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Fachbereich Veterinärmedizin


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    Victor Goerttler (1897-1982) – Leben und Werk – (2022)

    Art
    Hochschulschrift
    Autor
    Link, Corina (WE 2)
    Quelle
    Berlin: Mensch und Buch Verlag, 2022 — XVII, 272 Seiten
    ISBN: 978-3-96729-201-5
    Verweise
    URL (Volltext): https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/39834
    Kontakt
    Institut für Veterinär-Physiologie

    Oertzenweg 19 b
    14163 Berlin
    +49 30 838 62600
    physiologie@vetmed.fu-berlin.de

    Abstract / Zusammenfassung

    Die vorliegende Arbeit verfolgte das Ziel, den persönlichen Lebensweg von VICTOR GOERTTLER sowie seinen fachlichen Beitrag für die Veterinärmedizin, insbesondere auf den Gebieten der Tierseuchenbekämpfung, Lebensmittelhygiene und Fortpflanzungsüberwachung, zu rekonstruieren und zu analysieren. Eine essentielle Quellenbasis für diese Arbeit bildete eine beachtliche Anzahl von Archivalien, insbesondere aus dem Universitärsarchiv Jena, dem Hauptstaatsarchiv Weimar, dem Stasi-Unterlagen-Archiv-Gera sowie dem Bundesarchiv in Berlin. Ergänzt wird diese Quellenbasis durch Aussagen, schriftliche Dokumente und Fotos von Zeitzeugen aus GOERTTLERs Familie, seinem ehemaligen Mitarbeiterstab und deren Nachfahren, einem von GOERTTLERs ehemaligen Studenten, einem seiner Nachbarn sowie durch Sekundärliteratur. Der erste Teil dieser Dissertationsschrift konzentriert sich auf GOERTTLERs persönlichen und beruflichen Lebensweg; beginnend mit seiner Familie, über seinen Weg in die Tiermedizin, seine beruflichen Lehr- und Wanderjahre bis hin zur Lebensstellung als Direktor von drei Jenaer veterinärmedizinischen Instituten. Zudem wird auf GOERTTLERs politische Einstellung und persönliche Interessen eingegangen. Im zweiten Teil dieser Dissertationsschrift werden anhand seiner umfangreichen Bibliographie seine wissenschaftlichen Schwerpunkte herausgearbeitet und einer genaueren Betrachtung unterzogen. Detaillierter betrachtet wird zudem ein schöngeistiges Werk aus GOERTTLERs Feder, das ihm besonders am Herzen lag. VICTOR GOERTTLER, 1897 in Sondershausen geboren, studierte von 1919 bis 1922 Tiermedizin in Gießen und München. Im Jahre 1923 wurde er mit einer bakteriologischen Arbeit zur Rauschbranddiagnose in Gießen promoviert. Erste Berufserfahrungen sammelte er an der Veterinäranstalt in Jena. Sein weiterer beruflicher Werdegang führte ihn in die Serum- und Impfstoffindustrie und anschließend in das damals führende Veterinäruntersuchungsamt nach Potsdam, wo er seine bakteriologischen Fähigkeiten weiter vervollkommnen konnte. Es folgten eine Anstellung als Veterinärrat in Göttingen und schließlich die Berufung ins Reichs- und Preußische Ministerium des Innern unter Reichstierärzteführer FRIEDRICH WEBER. GOERTTLER war über den gesamten Zeitraum publizistisch äußerst aktiv und habilitierte sich im Jahre 1937, auf Basis seiner veröffentlichten Arbeiten, an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Zudem hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits drei Schriftleitungen inne, von zwei Fachzeitschriften sowie für das Deutsche Tierärzteblatt. Anfang 1938 erfolgte der Ruf nach Jena auf den Lehrstuhl für Tierheilkunde, womit auch die Leitung der Veterinäranstalt einschließlich der Tierseuchenstelle (ab 1946 Veterinäruntersuchungs- und Tiergesundheitsamt) verbunden war. GOERTTLER führte die Anstalt erfolgreich durch kriegsbedingt schwere Zeiten und war nach dem Zweiten Weltkrieg der einzig verbliebene Ordinarius der Landwirtschaftswissenschaften in Jena. Auf erste Anstrengungen zum Wiederaufbau der landwirtschaftlichen Institute folgte die Entlassung aus seiner Position aufgrund seiner NSDAP-Mitgliedschaft (1933-1945). Ein langwieriges Entnazifizierungsverfahren mündete 1948 in einer Aufhebung des Entfernungsbeschlusses und in der Wiedereinsetzung in seine ehemalige Position. Im Jahre 1953 wurde er Gründungsdekan der Landwirtschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena und krönte nur ein Jahr später seine wissenschaftliche Karriere in Jena mit der Gründung des Instituts für bakterielle Tierseuchenforschung der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin. GOERTTLERs umfangreiche Arbeiten auf den Gebieten der Tierseuchenbekämpfung (einschließlich Bakteriologie/Serologie), Lebensmittelhygiene, Sterilitätsbekämpfung und der Rindertuberkulose mündeten in diversen Hand- und Lehrbüchern sowie in weit über 200 Beiträgen in tiermedizinischen, landwirtschaftlichen und humanmedizinischen Fachzeitschriften sowie wissenschaftlichen Standardwerken. Bezeichnend für die Arbeiten aus GOERTTLERs Feder waren dabei immer die hohe Aktualität und der enge Praxisbezug. Das in den 1930er Jahren etablierte Thüringische Fortpflanzungsüberwachungsprogramm wurde von GOERTTLER beispielhaft weiterentwickelt und hatte Vorreiterfunktion weit über die Grenzen Thüringens hinaus. GOERTTLERs fachliche Arbeit erhielt weitreichende Anerkennung in Form zahlreicher akademischer Ernennungen, Auszeichnungen und Mitgliedschaften. Ihm wurden der Nationalpreis der DDR III. Klasse sowie der Vaterländische Verdienstorden in Bronze verliehen. Weiter war er Mitglied der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und er trug zwei Ehrendoktortitel. In der abschließenden Diskussion werden zentrale Aspekte nochmal im Gesamtzusammenhang vertiefend diskutiert. Ein Augenmerk liegt dabei auf GOERTTLERs Haltung zum jeweiligen politischen System. Die Autorin kommt hier zu dem Ergebnis, dass sich GOERTTLERs opportunes Verhalten zum NS-Regime in weiten Teilen mit der Sorge vor beruflichen Nachteilen erklären lässt. GOERTTLER war über lange Jahre eine stark karriereorientierte Persönlichkeit, eine Aufgabe seiner beruflichen Ziele erschien undenkbar. Ab Mitte der 1950er Jahre war GOERTTLERs berufliche Stellung deutlich gefestigter, und er erlaubte sich privat sowie vereinzelt auch öffentlich Kritik am sozialistischen System. Neben seiner zentralen Stellung im Veterinärwesen der DDR war seine teilweise offensive Ablehnung vermutlich ein Mitgrund für die intensive Überwachung seiner Person durch die Staatssicherheit (1963-1965). Weithin bekannt ist GOERTTLER bis heute als Koryphäe auf dem Gebiet der Tierseuchenbekämpfung und Fortpflanzungsüberwachung. Deutlich weniger bekannt ist er für seine umfangreichen und wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Zoonosenforschung. Beides machte ihn zu einem Vorreiter auf dem Gebiet des „Veterinary Public Health“, zu einem Zeitpunkt als dieser Begriff noch gar nicht eingeführt war. GOERTTLERs wissenschaftliches Erbe lebt jedoch nicht nur in seinen Schriften und seinen Schülern fort. Der Jenaer Standort des Friedrich-Loeffler-Instituts, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, als Nachfolgeeinrichtung des Instituts für bakterielle Tierseuchenforschung, ist Vermächtnis eines Mannes, der neben seiner herausragenden fachlichen Expertise die Gabe besaß, wissenschaftliche Herausforderungen frühzeitig zu erkennen, Synergieeffekte maximal zu nutzen, Theorie und Praxis auf das Engste zu verzahnen und sich trotz aller Erfolge ein hohes Maß an Selbstkritik zu bewahren.