem dient ein Teil dieser Parameter zur Einschätzung des Allgemeinzustandes des Patienten und dem Schweregrad der Erkrankung (z.B. hochgradige Anämie, zusätzliche Organkrankheiten wie z.B. Niereninsuffizienz). Eine Knochenmarkuntersuchung ist nur bei gleichzeitiger ungeklärter nichtregenerativer Anämie oder Leukopenie, atypischen Zellen im Blutausstrich und Therapieversagen indiziert.

    Komorbiditäten:
    PECO-Frage: In a population of dogs/cats (P), what is the effect of exposure (E) to comorbidity X compared to lack of exposure (C) on the development of ITP (0). Beim Hund wurden folgende möglichen Trigger identifiziert: Infektionen (Anaplasma spp., Ehrlichia canis, Babesia spp., Leishmania infantum, Rangelia vitalii, Angiostrongylus vasorum, Dirofilaria spp., Staupevirus, Leptospira spp., Prostatitis, Abszesse/ infizierte Wunden, u.a.), Neoplasien (z.B. Lymphom, nicht-hämatopoetische Tumore), Medikamente (Cefazedon, Sulfonamide, Goldsalze, u.a.), Impfung, Toxine, Entzündungen (z.B. Inflammatory bowel disease). Mögliche Trigger bei der Katze: Infektionen (FIP-, FeLV-, FIV-Infektionen, Hämoplasmen, Anaplasma phagocytophilum u.a.), Medikamente (z.B. Methimazol), Impfung, Toxine, Entzündung (z.B. Fettgewebsnekrose, Hepatitis, Pyelonephritis).