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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Klicker-Training als angewandte Refinement-Maßnahme beim Huhn (2023)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Mählis, Gordon (WE 11)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2023 — VIII, 148 Seiten
    ISBN: 978-3-96729-212-1
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/40204
    Kontakt
    Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Versuchstierkunde

    Königsweg 67
    14163 Berlin
    +49 30 838 61146
    tierschutz@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Im Rahmen dieser Arbeit wurden 21 Junghennen der Linie Lohmann Selected Leghorn für 23 Tage mittels Klicker-Training trainiert. Ziel des Trainings bestand darin, die Tiere dahingehend zu konditionieren, sich freiwillig und ohne Gegenwehr oder Fluchtversuche einer zweifachen Blut- und Speichelprobenentnahme sowie einem zwischengeschalteten Handling im Rahmen einer Allgemeinuntersuchung zu unterziehen. Die vom Beutetier Huhn naturgemäß als stressig empfundenen Maßnahmen, wie z.B. das Einfangen aus dem Stall oder die Fixation/Immobilisation während Probenentnahme und Handling sollten so umgangen bzw. in ihrem Stressor-Potential gemildert werden. Stetig neue positive Erfahrungen während der Phase des Klicker-Trainings sollten zudem die Resilienz und das Selbstbewusstsein der Tiere stärken sowie ihre Offenheit gegenüber neuen Situationen erhöhen. Verglichen wurden die trainierten Tiere anhand serologischer, hämatologischer und ethologischer Parameter mit einer gleich großen Kontrollgruppe. Durch die Bestimmung der Corticosteron-Konzentrationen in Speichel und Plasma wurde eine Aussage zum aktuellen bzw. kurzfristigen Stressempfinden der Tiere möglich. Die Werte des Speichel-Corticosterons sprechen den Trainingsgruppentieren ein signifikant geringeres Anfluten und damit eine geringere Reaktion auf einsetzende Stresssituationen zu als den Tieren der Kontrollgruppe. Im Plasma zeigt sich dieser Unterschied als nicht signifikant, folgt aber dem gleichen Trend. Bei bestehenbleibender Stresssituation im Verlauf der Allgemeinuntersuchung gleichen sich die Werte von Trainings- und Kontrollgruppe in beiden Probenarten an. Der signifikante Gruppenunterschied im Speichel verliert sich und zeigt sich, wie die Unterschiede im Plasma, nur noch tendenziell. Auch wenn die im Vorfeld der eigentlichen Untersuchung durchgeführte Verifizierung aufgrund verhältnismäßig hoher Variationskoeffizienten, eine vorsichtige Interpretation der Ergebnisse empfiehlt, bleibt für die in dieser Arbeit ermittelten Plasmacorticosteron-Werte grundsätzlich festzustellen, dass diese im Vergleich zu den Werten anderer Arbeiten im generell niedrigen Bereich einzuordnen sind. Wie sich das kontinuierliche, mehrwöchige Klicker-Training und damit die tägliche Auseinandersetzung der Tiere mit potenziell stressigen Situationen auf deren mittel- bis längerfristiges Stressempfinden auswirkt, wurde anhand der H:L-Ratio sowie dem Hämatokrit beurteilt. Auch in der H:L-Ratio zeigen sich beim Vergleich der Gruppen lediglich tendenzielle Unterschiede zu Gunsten der Trainingsgruppe und das bei Werten, die analog zu den Plasmacorticosteron-Werten insgesamt allen Tieren ein eher geringes Stressempfinden zuschreiben. Die Hämatokrit-Werte schwanken zwischen den Gruppen nur um einzelne Prozentpunkte, was zusammen mit der Tatsache, dass dieser Wert generell durch eine Vielzahl anderer Stoffwechselvorgänge mitbeeinflusst wird, diesen für die Beurteilung des Klicker-Trainings als ungeeignet erscheinen lässt. Die Einschätzung des langfristigen Stressempfindens über den vollständigen Versuchszeitraum, einschließlich der Phase der Verhaltenstests, erfolgte durch die Bestimmung des in die Rückenfedern des Interscapular-Bereiches eingelagerten Feder-Corticosterons. Die hier ermittelten Werte waren in beiden Gruppen im Mittelwert nahezu identisch und liegen beim Vergleich mit Werten aus Literatur und Vorversuchen im unteren Bereich. Wenngleich dies für beide Gruppen ein insgesamt geringes Stressempfinden während des gesamten Versuchszeitraumes beschreibt, sollten diese Werte auch auf Grund relativ breiter Streuung und der Ergebnisse der Verifizierung stets mit Bedacht bewertet werden. Die in Ergänzung zu den serologischen und hämatologischen Untersuchungen durchgeführten Verhaltenstests gestalteten sich als zwei New Area Tests sowie ein New Object Test. Durch diese sollten in erster Linie Aussagen hinsichtlich eines potentiellen Einflusses von Klicker-Training auf Resilienz, Selbstbewusstsein und Offenheit der Tiere bezüglich neuer Situationen ermöglicht werden. Der New Area Test 1 gestattete zudem Rückschlüsse bezüglich des Stressempfindens der Tiere in der diesem Test vorausgegangenen Abfolge aus Probenentnahme, Allgemeinuntersuchung und erneuter Probenentnahme. Bei den New Area Tests zeigten sich in den beurteilten Parametern teils signifikante, teils nur tendenzielle Gruppenunterschiede zu Gunsten der trainierten Tiere. In allen Fällen waren die Unterschiede jedoch größer, sofern der Test direkt im Anschluss an die - bei den Trainingsgruppentieren durch das Klicker-Training begleitete – „Probenahme-Allgemeinuntersuchung-Probenahme-Abfolge“ stattfand. Die Konfrontation der Tiere mit einem neuen Raum ohne vorausgegangenes Klickern der Trainingsgruppentiere verringerte die Gruppenunterschiede. Im New Object Test zeigten sich ebenfalls keine signifikanten, allerdings erneut tendenzielle Unterschiede zu Gunsten der Trainingsgruppe. Auch wenn die Werte der in dieser Arbeit durchgeführten Corticosteron-Messungen aktuell noch mit Bedacht zu bewerten sind, so zeigen auch sie im Zusammenspiel mit den anderen beurteilten Parametern, dass eine positive Beeinflussung des Verhaltens bei zu Versuchszwecken gehaltenen Hühnern durch ein dreiwöchiges Klicker-Training möglich ist. Als Maßnahme des kognitiven Enrichments zur Begleitung von Hühnern durch Tierversuche scheint das Training geeignet, was zusätzlich zu den Testergebnissen auch durch die nur in zwei der drei Kontrollgruppen, nicht jedoch in den Trainingsgruppen aufgetretene Kannibalismus-Problematik unterstrichen wird. Ob durch ein Klicker-Training allerdings auch eine nachhaltige Beeinflussung des Stressempfindens möglich ist, sollte durch auf diese Studie aufbauende Arbeiten mit längerfristigen Trainingsperioden bzw. für Situationen mit höherem Stresspotential als Probenentnahmen oder Allgemeinuntersuchung sowie durch Hinzuziehung weiterer, geeigneter Untersuchungsparameter beurteilt werden. Hierbei muss die Mitbeeinflussung bestimmter, vor allem biochemischer aber auch einiger serologischer Parameter durch das Belohnungsfutter berücksichtigt werden, infolgedessen solche als ungeeignet zur Beurteilung des Klicker-Trainings zu betrachten sind. Ist die grundlegende Vorgehensweise des Klicker-Trainings verstanden sowie das prinzipielle und von jedem Tierpfleger zu erwartende Wissen und Einfühlungsvermögen hinsichtlich der zu betreuenden Tiere vorhanden, so kann ein Klicker-Training leicht und ohne größere Vorbereitung als angewandte Refinement-Maßnahme in bestehende Versuchstierhaltungen integriert werden. Im Hinblick auf den generellen Einsatz des Klicker-Trainings zur Vorbereitung von Hühnern auf versuchsbedingte Manipulationen, sollte jedoch stets eine Abwägung erfolgen zwischen Belastungsgrad bzw. Dauer des geplanten Versuches und der sich daraus ergebenden notwendigen und somit zusätzlich auf den eigentlichen Versuch aufzuaddierenden Trainingszeit. Da dies eine nicht unerhebliche Verlängerung des Versuchszeitraumes mit sich bringen kann und hierdurch andere Stressoren, die möglicherweise in der hier vorliegenden Studie bisher noch unbedeutend blieben, begünstigt werden könnten, sollte hierbei immer nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit abgewogen und entschieden werden.