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Für die Gesundheit unserer Hunde stellte die Gründung organisierter Zucht „im großen Stil“ vor einhundertfünfzig Jahren einen Wendepunkt dar. Nicht nur klinische und pathologische, sondern zunehmend auch genetische Befunde weisen auf teils höchst bedenkliche Entwicklungen hin. Während einige Folgen mancher ungesunder Zuchtziele (1-3) bereits öffentlich diskutiert werden, scheint sich die starke genetische Verarmung vieler Rassen als viel größeres Problem herauszustellen (3-5). Die beiden Krisenfelder kollidieren bis zur Aussichtslosigkeit, wenn ein „Gesundzüchten“, also eine züchterische Korrektur vieler Defekte, aufgrund der genetischen Verarmungen vielfach nicht mehr möglich ist. Auch scheinen die Interessen und Bedürfnisse einiger Hundehalterinnen und -halter und mancher Rassefans nicht in Einklang zu bringen zu sein mit nachhaltigem Tierwohl.
Neue Forschungsergebnisse (3-5) legen nicht nur die Hintergründe offen, sondern ermöglichen auch die Gestaltung von Auswegen. Diese werden in der hier vorgestellten Arbeit systematisch auf ihre Potenziale und Praktikabilität hinterfragt. Große Bedeutung wird Gentests und kompletten Erbgutanalysen bei korrigierenden Eingriffen in die Zuchtauswahl zukommen. Daneben werden Kreuzungszuchten für viele Rassen immer attraktiver. Parallel entwickeln sich aktuell Möglichkeiten durch gentechnische Erbgutkorrekturen. Sogar das Klonen, das in Teilen der Welt bei Hunden und Katzen längst Routine ist, kann punktuell eine wichtige Rolle spielen.
Den tiermedizinisch und gesellschaftlich hoch relevanten Herausforderungen stehen damit mehr als genug technologische Auswege gegenüber. Dabei wird es nicht den einen Lösungsweg für alle Probleme geben. Vielmehr gilt es, nach scharfer Problemanalyse, Definition der erhaltenswürdigen Werte und moralischer Abwägung den jeweils passenden Ausweg zu finden (6). Dabei werden wir manche Aspekte unserer traditionellen Zuchtpraxis reiner Rassen überdenken müssen.
(1) Asher L et al.: Inherited defects in pedigree dogs. Part 1: Disorders related to breed standards. Vet J. 2009, 182: 402-11.
(2) Bannasch D et al.: The Effects of FGF4 Retrogenes on Canine Morphology. Genes (Basel). 2022, 13: 325.
(3) Bannasch D et al.: The effect of inbreeding, body size and morphology on health in dog breeds. Canine Med Genet. 2021, 8:12.
(4) Farrell LL et al.: The challenges of pedigree dog health: Approaches to combating inherited disease. Canine Genetics and Epidemiology. 2015, 2: 1 – 14.
(5) Leeb T et al.: Identification of Genetic Risk Factors for Monogenic and Complex Canine Diseases. Annu Rev Anim Biosci. 2023, 11: 9.1-9.23.
(6) Gruber, A: Geschundene Gefährten: Über Irrwege in der Rassezucht und unsere Verantwortung für Hund und Katze. Droemer, 2023.